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Plötzliche Bewusstlosigkeit exakt abklären
Am Beispiel eines 38-jährigen Patienten machte Privatdozent Dr. Carsten W. Israel, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Kardiologie und Angiologie im Ev. Krankenhaus Bielefeld, deutlich, welche langfristigen Konsequenzen eine Fehldiagnose haben kann.
Der Mann litt seit seinem 16. Lebensjahr unter unklaren Bewusstseinsverlusten mit tonisch-klonischen Zuckungen, die rezidivierend alle drei bis vier Monate auftraten. Als Ursache vermutete man eine Epilepsie und der Patient wurde auf ein Antikonvulsivum eingestellt. Mehr als 20 Jahre lang nahm er das Medikament daraufhin ein, ohne dass sich die Beschwerden wirklich besserten.
Zum Beweis braucht man ein EKG im Anfall
Eine kardiologische Re-Evaluation ergab dann, dass die Anfälle ohne Bezug zu körperlicher Belastung, bestimmten Körperpositionen oder Schlafentzug auftraten. Das EKG war normal. Im Langzeit-EKG wurde ein nächtlicher AV-Block II Typ Wenckebach entdeckt, was für einen Mann in diesem Alter aber nicht bedenklich ist.
Erst durch Implantation eines Loop-Recorders mit Fernabfrage konnte das Rätsel gelöst werden. Schon nach zwei Wochen zeigte der Recorder parallel zu einer Synkope einen vollständigen AV-Block über 8,4 Sekunden.
Antiepileptika ohne Erfolg? Diagnose prüfen
Wenn ein Patient über Jahre nicht auf Antiepileptika anspricht, sollte eigentlich schon früher darüber nachgedacht werden, ob die Diagnose stimmt, kommentierte Dr. Israel. Bei jungen, offenbar kardial gesunden Patienten ist man immer versucht, gleich an Epilepsie zu denken, wenn Konvulsionen, Zungenbiss oder Einnässen auftreten. Diese Beschwerden sind jedoch sehr unspezifisch und helfen differenzialdia-gnostisch nicht weiter.
Aber die Anamnese bietet oft sehr wichtige Anhaltspunkte: Bei Synkopen im Liegen ist eine Arrhythmie praktisch ausgeschlossen. Synkopen unter Belastung, vor allem beim Schwimmen, sind eher arrhythmogen – durch Katecholaminausschüttung – bedingt. Dies gilt auch, wenn Emotionen oder plötzliche Geräusche als Trigger wirken – typisch z.B. beim Long-QT-Syndrom, an das vor allem bei jungen Menschen immer gedacht werden sollte.
In diesem Zusammenhang ist auch die Familienanamnese aufschlussreich. Leiden andere Familienmitglieder an rezidivierenden Synkopen? Hat es Fälle von plötzlichem Herztod im Alter unter 30 Jahren gegeben? Auch bei Ertrinken, Unfällen beim Autofahren ohne Beteiligung anderer und plötzlichem Kindstod kann das Herz die Ursache gewesen sein.
Mit dem Loop-Recorder zur richtigen Diagnose
Bei der Epilepsie können Konvulsionen auch vor dem Bewusstseinsverlust auftreten, eventuell nach einer Aura. Bei der kardialen Synkope steht der Bewusstseinsverlust immer am Anfang, erst später kommt es eventuell zu Krämpfen und assoziierten Symptomen. Einen postiktalen Dämmerzustand gibt es nur bei der Epilepsie. Aber Achtung: Wenn ein Patient mit einer Synkope stürzt, kann er sich auch eine Gehirnerschütterung zuziehen und dann ein ähnliches Bild bieten!
Entscheidend, um ein kardiogenes Geschehen ausschließen zu können, ist ein EKG im Anfall. Dieses lässt sich nur mit einer Langzeitregistrierung, am besten mit einem Loop-Recorder, erhalten. Die REVISE*-Studie1 hat 103 Patienten mit Epilepsie eingeschlossen, bei denen Zweifel an dieser Diagnose aufgekommen waren. Sie erhielten einen Loop-Recorder implantiert.
Bei 21 % dieser Patienten entdeckte man schwere Bradyarrhythmien oder Asystolien mit konvulsiver Symptomatik. Die Kloni hatte auch der Loop-Recorder als rhythmische muskuläre Artefakte aufgezeichnet. Nach Versorgung mit einem Schrittmacher und Absetzen der Antiepileptika blieben 60 % dieser Patienten asymptomatisch.
Stürze ohne Bewusstseinverlust oft bei älteren Menschen
Auch ein Schlaganfall kann zu einer Synkope führen, wenn er den Hirnstamm betrifft oder eine Basilaristhrombose vorliegt. Dann kommen jedoch andere neurologische Symptome wie Dysarthrie, Doppelbilder oder Schluckstörungen hinzu. Und die Bewusstlosigkeit dauert länger an. Eine kurz dauernde Bewusstlosigkeit ist nicht typisch für einen Insult.
Plötzliche Stürze ohne Bewusstseinsverlust erleiden nicht selten ältere Menschen, wenn sie sich nicht mehr halten können und einfach hinfallen; ein häufiges Problem ist dies bei Parkinson-Patienten.
Quelle:
80. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie
1. Sanjiv Petkar; Europace 2012; 14: 1653-1660
* Reveal in the Investigation of Syncope and Epilepsy
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