Polymedizierte Patienten regelmäßig auf Hyperkaliämie testen

Dr. Alexandra Bischoff

Typisches Anzeichen für eine Hyperkaliämie: erhöhte T-Wellen im EKG. Typisches Anzeichen für eine Hyperkaliämie: erhöhte T-Wellen im EKG. © wikimedia/Dr. Michael-Joseph F. Agbayani and Dr. Eddieson Gonzales (Manila, Philippines)

Rund die Hälfte der chronisch Nierenkranken entwickelt eine Hyperkaliämie, die zu Arrhythmien und schlimmstenfalls zu einer Asystolie führen kann. Beim Blick auf die Medikamentenliste stellt sich dann meist die Frage: Wichtiges Medikament ab- oder zusätzlich ansetzen?

Hyperkaliämie ist eine der häufigsten Elektrolytstörungen im Praxisalltag. Sie wird begünstigt durch eine Koinzidenz von chronischer Niereninsuffizienz, Herzinsuffizienz und Diabetes mellitus sowie durch eine Reihe von Medikamenten (s. Kasten). Allerdings kann auch ein zu langer venöser Stau bei der Blutentnahme (schwierige Venenverhältnisse) zu einem falsch positiven Ergebnis führen. Deshalb ist bei einer unerwarteten Hyperkaliämie eine Kontrollentnahme ratsam.

Medikamente mit potenziell kaliumerhöhender Wirkung

  • Betablocker
  • Digitalisintoxikation
  • i.v. Gabe von kationischen Aminosäuren (z.B. in parenteraler Ernährungslösung)
  • Mannitol
  • Suxamethonium
  • ACE-Hemmer
  • AT1-Antagonisten
  • Renininhibitoren
  • NSAR und COX-2-Inhibitoren
  • Calcineurininhibitoren (CAVE: Nieren- und Herztransplantation)
  • Heparin
  • Aldosteronantagonisten
  • kaliumsparende Diuretika
  • Trimethoprim, Pentamidin
  • Kochsalzersatz
  • Penicillin G
  • Blutkonserven

Testen Sie Patienten, die viele Medikamente einnehmen

Meist sind die Patienten mit Hyperkaliämie beschwerdefrei, schreibt die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ). Nur gelegentlich treten unspezifische Symptome wie Übelkeit, Diarrhö, Muskelschwäche oder Palpitationen auf. Insbesondere bei polymedizierten Patienten ist es wichtig, die Elektrolyte regelmäßig zu kontrollieren. Im Fall einer Hyperkaliämie kann man dann abwägen, ob ein wichtiges Medikament abgesetzt oder die Arzneimittelnebenwirkung mit einem weiteren Medikament behandelt werden sollte.

Akute Hyperkaliämie

Sowohl das Serumkalium als auch die EKG-Veränderungen können bei akuter Hyperkaliämie erheblich variieren. Eine wichtige Rolle spielen dabei Begleiterkrankungen und die Geschwindigkeit des Auftretens. EKG-Veränderungen können schon bei einer geringen Hyperkaliämie auftreten und sogar bei einer schweren Erhöhung ausbleiben. Typisch für ein Hyperkaliämie-EKG sind:
  • zeltförmig erhöhte T-Welle
  • reduzierte Höhe der P-Welle
  • verlängertes P-R-Intervall
  • QRS-Verbreiterung
  • „Sinusmuster“ bei sehr schweren Fällen
Zeigen sich Anzeichen für eine Hyperkaliämie im EKG, handelt es sich immer um einen Notfall, der die sofortige stationäre Einweisung des Patienten erfordert. Bei starken EKG-Veränderungen kann unter Monitorüberwachung zur Stabilisierung des kardialen Membranpotenzials Calciumgluconat i.v. verabreicht werden. Es senkt allerdings nicht den Kaliumspiegel. Glukose, Insulin und vernebeltes Salbutamol bewirken einen Kaliumeinstrom in die Zelle. Die Kombination beider Therapien ist effektiver als die Monotherapie und senkt den Kaliumspiegel durchschnittlich um 1,21 mmol/l. Anschließend sollte die renale Kaliumausscheidung mittels nicht Kalium sparender Diuretika (z.B. Thiazide) forciert werden, um das Serumkalium dauerhaft zu senken. Bei einer GFR < 30 ml/min/1,73m2 sind allerdings Schleifendiuretika die bessere Wahl. Exsikkierte Patienten benötigen zusätzlich eine Volumengabe (z.B. 0,9 % NaCl). Im Fall einer vitalen Gefährdung (Anurie, schwere Niereninsuffizienz) ist eine notfallmäßige Hämodialyse indiziert.

Chronische Hyperkaliämie

Chronische Hyperkaliämien können bei der Einnahme eines oder mehrerer Medikamente mit potenziell Kalium erhöhender Wirkung auftreten. Die Therapie zielt darauf ab, stationäre Aufnahmen und lebensbedrohliche Komplikationen (z.B. Arrhythmien, Asystolien) sowie Rezidive von akuten Formen zu vermeiden. Zunächst sollte mit dem Patienten ausführlich über die Umstellung auf eine kaliumarme Ernährung (< 40 mmol/l) gesprochen werden. Meist erhöht es die Compliance deutlich, wenn der Betroffene zugleich über mögliche lebensbedrohliche Risiken einer Hyperkaliämie aufgeklärt wird. Nutzen oraler Kaliumbinder nicht zweifelsfrei erwiesen Anschließend sollte die aktuelle Medikation geprüft und der potenzielle Nutzen einer Therapie gegen die Gefahr einer möglichen Nebenwirkung gründlich abgewogen werden. Das gilt insbesondere bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz oder Herzinsuffizienz. Bei einer GFR < 30 ml/min/1,73 m2 erfordert das Neuansetzen eines AT1-Antagonisten, ACE-Hemmers oder Aldosteronantagonisten anfangs wöchentliche Kaliumkontrollen. Sehr häufig werden orale Kaliumbinder wie Polystyrolsulfonate (CPS Pulver) verabreicht, deren Kalium senkende Wirkung erst nach 1–5 Tagen eintritt. Allerdings ist die Wirksamkeit laut AkdÄ nicht zweifelsfrei erwiesen und in seltenen Fällen kann es zu potenziell letalen Darmnekrosen kommen. Neu auf dem Markt ist der orale Kaliumbinder Patiromer, der bereits nach sieben Stunden wirkt und ein Maximum nach 48 Stunden erreicht. Einen schnellen Wirkeintritt bei einer geringen Nebenwirkungsrate zeigt das Natrium-Zirkonium-Zyklosilikat (ZS-9). Es ist in der EU inzwischen zur Behandlung erwachsener Patienten mit Hyperkaliämie zugelassen.

Quelle: AkdÄ Arzneiverordnung in der Praxis 2019; 46: 59-64

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Typisches Anzeichen für eine Hyperkaliämie: erhöhte T-Wellen im EKG. Typisches Anzeichen für eine Hyperkaliämie: erhöhte T-Wellen im EKG. © wikimedia/Dr. Michael-Joseph F. Agbayani and Dr. Eddieson Gonzales (Manila, Philippines)