Neue Leitlinie der AGIHO: So meistern Sie Fieber unklarer Genese

Ist der Patient sieben Tage am Stück afebril, kann die Antibiotika-Behandlung abgesetzt werden. Ist der Patient sieben Tage am Stück afebril, kann die Antibiotika-Behandlung abgesetzt werden. © iStock/ugurhan

Quasi frisch aus der Druckerpresse kommt die neue Leitlinie „Ungeklärtes Fieber“ der AGIHO*. Kernforderung darin: Nicht aufhören, nach der Ursache zu suchen, wenn man empirisch behandelt!

Konkret geht es in der Leitlinie um Fieber bei neutropenischen Patienten, ohne dass klinische oder mikrobiologische Hinweise eine bestimmte Ursache nahelegen. Die Empfehlungen gelten nicht für Patienten nach allogener Stammzelltransplantation, für die eine eigene Leitlinie in Arbeit ist. Im Konsens mit internationalen Leitlinien wurde festgelegt, dass die Indikation zur empirischen Therapie besteht, wenn 

  • die Neutrophilen unter 500 µl fallen oder ein Abfall unter diese Marge binnen zwei Tagen zu erwarten ist,
  • die Körpertemperatur (oral gemessen) einmalig über 38,3° C oder mehrfach gemessen über 38,0° C steigt und
  • keine nicht-infektiöse Ursache für das Fieber offensichtlich ist, etwa eine Reaktion auf Medikamente oder eine Bluttransfusion.

Trifft dies zu, sollte innerhalb von maximal zwei Stunden eine antibiotische Therapie eingeleitet werden. „Das ist banal, wird aber bei Weitem nicht überall eingehalten“, kritisierte Professor Dr. Georg Maschmeyer, Klinikum Ernst von Bergmann, Potsdam.

Oft vergessen wird auch zu prüfen, ob der Patient antipyretische Pharmaka nimmt, beispielsweise Novaminsulfon zur Schmerzbekämpfung. Vor allem bei neutropenischen Patienten, denen es klinisch schlecht geht, obwohl sie scheinbar kein Fieber haben, ist der Blick in die Medikamentenliste unerlässlich.

Die Suche nach den Erregern ist essenziell

Der Patient muss gründlich körperlich untersucht werden, weil klinische Befunde wichtige Hinweise geben, welche Erreger beteiligt sind. Die Leitlinie enthält dazu eine Tabelle, an der man sich orientieren kann. Die sei zwar schon alt, aber so wichtig, dass sie in jeder onkologischen Klinik hängen sollte. „Wir sollten immer versuchen, aus der empirischen Situation herauszukommen, um so gezielt wie möglich therapieren zu können“, betonte Prof. Maschmeyer.

Die initiale Abnahme von zwei Blutkulturen gehört zum diagnostischen Pflichtprogramm. Weitere Diagnostik ist nur indiziert, wenn ein klinisch dokumentierter Fokus bekannt ist.

Blutkulturen: Wie und wann?

  • Initial zweimal zwei Blutkulturen anlegen, wobei man darauf achten muss, ausreichend Blut in die Kulturflaschen zu füllen.
  • Hat der Patient einen ZVK, möglichst zeitgleich zwei Proben daraus und zwei aus der peripheren Arterie entnehmen.
  • Die Blutabnahme durchführen, wenn die Spiegel der Antibiotika so niedrig wie möglich sind, also am Ende des Dosisintervalls vor der nächsten Gabe.
  • Solange der Patient fiebert, täglich weitere Kulturen angelegen, auch wenn die Evidenz dafür schwach ist.
  • Auf jeden Fall Kulturen machen, wenn eine Therapieentscheidung ansteht.

Trotz aller Bemühungen wird man in der Hälfte der Fälle nicht fündig werden und tatsächlich empirisch behandeln müssen – was aber nicht heißt, dass alle febrilen neutropenischen Patienten das gleiche Breitbandantibiotikum bekommen sollen. „Jemand, der im Rahmen der Neoadjuvanz beim Mammakarzinom für einige Tage neutropenisch wird, muss nicht so behandelt werden wie jemand in einer AML-Aplasie“, so der Onkologe.

Antibiotikabehandlung erfolgt nach Patienten-Risikoklasse

Die Leitlinie unterscheidet u.a. anhand der erwarteten Neutropenie-Dauer zwischen Hoch- und Standardrisikopatienten, der Cut-off liegt bei sieben Tagen. Daneben wird der altbekannte MASCC**-Score empfohlen, in den Faktoren wie Alter, Hypotonie, Dehydratation und COPD-Vorerkrankung eingehen. Neu sind ergänzende Fragen, um Standardrisiko­patienten zu identifizieren, die primär ambulant behandelt werden können. Für die empirische Therapie werden Antibiotika je nach Risiko empfohlen. Für Standardrisikopatienten steht eine ganze Palette, von Amoxi­Clav plus Cipro bis hin zu Dritt- oder Viertgeneration-Cephalo­sporinen und Aminoglykosiden, zur Verfügung. Für Hochrisikopatienten wird die intravenöse Gabe von Pipera­cillin/Tazobactam, Ceftazidin, Cefepim oder Carbapenemen empfohlen. Die Leitlinie enthält einen ausgefeilten Algorithmus zur Antibiotika-Therapie.

Antibiotika-Therapie bei Hochrisikopatienten

Am Anfang steht die Frage nach einer bekannten Kolonisation mit multiresistenten Erregern. Ist das nicht der Fall, sollte die Therapie mit einem pseudomonaswirksamen Betalaktam i.v. starten. Ansonsten hängt die Auswahl vom Keim ab:
  • bei MRSA-Besiedlung Betalaktam plus Teicoplanin oder Vancomycin
  • bei vancomycinresistenten Enterokokken pseudomonasaktives Betalaktam allein, ohne Linezolid: Die einzige Studie dazu ist negativ ausgegangen
  • bei ESBL-bildenden Enterobakterien Imipenem oder Meropenem
Das weitere Vorgehen richtet sich danach, ob respiratorische Symptome vorliegen (Thorax-CT!) und ob es Zeichen für spezielle Infektionen (Zentralvenenkatheter, Weichteile, spezifische Erreger wie Candida) gibt. Für diese Fälle existieren eigene Leitlinien

„Mindestens vier Tage unverändert durchbehandeln!“, ermahnte Prof. Maschmeyer. Während dieser Initialtherapie sollte der Patient täglich gründlich untersucht werden. Für die weitere Therapie gilt:
  • Ist der Patient klinisch stabil und afebril, wird so lange weiterbehandelt, bis er sieben Tage am Stück fieberfrei ist.
  • Klinisch stabile, noch immer fiebernde Patienten werden sofern möglich mit den bisher gegebenen Antibiotika intravenös weiterbehandelt. Spätestens wenn der Patient an Tag 5 nicht fieberfrei ist, sollte ein Thorax-CT erfolgen. Gefahndet werden muss nach abdominellen oder perianalen Foci sowie einer ZVK-assoziierten Infektion. Auch ein Antimykotikum sollte in die Therapie einfließen, um das Fieber zu senken.
  • Instabile, weiterhin fiebernde Patienten brauchen einen Therapiewechsel, begleitet von einer intensiven Suche nach dem Infektionsherd. Erwogen werden soll eine Kombination mit Teicoplanin plus Vancomycin oder Aminoglykosid. Auch hier sollte ein Antimykotikum in die Therapie einfließen.
Zur Wahl des Antimykotikums sagte Prof. Maschmeyer: „Bitte nicht Fluconazol, sondern eines, das gegen Aspergillus wirkt.“ Geeignet sind liposomales Amphotericin B oder Caspofungin. Voriconazol kann eine Alternative sein. Die Evidenz ist gut, aber es ist nicht dafür zugelassen. 

* Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie
** Multinational Association of Supportive Care in Cancer

1. Heinz WJ et al. Ann Hematol. 2017; 96(11): 1775-1792; Zugang über www.agiho.de/leitlinien

DGHO-Jahrestagung 2017

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Ist der Patient sieben Tage am Stück afebril, kann die Antibiotika-Behandlung abgesetzt werden. Ist der Patient sieben Tage am Stück afebril, kann die Antibiotika-Behandlung abgesetzt werden. © iStock/ugurhan