Rattenbissfieber ohne Ratten und Fieber

Dr. Carola Gessner, Foto: fotolia, mexitographer

Rattenbissfieber zu erkennen kann große Probleme bereiten. Das klinische Bild reicht von „völlig blande“ über die typische Trias „Fieber-Exanthem-Arthritis“ bis zur fulminanten Endokarditis.

Gleich zwei Fälle einer Infektion mit Streptobacillis (S.) moniliformis innerhalb von zwei Monaten – quasi als Zufallsdiagnosen: Das gab Dr. Thomas Regnath vom Labor Prof. G. Enders in Stuttgart und Kollegen zu denken. Womöglich wird eine erkleckliche Zahl von Rattenbissfieber-Erkrankungen übersehen und der Erreger breitet sich heimlich und ungehindert aus?


Fieber von S. moniliformis

Im Rachen vieler wilder und domestizierter Tiere residiert Streptobacillus moniliformis, der Erreger des Rattenbissfiebers oder seiner Sonderform des Haverhill-Fiebers (Erythema arthriticum epidemicum).


Der Mensch infiziert sich durch Tierbisse, Kontakt mit Ausscheidungen oder Speichel der Keimträger oder auch durch kontaminierte Nahrung. Als typische Symptome gelten Fieber, Schüttelfrost, Exantheme v.a. an Handflächen und Fußsohlen, Übelkeit/Erbrechen, Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Kopf- und Halsweh.

Symptomatik weist eine große Steubreite auf

Hohes Fieber und Alkoholentzugssymptome standen bei dem 48-jährigen Mann mit wechselndem Wohnsitz im Vordergrund, als er in die Klinik eingeliefert wurde. Der Patient litt an chronischer Hepatitis B und C, Tierbisse ließen sich nicht feststellen. In der Blutkultur fanden sich gramnegative pleomorphe Stäbchen mit seitlichen Schwellungen, die sich als sensibel gegen die meisten Standardantibiotika erwiesen – typisch für S. moniliformis. Leider verließ der Patient die Klinik gegen ärztlichen Rat, eine Antibiotikatherapie erfolgte nicht.


Beim Fall zwei handelte es sich um eine 66-jährige verwahrloste Frau, die in schlechtem Allgemeinzustand mit Schmerzen im unteren Rücken und der rechten Flanke eingewiesen wurde. Die Körpertemperatur war mit 36,3 °C normal. Sonographisch ließ sich ein Harnstau der rechten Niere feststellen und mit Verdacht auf Pyelonephritis behandelten die Kollegen in der Klinik ihre Patientin mit Ciprofloxacin – zunächst i.v. und dann oral. Der 66-Jährigen ging es daraufhin rasch besser, nach fünf Tagen verließ sie das Krankenhaus. Zeitgleich lag das Ergebnis der Blutkulturen vor: gramnegative Stäbchen, die in der Massenspektrometrie als S. moniliformis identifiziert wurden.

Achtung bei unklarem Fieber, Exanthem und Arthralgien

In beiden Fällen könnte ein Haverhill-Fieber vorgelegen haben (s. Kasten), doch fehlte die anamnes­tische Rattenbiss-Angabe ebenso wie die Symptomatik Pharyngitis und Erbrechen, kommentieren die Autoren. Außer durch Wild- und Hausratten kann S. moniliformis aber auch durch Katzen und Hunde mit besiedelter Mundhöhle oder sogar durch Hähne (Kratzwunde) übertragen werden, heißt es weiter. Zudem sind indirekte Übertragungswege beschrieben – z.B. durch kontaminierte Rattenkäfige in einer Tierhandlung.


Auch die Symptomatik weist eine große Streubreite auf: Fieber und Gliederschmerzen über Wochen wie im ersten oben beschriebenen Fall, afebriler Verlauf wie im zweiten Fall oder auch fulminante Endokarditis – wie bei einem Landwirt, der sich an eine Handverletzung 14 Tage zuvor erinnern konnte. Als weitere mögliche Symptome nennen die Kollegen zudem Anämie, Pneumonie, Meningitis, Parotitis, Prostatitis und Pankreatitis.


Die unterdiagnostizierte Erkrankung häufiger aufdecken, indem man zumindest bei unklarem Fieber, Exanthem und Arthralgien an S. moniliformis denkt, appellieren Dr. Regnath und Kollegen in ihrem Resümee. Zur Blutkulturdiagnostik darf man dabei keine Systeme mit Natriumpolyanetholsulfat verwenden, da diese Substanz das Wachstum des Erregers hemmen kann. Als Antibiotikum der ersten Wahl gilt Penicillin, das bei Endokarditis mit Streptomycin oder Gentamycin kombiniert werden sollte. Auch Cephalosporine, Makrolide, Chinolone und Tetrazykline können wirksam sein.


Quelle: Thomas Regnath et al., Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 741-743

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