Pectus excavatum: Körperliches Training und Saugglockentherapie statt OP?

Dr. Dorothea Ranft

Je nach Ausprägung gibt es bei der Trichterbrust verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Je nach Ausprägung gibt es bei der Trichterbrust verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. © Reineke S et al. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 431-433 © Deutscher Ärzteverlag, Köln

Patienten mit Trichterbrust werden heute nur noch in Einzelfällen offen operiert. Stattdessen setzt man bei leichter Ausprägung auf körperliches Training und eine Saugglockentherapie. Schwerer betroffene Patienten werden minimalinvasiv versorgt.

Die Trichterbrust ist die häufigste angeborene Deformität des Thorax. Mit einem Geschlechterverhältnis von 4–5:1 leiden vor allem Jungen daran. Warum es zu dieser Fusionsstörung zwischen Rippen und Sternum kommt, ist noch nicht genau bekannt, schreiben Dr. Sebastian­ Reineke­ von der Klinik für Kinderchirurgie am Klinikum Kassel und Kollegen. Allerdings besteht eine Assoziation zu Bindegewebserkrankungen, z.B. dem Marfan-Syndrom.

Bei Kleinkindern macht sich der Pectus excavatum mit paradoxen Atembewegungen und thorakalen Einziehungen bemerkbar. Mit zunehmendem Alter, besonders in der Pubertät, kommt es bei ausgeprägten Formen zu einem Circulus vitiosus: Die Betroffenen sind weniger belastbar, leiden beim Sport an Thoraxschmerzen, teils auch an Atemnot, und empfinden ihre verformte Brust als Makel. Deshalb meiden sie jegliche sportliche Betätigung, was wiederum die Brust- und Rückenmuskulatur schwächt und die Trichterbrust verstärkt.

Kardiale und pulmonale Diagnostik erforderlich

Wenn das Herz zu wenig Platz hat, kann es zu Rhythmusstörungen kommen. Zur Abklärung gehört deshalb eine kardiale und pulmonale Diagnostik inklusive EKG, Echokardiographie, Lungenfunktionstest und thorakaler Schnittbildgebung – bevorzugt mittels MRT. Diese ermöglicht dynamische Untersuchungen während des Atemzyklus.

Die Ausprägung der Thoraxdeformität wird anhand des Haller-Index abgeschätzt, dem Quotienten aus innerem horizontalem und anterior-posteriorem Thoraxdurchmesser (s. Abb.). Positiv ist dieser Index bei einem Wert von ≥ 3,25–3,5. Außerdem wird der Winkel zwischen dem Sternum und der Horizontalen gemessen.

Patienten mit leichter bis mittelschwerer Trichterbildung ohne kardiale oder pulmonale Einschränkung und mit allenfalls geringer psychosozialer Belastung werden heute konservativ behandelt. An erster Stelle steht die Stärkung der Brust- und Rückenmuskeln durch intensiven Sport. Zunehmend genutzt wird auch die Saugglockentherapie (s. Abb.). Dabei setzt sich der Patient für einige Minuten bis Stunden eine Glocke auf den Thorax und erzeugt mit einer Handpumpe einen moderaten Unterdruck, durch den Brustbein und Rippen angehoben werden.

Die Behandlung sollte möglichst vor dem zehnten Lebensjahr beginnen. Aber auch nach Abschluss des Wachstums lassen sich vielversprechende Ergebnisse erzielen, wie in Studien mit zehnjährigem Follow-up gezeigt. Kontraindiziert ist die Saugglockentherapie bei muskulo­skelettalen und Gefäßerkrankungen, Hämophilie, Thrombopathien und kardialen Störungen.

Als Alternative kommt das MIRPE-­Verfahren (minimally invasive repair of pectus excavatum) in Betracht. Dabei werden je nach Trichterform und -größe sowie Lokalisation des tiefsten Punkts ein oder mehrere Stahlbügel thorakoskopisch kontrolliert unter dem Sternum eingebracht, das Brustbein aufgerichtet und stabilisiert. Nach etwa zwei Jahren können die Bügel entfernt werden. Dieser Eingriff ist sinnvoll, wenn der Patient mindestens zwei der folgenden sechs Kriterien erfüllt:

  • symptomatische und/oder progrediente Trichterbildung
  • moderate bis schwere Deformität (symmetrisch oder asymmetrisch)
  • positiver Haller-Index und/oder Kompression bzw. Verlagerung von Herz oder Lunge
  • obstruktives oder restriktives Flussmuster im Lungenfunktionstest
  • Herzrhythmusstörungen oder Mitralklappenprolaps
  • psychosoziale Beeinträchtigung

Eine intensive Physiotherapie mit Muskeltraining und Atemgymnastik bereitet den Patienten auf das minimalinvasive Verfahren vor. Laut den Autoren ist dies vor allem wichtig, um die postoperativ notwendige hohe Adhärenz zu gewährleisten­.

Um die Patienten nach dem Eingriff möglichst schnell zu mobilisieren, ist eine konsequente Schmerztherapie indiziert, die maßgeblich auf einem thorakal eingelegten Epiduralkatheter fußt. In den ersten Wochen nach der Operation herrscht zudem ein Sport- und Hebeverbot, Kontaktdisziplinen sollten am besten mindestens drei Monate lang vermieden werden­.

Therapiezufriedenheit liegt bei rund 95 %

Zu den häufigsten post­operativen Komplikationen des MIRPE-Verfahrens zählen Pneumothorax (bis zu 27 %), Pleuraerguss (2–11 %), Fieber (ca. 5 %), Wundinfektion (rund 2 %)und Dislokation des Bügels (bis zu 6 %). Etwa 95 % der Patienten sind mit der Therapie zufrieden, durch die sich nicht nur Trichterform und Thoraxbewegung verbessern, sondern auch eine normale pulmonale sowie kardiale Funktion möglich wird.

Quelle Text und Abb.: Reineke S et al. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 431-433 © Deutscher Ärzteverlag, Köln

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Je nach Ausprägung gibt es bei der Trichterbrust verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. Je nach Ausprägung gibt es bei der Trichterbrust verschiedene Behandlungsmöglichkeiten. © Reineke S et al. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 431-433 © Deutscher Ärzteverlag, Köln
Trichterbrust im MRT: Eingezeichnet sind die Hilfslinien zur Berechnung des Haller-Index und des Sternum-Winkels (α). Der Haller-Index berechnet sich als HI=H/ap, in diesem Beispiel liegt er bei 4,3. Trichterbrust im MRT: Eingezeichnet sind die Hilfslinien zur Berechnung des Haller-Index und des Sternum-Winkels (α). Der Haller-Index berechnet sich als HI=H/ap, in diesem Beispiel liegt er bei 4,3. © Reineke S et al. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 431-433 © Deutscher Ärzteverlag, Köln
Die Saugglockentherapie hat an Bedeutung gewonnen. Der Patient setzt sich die Glocke für einige Minuten bis Stunden auf den Thorax und erzeugt mit einer Handpumpe einen leichten Unterdruck. Die Saugglockentherapie hat an Bedeutung gewonnen. Der Patient setzt sich die Glocke für einige Minuten bis Stunden auf den Thorax und erzeugt mit einer Handpumpe einen leichten Unterdruck. © Reineke S et al. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 431-433 © Deutscher Ärzteverlag, Köln; Peter Illing
Röntgenthoraxaufnahme vor der Entfernung eines Nussbügels. Links­thorakal sieht man die Stabilisatorplatte und eine Drahtcerclage zur Fixierung des Bügels. Röntgenthoraxaufnahme vor der Entfernung eines Nussbügels. Links­thorakal sieht man die Stabilisatorplatte und eine Drahtcerclage zur Fixierung des Bügels. © Reineke S et al. Hessisches Ärzteblatt 2020; 81: 431-433 © Deutscher Ärzteverlag, Köln