NOAK auch bei schlechter Nierenfunktion?

Dr. Dorothea Ranft

Die Überlegenheit von NOAK gilt auch im Vergleich
zu Phenprocoumon. Die Überlegenheit von NOAK gilt auch im Vergleich zu Phenprocoumon. © freshidea- stock.adobe.com

Patienten mit Vorhofflimmern und begleitender Niereninsuffizienz tragen ein besonders hohes Schlaganfallrisiko. Umso wichtiger ist die effektive Antikoagulation. Aber womit? Leitlinien und Real-World-Daten liefern die Basis für das richtige Vorgehen.

Auf der Grundlage klinischer Untersuchungen sollen Patienten mit Vorhofflimmern (VHF) zur Schlaganfallprophylaxe NOAK erhalten. Auch bei chronischer Niereninsuffizienz ohne Dialysepflicht ist ihnen leitliniengerecht der Vorzug zu geben, erklären Prof. Dr. Uwe Zeymer von der Medizinischen Klinik B am Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein und Kollegen. Vitamin-K-Antagonisten (VKA) hingegen erfordern bei diesen Patienten eine besonders sorgfältige Überwachung oder sind kontraindiziert – werden aber weiterhin oft eingesetzt.

Kreatinin-Clearance muss über 15 ml/min liegen

Zu NOAK bei eingeschränkter Nierenfunktion liegen inzwischen gute Untersuchungen vor, berichten die Experten. Speziell die Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban, Edoxaban und Rivaroxaban dürfen dosisangepasst bei einer Kreatinin-Clearance > 15 ml/min verordnet werden. Für dialysepflichtige Menschen sind weder NOAK noch Vitamin-K-Antagonisten zugelassen.

Ein Cochrane-Review ergab für Patienten mit VHF plus eingeschränkter Nierenleistung, dass NOAK das Risiko für Schlaganfälle und systemische Embolien im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten um 19 % stärker reduzierten und die Gefahr schwerer Blutungen um 21 % senkten. Wie aber spiegelt sich der Vorteil, den die klinischen Studien ermittelt haben, im Versorgungsalltag wider? Antworten können Real-World-Untersuchungen geben. Sie dokumentieren den praktischen Einsatz der Arzneimittel und berücksichtigen dabei auch Effekte auf Patienten mit Begleitmedikationen, schweren Komorbiditäten und eingeschränkter Adhärenz, die in klinischen Studien für gewöhnlich unberücksichtigt bleiben, erläutern die Autoren. Aufgrund der meist hohen Fallzahlen und der langen Beobachtungszeiten werden auch seltene Ereignisse erfasst.

Gut konzipierte Real-World-Studien ergänzen somit den Wirksamkeitsbeweis aus den klinischen Prüfungen durch Aussagen zum klinischen Nutzen. Eine wichtige Grundlage für diese Arbeiten sind Krankenkassendaten. Mit ihrer Hilfe ließ sich zeigen, dass NOAK sowohl bei Patienten mit gesunden Nieren als auch bei Nierenkranken gegenüber VKA das Risiko für eine terminale Insuffizienz bzw. Dialysepflicht deutlich reduzieren. Auch die besonders schlaganfallgefährdeten Patienten mit VHF und begleitendem Diabetes profitierten nachweislich. Ursächlich sind wohl positive Effekte des Vitamins K auf die Blutgefäße.

Die meisten Studien haben als Vertreter der VKA den Wirkstoff Warfarin untersucht, nicht aber das in Deutschland für gewöhnlich verordnete Phenprocoumon, legen Prof. Zeymer und seine Kollegen dar. Umfangreiche Real-World-Analysen auf Basis deutscher Versicherungsdaten bestätigen nun aber, dass die Überlegenheit von NOAK in der Schlaganfallprophylaxe bei VHF ebenso gegenüber Phenprocoumon gilt.

Zum Risiko für terminale Niereninsuffizienz bzw. Dialysepflicht wurden für Rivaroxaban und Apixaban klinisch relevante Vorteile gegenüber Phenprocoumon auch bei Patienten mit Diabetes oder Niereninsuffizienz ermittelt. Diese Ergebnisse bestätigen damit die Empfehlungen der Leitlinien, denen zufolge Personen mit Vorhofflimmern und der Indikation für orale Antikoagulanzien bevorzugt NOAK erhalten sollten, sofern keine Kontraindikation vorliegt.

Die oft beobachtete Verschlechterung der renalen Funktion von Patienten mit vorbestehender Nierenerkrankung scheint unter NOAK geringer auszufallen als unter VKA. Regelmäßige Kontrollen bleiben dennoch unerlässlich, betonen die Autoren. Der altersbedingte Abfall der Nierenleistung kann sich vor allem dann beschleunigen, wenn weitere Risikofaktoren wie Hypertonie und Diabetes hinzukommen.

Im Stadium G4 Verschluss des Vorhofohrs erwägen

Für den praktischen Alltag raten die Kollegen zu einem abgestuften Vorgehen:

  • Patienten im CGA-Stadium G1–G3b der chronischen Nierenerkrankung mit glomerulären Filtrationsraten (GFR) zwischen 30 und ≥ 90 ml/min/1,73 m2 sollten vorzugsweise NOAK erhalten.
  • Im Stadium G4 mit GFR von 15–29 ml/min/1,73 m2 gilt es, Nutzen und Risiko sorgfältig abzuwägen. Fällt die Entscheidung gegen die Gerinnungshemmung, kann man den Verschluss des linken Vorhofohrs erwägen. Startet man eine orale Antikoagulation, ist eher von NOAK ein Vorteil zu erwarten. Bei Gefäßverkalkung, Kalziphylaxie oder glomerulären Hämorrhagien sind Vitamin-K-Antagonisten zu meiden.
  • Im Stadium G5 mit GFR < 15 ml/min/1,73 m2 besteht für die orale Antikoagulation keine Evidenz. Die europäische Arzneimittelagentur (EMA) sieht in diesem Fall keine Indikation für NOAK. Als Alternative eignet sich auch hier der Verschluss des linken Vorhofohrs.

Quelle: Zeymer U et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 617-624;  DOI: 10.1055/a-1792-7094

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Die Überlegenheit von NOAK gilt auch im Vergleich
zu Phenprocoumon. Die Überlegenheit von NOAK gilt auch im Vergleich zu Phenprocoumon. © freshidea- stock.adobe.com