Licht im synkopalen Dunkel

Dr. Alexandra Bischoff

Bei jedem Patienten ein Routinelabor zu veranlassen, um die Synkope abzuklären, macht keinen Sinn. Bei jedem Patienten ein Routinelabor zu veranlassen, um die Synkope abzuklären, macht keinen Sinn. © Fotolia/M.Dörr & M.Frommherz

War es ein eher harmloses Ereignis oder doch Ausdruck einer schwerwiegenden Erkrankung? Diese Frage muss bei Patienten, die eine Synkope erleiden, zuverlässig beantwortet werden. Eine neue Leitlinie gibt Tipps, wie man anamnestisch und klinisch zur sicheren Diagnose kommt.

Will man der Ursache des plötzlichen Bewusstseinsverlustes mit Sturz und prompter Erholung auf die Spur kommen, sollte man zunächst die richtigen Fragen stellen – und zwar nicht nur dem Patienten selbst, sondern möglichst auch den Angehörigen bzw. Zeugen des Vorfalls. Nach den Empfehlungen von Experten der ACC, AHA und HRS* sind u.a. folgende Aspekte relevant:

  • In welcher Situation ist das Ereignis aufgetreten?
  • Gab es Prodromi und wenn ja, wie lange dauerten sie?
  • Welche Symptome lagen nach dem kurzen Bewusstseinsverlust vor?
  • Steht die Synkope in zeitlichem Zusammenhang mit einer Mahlzeit oder einer sportlichen Aktivität?
  • Hat der Patient Grunderkrankungen? Gerade bei über 60-Jährigen hängen Synkopen gehäuft mit kardialen Vorerkrankungen zusammen.
  • Welche Medikamente werden eingenommen?
  • Sind in der Familie Synkopen oder plötzliche Todesfälle (auch durch Ertrinken) bekannt? Abhängig von den Antworten wird der Verdacht eher auf eine kardiale oder nicht-kardiale Synkope gelenkt (s. Tabelle).

Bei der klinischen Untersuchung steht in vielen Fällen zunächst die Suche nach einer orthostatischen Hypotension (OH) an. Dazu misst man Blutdruck und Herzfrequenz im Liegen, Sitzen, direkt nach dem Aufstehen und nach dreiminütigem Stehen. Von einer OH ist dann auszugehen, wenn in der aufrechten Körperposition der systolische Blutdruck um mindestens 20 mmg Hg und der diastolische um mindestens 10 mmHg absinkt. Dies geschieht in der Regel innerhalb der drei Minuten. Der Abfall kann aber auch mehr Zeit beanspruchen und erfolgt dann zumeist kontinuierlich bis zur kritischen Schwelle.

Routinelabor für jedermann sinnlos

Bei der Auskultation wird man selbstverständlich auf Herzrhythmus und Herztöne bzw. -geräusche achten, die auf eine strukturelle kardiale Erkrankung hindeuten können. Auch ein 12-Kanal-EKG gehört zur Basisdiagnostik. Gleiches gilt für die orientierende neurologische Untersuchung, die bei auffälligem Befund ggf. das fachärztliche Konsil erfordert.

Führen Anamnese plus initiale Untersuchung zu einer eindeutigen Diagnose, empfehlen die US-Experten keine weiteren Tests, denn diese sind oft kostenintensiv und ineffektiv. Ist dagegen das Krankheitsbild weiter unklar, können weitere Maßnahmen veranlasst werden, wobei anhand des individuellen Risikos entschieden werden muss, ob sie weiter ambulant oder doch besser stationär erfolgen sollten (s. Kas­ten).

Bei jedem Patienten ein Routinelabor zu veranlassen, um die Synkope abzuklären, macht keinen Sinn. Nur bei wenigen Spezialfragen können Laborwerte weiterhelfen, z.B. wenn sich aufgrund von Anamnese oder klinischer Untersuchung der Verdacht auf eine gastrointestinale Blutung und eine potenziell resultierende Anämie ergeben hat oder wenn eine kardiale Ursache vermutet wird (brain natriuretic peptide, hochsensitives Troponin).

Per Anamnese zum klinischen Verdacht
Kardiale Synkope wahrscheinlichNicht-kardiale Synkope wahrscheinlich
Alter über 60 Jahrejunges Alter
angeborene oder erworbene Herzkrankheit keine kardialen Vorerkrankungen
selten Prodromi und wenn, nur kurz (Palpitation)Prodromi (Schwindel, Erbrechen, Hitzegefühl)
Synkope unter Belastung oder in Rückenlage Synkope nur beim Stehen oder beim Wechsel vom Sitzen oder Liegen in den Stand
nur ein bis zwei Synkopen im Jahrhäufig wiederkehrend
positive Familienanamnese für angeborene Herzkrankheit oder plötzlichem Herztod in jungen Jahren (< 50)spezifische Trigger (Dehydratation, Schmerz, psychischer Stress)
pathologischer kardialer Befund situative Trigger (Husten, Lachen, Schlucken, Miktion, Defäkation)
männliches Geschlecht

Stresstest nur unter größter Vorsicht

Um den Verdacht auf eine vasovagale Synkope zu sichern, wird häufig die Kipp-Tisch-Untersuchung eingesetzt. Allerdings ist deren Aussagekraft eingeschränkt, Sensitivität, Spezifität und Reproduzierbarkeit der Testergebnisse sind eher mittelprächtig, heißt es in der Leitlinie. Nützlich kann der Kipp-Tisch-Test sein, wenn eine verzögerte orthostatische Hypotonie trotz negativem Stehversuch vermutet wird, um eine konvulsive Synkope von einem epileptischen Anfall zu unterscheiden und um eine psychogene Synkope zu erfassen.   Wird bei dem Synkopen-Patienten eine kardiale Ursache vermutet, kommen als zusätzliche Untersuchungsmethoden transthorakale Echokardiographie, CT bzw. MRT in Betracht. Der Stresstests eignet sich, wenn Synkopen oder Päsynkopen nach körperlicher Belastung vorliegen. Er darf jedoch nur unter größter Vorsicht und unter Notfallbereitschaft durchgeführt werden. Bei Arrhythmieverdacht bietet sich das kardiale Monitoring z.B. via Holter-Monitor oder externem Loop-Recorder an. In der Klinik können ein kontinuierliches EKG-Monitoring während des gesamten stationären Aufenthalts und ggf. eine elektrophysiologische Untersuchung des Herzens sinnvoll sein.

Ambulant oder stationär?

Bei einigen Synkopen-Patienten sollte die (weitere) Abklärung besser stationär erfolgen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn eine der folgenden Konditionen vorliegt:
  • Herzrhythmusstörung, u.a. anhaltende oder symptomatische ventrikukäre Tachykardie, AV-Block 2. oder 3. Grades, symptomatische supraventrikuläre Tachykardie n
  • Fehlfunktion von Schrittmacher oder ICD
  • angeborene Herzerkrankung, die zu Arrhythmien prädisponiert 
  • kardiale Ischämie 
  • (mittel-)schwere linksventrikuläre Dysfunktion 
  • akute Herzinsuffizienz 
  • hypertrophe Kardiomyopathie 
  • Herztamponade
  • Aortendissektion
  • schwere Aortenstenose 
  • Lungenembolie 
  • schwere Anämie/gastrointestinale Blutung
  • schwere Verletzung infolge der Synkope n anhaltend gestörte Vitalzeichen

*American College of Cardiology, American Heart Association, Heart Rhythm Society

Quelle: Shen WK et al. 2017 ACC/AHA/HRS Guidelines for the Evaluation and Management of Patients with Syncope. J Am Coll Cardiol 2017; online first

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Bei jedem Patienten ein Routinelabor zu veranlassen, um die Synkope abzuklären, macht keinen Sinn. Bei jedem Patienten ein Routinelabor zu veranlassen, um die Synkope abzuklären, macht keinen Sinn. © Fotolia/M.Dörr & M.Frommherz