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Prof. Nina Ditsch, Universitätsklinikum Augsburg, über den SABCS 2023

Was waren für Sie besonders wichtige Daten, die auf dem letzten SABCS vorgestellt wurden?
Prof. Dr. Nina Ditsch: Ich habe mich sehr über die Langzeitdaten der KATHERINE-Studie gefreut. Nach einem medianen Follow-up von nun 8,4 Jahren bestätigt die Studie beim frühen HER2+ Mammakarzinom die vorherigen Ergebnisse, dass Patient:innen, die nach neoadjuvanter Systemtherapie (NAST) keine pathologisch bestätigte Komplettremission (pCR) erzielt haben, statistisch signifikant länger überleben, wenn sie postneoadjuvant mit T-DM1 statt mit Trastuzumab weiterbehandelt werden. Das sind wichtige Daten, weil sie den Vorteil von T-DM1 im postneoadjuvanten Einsatz nun auch im Langzeit-Follow-up beweisen und damit als Standard für die non-pCR-Patient:innen bestätigen.
Personen mit Tumorrest nach NAST gelten als prognostisch ungünstig. Sind die Ergebnisse deshalb besonders wichtig?
Prof. Ditsch: Ja, denn diese Patient:innen haben bereits eine Therapie erhalten, auf die sie nicht optimal angesprochen haben. T-DM1 hat das Gesamtüberleben signifikant verbessert. Die Studiendaten festigen zudem den Stellenwert der ADC beim frühen HER2+ Mammakarzinom. Derzeit laufen einige klinische Studien zum neoadjuvanten Einsatz der ADC. In der Zukunft wird uns daher das Thema beschäftigen, was wir postneoadjuvant machen, wenn wir bereits neoadjuvant ein ADC einsetzen und keine pCR erzielt haben.
Positive Studiendaten gab es beim frühen ER+/HER2- Mammakarzinom mit hohem Rezidivrisiko in der KEYNOTE-756-Studie zum neoadjuvanten Einsatz von Pembrolizumab. Welche Perspektive hat Pembrolizumab beim frühen ER+ Mammakarzinom?
Prof. Ditsch: Das sind noch sehr frühe Daten, die sich auf den primären Studienendpunkt pCR beziehen. Daten zum zweiten primären Endpunkt, dem ereignisfreien Überleben, liegen noch nicht vor. Die pCR-Daten zeigen einen signifikanten Vorteil für die Hinzunahme von Pembrolizumab zur taxan-/anthrazyklinhaltigen Chemotherapie. Vor allem die Subgruppen mit axillärem Lymphknotenbefall, höherem PD-L1+ CPS-Wert und mit niedriger ER-Expression (ERlow: < 10 %) haben davon profitiert. Die Studiendaten werden zukünftig hoffentlich eine therapeutische Lücke bei diesen Personen schließen können.
Im klinischen Alltag ist die Gruppe der ERlow Patient:innen therapeutisch eine Herausforderung – denn: Tumorbiologisch und hinsichtlich der therapeutischen Wirksamkeit ist das ERlow Karzinom eher als triplenegatives Mammakarzinom zu betrachten. Die Zulassung von Pembrolizumab umfasst derzeit nicht das ERlow Mammakarzinom. Ich sehe für Pembrolizumab mit diesen Daten durchaus eine neue therapeutische Möglichkeit beim frühen ERlow Mammakarzinom und würde mich freuen, die Substanz zukünftig dort einsetzen zu können. Natürlich müssen wir dazu noch die EFS-Daten abwarten.
Wie relevant sind die Daten der randomisierten SENOMAC-Studie für den klinischen Alltag in Deutschland? In dieser Nicht-Unterlegenheitsstudie hatten Patient:innen mit max. zwei makrometastatisch befallenen Sentinel-Lymphknoten keinen Vorteil von einer komplettierenden Axilladissektion gegenüber jenen, die eine solche erhalten hatten.
Prof. Ditsch: Das sind relevante Daten für den klinischen Alltag. Bislang hatten wir nur für brusterhaltend operierte Patient:innen in der Adjuvanz eine gute Datenlage. In die SENOMAC-Studie wurden neoadjuvant und adjuvant Therapierte eingeschlossen, gut ein Drittel mastektomierte Patient:innen sowie solche mit extranodulärer Ausbreitung. Auch für diese Subgruppen zeigte sich beim rezidivfreien Überleben keine Unterlegenheit, wenn auf eine ALND verzichtet wurde. Noch liegen keine Daten zum Gesamtüberleben vor und die Studie ließ Fragen offen zum strahlentherapeutischen Konzept, weshalb ich bei mastektomierten Patient:innen oder bei extranodulärer Ausbreitung noch nicht routinemäßig auf eine ALND verzichten würde. Im Einzelfall gibt die Studie aber bereits jetzt eine Rechtfertigung zur Umsetzung, insbesondere dann, wenn Patient:innen keine erweiterte Operation in der Axilla wünschen.
Viel diskutiert wurden die Ergebnisse der NSABP-B-51-Studie, wonach bei Patient:innen mit Lymphknotenbefall (cN+) bei Erstdiagnose auf eine lokoregionäre Strahlentherapie verzichtet werden kann, wenn sie nach NAST in der Axilla pathologisch tumorfrei (ypN0) sind. Sind die Ergebnisse auf Deutschland übertragbar?
Prof. Ditsch: Erstmals gibt es Daten, die demonstrieren, dass die Thoraxwandbestrahlung inklusive regionaler Lymphknoten nach Mastektomie bzw. bei brusterhaltendem Vorgehen die Radiatio der Brust inklusive regionaler Lymphabflusswege nicht mit einer Verbesserung der Rezidivraten, des krankheitsfreien und Gesamtüberlebens nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 60 Monaten bei Konvertierung von cN+ zu ypN0 einhergeht.
Einschränkend gilt damit, dass der primäre Endpunkt der Studie nicht erreicht wurde. Die für den primären Endpunkt geplanten Events wurden nicht erzielt, was die statistische Aussagekraft einschränkt. Aber die Studie belegt, dass es Patient:innen gibt, bei denen wir auf eine adjuvante Bestrahlung regionaler Lymphknoten bei optimalem axillärem Ansprechen verzichten könnten. Es ist daher eine innovative Studie, die das zukünftige Vorgehen in der Axilla mitbestimmen wird – immer in Abhängigkeit vom vorangegangenen systemtherapeutischen Konzept und auch von der Entwicklung neuer operativer Ansätze. Ziel ist es einerseits, die Therapie zu deeskalieren, ohne dies andererseits mit einer Eskalation weiterer therapeutischer Maßnahmen ausgleichen zu müssen.
Beim fortgeschrittenen HR+/HER2- Mammakarzinom übersetzte sich in der MONARCH3-Studie der statistisch signifikante PFS-Vorteil unter der First-Line-Behandlung mit Abemaciclib/Aromatasehemmer nicht in einen statistisch signifikanten Gesamtüberlebensvorteil – dies, obwohl der numerische OS-Benefit mit mehr als 13 Monaten deutlich war. Was bedeutet das für den klinischen Alltag?
Prof. Ditsch: Formal ist MONARCH3 eine positive Studie, weil der primäre Studienendpunkt – ein statistisch signifikanter PFS-Vorteil – erreicht wurde. Allgemein wird die Statistik auf den primären Studienendpunkt ausgerichtet und nicht auf sekundäre Endpunkte, was eine Erklärungsmöglichkeit für die nicht erreichte Signifikanz sein könnte. Das Gesamtüberleben war ein sekundärer Studienendpunkt. Numerisch ist der Gesamtüberlebensvorteil mit gut 13 Monaten beachtlich und ähnelt dem anderer CDK4/6-Inhibitoren. Für den klinischen Alltag hat sich durch die fehlende statistische Signifikanz beim Gesamtüberleben nichts an der Empfehlung geändert. Sie spricht weiterhin für den First-Line-Einsatz von Abemaciclib plus nicht-steroidalem Aromatasehemmer.
Welche Perspektive sehen Sie für den PI3K-Inhibitor Inavolisib beim HR+/HER2- fortgeschrittenen bzw. metastasierten Mammakarzinom mit PIK3CA-Mutation? Hier wurden erste vielversprechende First-Line-Daten der INAVO120-Studie präsentiert.
Prof. Ditsch: Inavolisib wurde in dieser Phase-3-Studie first line mit Palbociclib/Fulvestrant kombiniert und mit Palbociclib/Fulvestrant plus Placebo verglichen. Voraussetzung für den Einschluss war das Vorliegen einer Hochrisikosituation, dass alle Patient:innen entweder unter adjuvanter endokriner Therapie oder innerhalb von zwölf Monaten nach Abschluss der adjuvanten endokrinen Therapie progredient waren. Für diese sehr spezielle Gruppe sehe ich bei PIK3CA-Mutationsnachweis in der Kombinationstherapie mit Inavolisib eine potenzielle neue First-Line-Option.
Mit Datopotamab Deruxtecan (Dato-DXd) zeigt ein weiteres Antikörper-Wirkstoff-Konjugat beim HR+/HER2- fortgeschrittenen bzw. metastasierten Mammakarzinom eine gute Wirksamkeit in der fortgeschrittenen Therapielinie. Was ist von diesem ADC zu erwarten?
Prof. Ditsch: Dato-DXd ist eine weitere potenzielle Therapieoption beim fortgeschrittenen HR+/HER2- Mammakarzinom. In der TROPION-Breast01-Studie wurde Dato-DXd bei Patient:innen eingesetzt, die bereits 1–2 vorherige Chemotherapielinien erhalten hatten und ein schlechtes Ansprechen auf eine antihormonelle Therapie erwarten ließen. Im direkten Vergleich mit einer Chemotherapie nach Wahl des Arztes/der Ärztin ergab sich ein signifikanter PFS-Vorteil. Zudem verlängerte Dato-DXd die Zeit bis zur nachfolgenden Therapie, und es zeigte sich ein eher günstiges Profil hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität. Die Ergebnisse unterstreichen die Wirksamkeit der ADC beim HR+ Mammakarzinom.
Interview: Birgit-Kristin Pohlmann
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