PTBS: Das Leid, das nach dem Trauma kommt

Maria Weiß, Foto:wikipedia.com

Vom Schiffsunglück bis zur Vergewaltigung, das posttraumatische Belastungssyndrom (PTBS) hält Monate bis Jahre an.

Der Amoklauf von Winnenden 2009, Loveparade 2010 oder das Schiffsunglück der Costa Concordia bei Giglio – es braucht nicht unbedingt Krieg, Vertreibung und Folter für ein posttraumatisches Belastungssyndrom.


Auch in der ganz normalen Hausarztpraxis können Patienten mit diesem Syndrom auftauchen. Voraussetzung für ein posttraumatisches Belastungssyndrom (PTBS) ist immer ein schweres Trauma, betonte Professor Dr. Mathias Berger von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie im Universitätsklinikum Freiburg beim 36. Interdisziplinären Forum der Bundesärztekammer.


Es kann ein kurz dauerndes traumatisches Ereignis (Klasse-I-Trauma) wie eine kriminelle Gewalttat, eine Katastrophe oder ein schwerer Unfall sein. Kennzeichnend sind immer akute Lebensgefahr und Überraschung. Als Klasse-II-Trauma bezeichnet man dagegen länger dauernde wiederholte Verletzungen wie zum Beispiel bei körperlichem oder sexuellem Missbrauch, Kriegserlebnissen oder Folter und KZ-Haft.

Angst und Depression als Anpassungsstörung

Relativ „normal“ nach solch einschneidenden Erlebnissen mit existenzieller Bedrohung ist eine akute Belastungsreaktion, die bis zu einem Monat andauern kann. Dazu können Symptome einer generalisierten Angststörung, aber auch sozialer Rückzug, Einengung der Aufmerksamkeit, Dissoziation und spätere Amnesie, Ärger und verbale Aggression, Verzweiflung, unangemessene Überaktivität oder unkontrollierbare Trauer gehören.


 Als Spätfolgen kennt man die Anpassungsstörung und das posttraumatische Belastungssyndrom. Als Anpassungsstörung bezeichnet man die Entwicklung von Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen, einem Borderline-Syndrom oder somatoformen Schmerzsyndromen. Dies wurde z.B. häufiger bei Holocaust-Überlebenden beobachtet, so Prof. Berger.

PTBS - Psychotherapie wirksamer als Tabletten

Die PTBS ist durch eine länger als einen Monat anhaltende spezifische Symptomatik mit Wiedererleben des Traumas (Intrusionen, Albträume, Flashbacks), Vermeidungsverhalten (Abflachen der allgemeinen Reagibilität) und Hyperarousal mit ständiger Anspannung gekennzeichnet, die zu einer psychosozialen Beeinträchtigung führt. 


Besonders häufig entwickeln Vergewaltigungsopfer ein PTBS, berichtete Prof. Berger. Mehr als die Hälfte der Opfer ist betroffen, bei Unfallopfern hingegen nur etwa 8 %. Die Psychotherapie ist bei PTBS erfolgreicher als die Psychopharmakatherapie und wird in der Regel auch besser angenommen. Viele Betroffene haben hier die Einstellung: „Ich hab was Schlimmes erlebt – da brauch ich keine Medikamente“, so die Erfahrung Prof. Bergers.

Exposition zur Entdramatisierung bei PTBS

Ziele der Psychotherapie sind die bewusste Erinnerung (Exposition), die realistische Einordnung und die Entdramatisierung des Traumas. Durch diesen oft schmerzhaften Weg kann man erreichen, dass wieder andere kognitive Bahnen aktiviert werden und der Patient sagen kann: „Es ist vorbei – es ist Erinnerung.“ Häufig kommen dabei starke Emotionen wie Schuldgefühle, Wut, Scham und Trauer hoch, die verarbeitet werden müssen.

Durch ein entsprechendes Screening (Freiburger-Screening-Fragebogen FSQ) kann man schon kurz nach einem schweren Unfall Patienten herausfiltern, die durch ein PTBS gefährdet sind. Hier haben sich psychologische Frühinterventionen mit Entspannungsübungen, Konfrontation mit Erinnerungen an das Trauma, Angstbewältigungsstrategien und weiterführenden Hilfestellungen bewährt.

Akute Seelsorge bzw. Kurzzeit-Debriefing eher schädlich

Verbieten sollte man dagegen das zum Teil propagierte „Kurzzeit-Debriefing“, z.B. durch Nothelfer, Seelsorger oder selbsternannte Experten, meinte Prof. Berger. Hier kann in der Akutsituation gerade bei Gruppensitzungen durch eine sekundäre Traumatisierung viel Schaden angerichtet werden.


Zu unrecht vergessen sind dagegen ganz einfache Methoden. Dazu gehören aktives Zuhören und ein normaler menschlicher Beistand. Hier könne gerade der Hausarzt als lang vertrauter Ansprechpartner viel ausrichten.

Quelle: 36. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer

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