Neuzulassungen in aktueller Leitlinie berücksichtigt

Dr. Daniela Erhard

Die dritte Version der Empfehlungen zum Leberzellkarzinom (HCC) und den biliären Tumoren ist verfügbar. Die dritte Version der Empfehlungen zum Leberzellkarzinom (HCC) und den biliären Tumoren ist verfügbar. © Crystal light – stock.adobe.com

Erst im vergangenen Jahr erschien die überarbeitete Leitlinie „Diagnostik und Therapie des hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome“. Nun gibt es schon das nächste Update. Das liegt unter anderem an der Zulassung neuer Behandlungsoptionen.

In der letzten Überarbeitung hatten es die Autor:innen schon angekündigt: „Eine jährliche Aktualisierung der Leitlinie wird angestrebt.“ Gesagt, getan. Nur 13 Monate später ist die nunmehr dritte Version der Empfehlungen zum Leberzellkarzinom (HCC) und den biliären Tumoren verfügbar. Grundlegend umstellen muss sich nach der Überprüfung sämtlicher Statements niemand, die Algorithmen zu Diagnostik und Therapie der genannten Krebserkrankungen bleiben unverändert. Einige Details jedoch haben die Expert:innen unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen an den aktuellsten Wissensstand angepasst.

So weiten die neuen Leitlinien die Möglichkeit zur Früherkennung eines HCC auf zusätzliche Risikogruppen aus. War eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung bislang v.a. Personen mit Leberzirrhose sowie ggf. mit fortgeschrittener Leberfibrose angeraten, kann man nach Ansicht der Expert:innen aber auch Betroffenen von selteneren Erkrankungen die halbjährliche Ultraschalluntersuchung anbieten. Explizit erwähnen sie hierbei die akute intermittierende Porphyrie, die Glykogenspeicherkrankheit, Morbus Gaucher sowie die Tyrosinämie vom Typ I.

FDA hat Genehmigung widerrufen

Leberkarzinome werden – wann immer möglich – reseziert. Ist die Behandlung des Tumors nur medikamentös machbar, stellt die Kombination aus Atezolizumab und Bevacizumab nach wie vor das Mittel der Wahl dar. Intensiver auseinandergesetzt hat sich das Leitliniengremium jedoch mit der Rolle von Immuntherapien, wenn alle anderen Behandlungsoptionen erschöpft sind. Grund dafür war u.a., dass die FDA kurz vor Erscheinen der letztjährigen Aktualisierung die Zulassung von Nivolumab für diesen Therapiezweck widerrufen hatte – und der Hersteller den PD1-Hemmer jetzt nicht mehr als Monopräparat für diese Indikation beim HCC anbietet.

In den USA weiterhin genehmigt, so die Expert:innen, seien dagegen Pembrolizumab sowie die Kombination von Ipilimumab und Nivolumab in der Dosierung von 3 mg/kgKG bzw. 1 mg/kgKG alle drei Wochen, gefolgt von einer Nivolumab-Monotherapie. In der CheckMate-040-Studie sprach nahezu ein Drittel der Teilnehmenden auf dieses Schema an und das mediane Gesamt­überleben betrug fast 23 Monate.

Hierzulande ist allerdings keiner dieser Checkpoint-Inhibitoren beim HCC zugelassen. Zudem bewertet das Gremium die Datenlage derzeit noch als „nicht ganz eindeutig“ und spricht daher keine evidenzbasierte Empfehlung aus. Aufgrund der hohen Response-Raten und der Dauer des Ansprechens befürworten die Expert:innen die Immuntherapie aber grundsätzlich – wenn auch nur in Einzelfällen bei ausreichendem ECOG-Status und einer guten ­Leberfunktion.

Für die Behandlung des Gallengangskarzinoms kommt nicht nur der Resektion, sondern auch der adjuvanten Systemtherapie eine große Bedeutung zu. Sie beginnt im Idealfall innerhalb von zwölf Wochen nach der Operation und erfolgt mit Capecitabin. Nach Maßgabe der Empfehlungen sollte man diese Option insbesondere allen Patient:innen mit Lymphknotenmetastasen (N1), positiven Schnitträndern (R1) oder wenig differenzierten Tumoren vom Grad 3 anbieten, da sie das größte Risiko haben, ein Rezidiv zu erleiden. Den Angaben zufolge liegt die Rückfallquote nach radikaler chirurgischer Tumorentfernung für ein perihiläres Cholangiokarzinom bei 40–80 %.

Als Alternative dazu bringen die Autor:innen weiterhin die Teilnahme an der ACTICCA-1-Studie ins Spiel, die immer noch Personen rekrutiert. An ihr seien fast alle Universitätszentren des Landes betei-ligt – mit dem Ziel, die Wirksamkeit einer adjuvanten Chemotherapie mit Gemcitabin plus Cisplatin gegenüber dem aktuellen Standard Capecitabin zu testen. Die Kombination stellt derzeit auch das bevorzugte Mittel für die Erstlinie inoperabler Gallenblasenkarzinome dar.

Bedeutendere Rolle für molekulare Marker

Versagt diese und lässt der Zustand der oder des Erkrankten es zu, soll man eine weitere pharmakologische Behandlung anbieten. Früher lag der Konsens hierbei auf einem (modifizierten) FOLFOX-Regime, da dieses das Überleben gegenüber einer symp­tomorientierten Therapie immerhin um knapp einen Monat auf etwa ein halbes Jahr verlängern kann. Insgesamt ist das aber ein eher überschaubarer Erfolg und auch andere Substanzen brachten Betroffenen nur geringe Überlebensvorteile, weshalb die Expert:innen der Leitlinie schon im vergangenen Jahr den Bedarf an mehr klinischen Untersuchungen zu neuen Optionen anmahnten.

Erhöhtes Risiko für HCC

Aktuellen Daten zufolge liegt das Risiko für primäre Lebertumoren bei Porphyrie-Patient:innen über 50 Jahre 38-mal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Die jährliche Inzidenz beträgt 1,8 %. Unter den Personen mit Morbus Gaucher scheinen vor allem diejenigen besonders gefährdet, die eine Splenektomie hinter sich haben, unter Zirrhose oder Fibrose leiden, dauerhaft zu hohe Eisenwerte aufweisen und/oder zusätzlich eine Infektion mit Hepatitis B oder C haben. Und bei der Tyrosinämie bleibt das HCC-Risiko vermutlich lebenslang erhöht, trotz Neugeborenen-Screening, Therapiemöglichkeit und deutlich besserer Prognose. Daher sollte man dem Konsens der Autor:innen nach auch diese Betroffenen intensiv überwachen.

Parallel dazu kündigte sich damals bereits an, dass molekulargenetische Marker bei biliären Karzinomen zukünftig eine größere Bedeutung bekommen dürften. Im April 2021 hatte Pemigatinib die Zulassung für Tumoren mit Fusion oder Rearrangement des Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptors 2 (FGFR2) erhalten. Derartige Translokationen fänden sich in 13–17 % der intrahepatischen Cholangiokarzinome, fassen die Autor:innen den aktuellen Kenntnisstand zusammen. Mittlerweile hat die FDA mit Infigratinib außerdem einen zweiten Vertreter dieser Wirkstoffklasse zugelassen und weitere Substanzen werden nach Angaben der Expert:innen in verschiedenen Einsatzszenarien untersucht. Daher raten sie nun, spätes­tens nach Versagen der Erstlinientherapie die Patient:innen auf eine FGFR2-Auffälligkeit zu testen, und sprechen eine A3-Empfehlung aus, bei positivem Ergebnis auch Pemigatinib anzubieten. Darüber hinaus halten sie es für sinnvoll und einen wichtigen zusätzlichen diagnostischen Schritt, fitte Personen in einem molekularen Tumorboard vorzustellen und auf weitere genetische Veränderungen zu prüfen.

IDH1-Hemmer in den USA bereits im Einsatz

Als vielversprechende Marker nennen die Leitlinienautor:innen dabei Mikrosatelliteninstabilitäten, NTRK-Fusionsgene, HER2-Amplifikationen, die BRAFV600E-Mutation und Modifikationen im Gen der Isocitrat-Dehydrogenase 1 (IDH1). Für Patientinnen und Patienten mit metastasiertem, vorbehandeltem Cholangiokarzinom und IDH1-Mutation steht zumindest in den USA ein Wirkstoff zur Verfügung. Mit Ivosidenib ließ sich die Erkrankung in einer Phase-3-Studie bei 53 % der Teilnehmenden stabilisieren oder sogar eine Remission erreichen, während dies mit dem Placebo-Vergleichspräparat nur in 28 % der Fälle vorkam.

Trotz der großen Erwartungen in die modernen Entwicklungen schreibt die aktuelle Leitlinie die klassischen Chemotherapien aber noch nicht ab. Als Zweitlinienoption bleibt FOLFOX weiterhin ein Angebot. Als neue Möglichkeit nach erfolgloser erster systemischer Behandlung haben die Autor:innen zudem irinotecanhaltige Regime in ihren Empfehlungen ergänzt. Belege für einen Überlebensvorteil fanden sie in der Literatur sowohl für den Topoisomerase-Hemmer allein als auch in Kombination mit anderen Zytostatika.

Die gesamte Version der Leitlinie mit allen derzeit gültigen Empfehlungen ist online auf der Webseite des Leitlinienprogramms Onkologie abrufbar – entweder als Langversion oder in kürzerer Form. Zudem ist sie in der App des Leitlinienprogramms Onkologie enthalten. Da die beteiligten Autorinnen und Autoren das Werk auch in Zukunft so aktuell wie möglich halten wollen, seien, wie sie selbst schreiben, Kommentare und Hinweise ausdrücklich erwünscht.

Quelle:
S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Hepatozellulären Karzinoms und biliärer Karzinome, AWMF-Register-Nr. 032/053OL, www.awmf.org

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Die dritte Version der Empfehlungen zum Leberzellkarzinom (HCC) und den biliären Tumoren ist verfügbar. Die dritte Version der Empfehlungen zum Leberzellkarzinom (HCC) und den biliären Tumoren ist verfügbar. © Crystal light – stock.adobe.com