Reaktive Arthritis: Symptome und Differenzialdiagnosen

Dr. Andrea Wülker

Das Reiter-Syndrom geht bisweilen auch mit einer Keratoderma blennorrhagicum oder Konjunktivitis einher. Häufiger Auslöser einer reaktiven Arthritis ist Chlamydia trachomatis. Das Reiter-Syndrom geht bisweilen auch mit einer Keratoderma blennorrhagicum oder Konjunktivitis einher. Häufiger Auslöser einer reaktiven Arthritis ist Chlamydia trachomatis. © CDC/ Dr. M. F. Rein; Science Photo Library/Clinical Photography

Treten ein bis vier Wochen nach einer gastro­intestinalen oder urogenitalen Infektion akute Gelenkschmerzen auf, spricht das für eine reaktive Arthritis. Allerdings gibt es diverse Differenzialdiagnosen. Vor allem eine septische Arthritis muss man ausschließen.

Der ein oder andere Arzt kennt die spezielle Form der seronegativen Spondyloarthritis noch als Reiter-Syndrom, heute heißt sie schlicht reaktive Arthritis. Die urethritisassoziierte Form lässt sich meist auf eine Infektion mit Chlamydia trachomatis zurückführen, die post­enteritische auf enteroinvasive Bakterien (Shigellen, Salmonellen, Yersinien und Campylobacter). Dabei gibt es durchaus erregertypische Verläufe (s. Kasten). 

Erregertypische Merkmale

Eine reaktive Arthritis durch Salmonellen manifestiert sich mitunter als Oligo-, Poly- oder systemische Gelenkentzündung. Über 70 % der Erwachsenen mit chlamydienassoziierten Beschwerden klagen über entzündliche Rückenschmerzen, 60 % leiden unter Enthesiopathien; bei Jugendlichen wurden Konjunktivitis, Urethritis und Keratoderma blennorrhagicum beschrieben. Was den Verlauf angeht, so gibt es z.B. bei der yersinioseassoziierten Erkrankung von Kindern und Jugendlichen neben chronischen Arthritiden auch komplikationslose Genesungen binnen weniger Wochen.

Wie genau es zur reaktiven Entzündung kommt, beschäftigt die Forschung nach wie vor. Man nimmt u.a. an, dass nach initialer Schleimhautinfektion bakterielle Antigene oder sogar lebensfähige Mikroorganismen (bei Chlamydien nachgewiesen) in Gelenke und Zielorgane gelangen und als sogenannte pathogenassoziierte Muster das Immunsystem aktivieren, schreiben Dr. Toni Hospach vom Zentrum für Pädiatrische Rheumatologie am Klinikum Stuttgart und Kollegen. Darüber hinaus scheint eine genetische Prädisposition von Bedeutung zu sein. Denn bei etwa 50 % der Patienten findet sich das Humane Leukozytenantigen B27 (HLA-B27).

Kinder und Jugendliche leiden besonders lang

Die klinische Symptomatik variiert stark und reicht von Fieber und Müdigkeit über Muskel- sowie Gelenkschmerzen bis hin zum Gewichtsverlust – ggf. mit zusätzlichen Organmanifestationen. Meist setzen die Beschwerden eine bis vier Wochen nach einer Infektion ein. Kinder und Jugendliche mit reaktiver Arthritis leiden im Mittel 4,6 Monate, bis die Diagnose gestellt wird. Die Entzündung beginnt akut und schmerzhaft an einem oder wenigen Gelenken. Typischerweise zeigt sich ein asymmetrischer Befall, wobei vor allem die untere Extremität betroffen ist. Eine Daktylitis entwickeln ca. 30 % der Betroffenen. Bei Erwachsenen werden häufig Enthesiopathien beobachtet. Eine Beteiligung des Achsenskeletts mit entzündlichen Rückenschmerzen ist beschrieben, mitunter lässt sich radiologisch eine Sakroiliitis nachweisen. Die Organmanifestationen umfassen:
  • Augen: Konjunktivitis (häufig zu Beginn), Uveitis
  • Haut: Erythema nodosum, Keratoderma blennorrhagicum (psoriasisartige Schuppungen insbesondere der Fußsohlen)
  • Schleimhaut: asymptomatische orale Ulzera, aphthöse Stomatitis
  • Urogenitaltrakt: Urethritis, Zervizitis
  • Herz: selten Karditis und Arrhythmien, Auffälligkeiten im Echo
Zur Diagnose und Klassifikation der reaktiven Arthritis gibt es diverse Kriterien, z.B. die Berlin-Kriterien. Diese sind allerdings nicht ausreichend evaluiert und gelten primär für Erwachsene, betonen die Autoren. Deshalb wird die Diagnose bei Kindern i.d.R. klinisch gestellt, anhand einer gründlichen Anamnese und einer­ ausführlichen Untersuchung des muskuloskelettalen Apparates. Liegen klinische Zeichen einer Arthritis, Enthesitis, Daktylitis, Bursitis oder entzündliche Rückenschmerzen vor und ging ein bakterieller Infekt voraus, sollte man an die Erkrankung denken. Sonographie oder MRT eignen sich ggf. zur Bestätigung. Die Entzündungsmarker BSG und CRP sind einer Studie zufolge nur bei jedem zweiten Betroffenen erhöht. Eine Identifikation des Auslösers gestaltet sich schwierig: Stuhlkulturen fallen zum Zeitpunkt der Arthritis oft negativ aus und die Serologie kann nicht immer zwischen frischer und durchgemachter Infektion differenzieren. Die Autoren raten, unbedingt das Gelenkpunktat zu analysieren (Kultur, PCR), um eine septische Arthritis als wichtige Differenzialdiagnose abzuklären (s. Tabelle). Große Ähnlichkeiten mit der reaktiven Entzündung hat zudem die enthesitisassoziierte Arthritis. Bei der Unterscheidung helfen eine Infektionsanamnese sowie die Serologie­.
Unterschiede zwischen reaktiver und septischer Arthritis
reaktivseptisch
  • asymmetrische Oligoarthritis
  • Erregernachweis in Stuhl, Urin oder Gelenk möglich (DNA-Sequenzen bei enteropathogenen Keimen, bei Chlamydien ggf. ­lebensfähige Bakterien)
  • kann HLA-B27-assoziiert sein
  • angeborenes Immunsystem involviert
  • Antibiotika nicht routinemäßig empfohlen
  • Monarthritis
  • auslösender Keim anzüchtbar
  • nicht HLA-B27-assoziiert
  • Erregervirulenz bestimmt Immunantwort
  • Antibiotika effektiv

Keine routinemäßige Antibiotikagabe!

Weitere Differenzialdiagnosen sind Kawasaki- und SAPHO-Syndrom, Lyme-Arthritis und – bei begleitender Diarrhö – eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Von einer routinemäßigen Antibiotikagabe sollte man die Finger lassen. Die Datenlage rechtfertigt diese selbst bei der chlamydien­assoziierten reaktiven Arthritis nicht. Zur symptomatischen Therapie kommen NSAR infrage, bei unzureichendem Ansprechen intraartikuläre Steroidinjektionen oder systemische Steroide. Verläuft die Erkrankung chronisch (> 6 Monate) oder spricht nicht auf die Behandlung an, werden konventionelle DMARD verabreicht, allen voran Sulfasalazin. Die nächste Eskalationsstufe bilden Biologika wie TNF-α-Inhibitoren, der Einsatz erfolgt dann jedoch off label. Neben den arthritischen Beschwerden müssen grundsätzlich auch die extraartikulären behandelt werden.

Quelle: Hospach T et al. Monatsschr Kinderheilkunde 2021; 169: 177-189; DOI: 10.1007/s00112-020-01046-z

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Das Reiter-Syndrom geht bisweilen auch mit einer Keratoderma blennorrhagicum oder Konjunktivitis einher. Häufiger Auslöser einer reaktiven Arthritis ist Chlamydia trachomatis. Das Reiter-Syndrom geht bisweilen auch mit einer Keratoderma blennorrhagicum oder Konjunktivitis einher. Häufiger Auslöser einer reaktiven Arthritis ist Chlamydia trachomatis. © CDC/ Dr. M. F. Rein; Science Photo Library/Clinical Photography
Die Gelenkentzündung tritt in der Regel asymmetrisch auf. So ist häufig nur ein Knie geschwollen. Die Gelenkentzündung tritt in der Regel asymmetrisch auf. So ist häufig nur ein Knie geschwollen. © Science Photo Library/Marazzi, Dr. P.
Keratoderma blennorrhagicum als typisches Symptom des Reiter-Syndroms. Keratoderma blennorrhagicum als typisches Symptom des Reiter-Syndroms. © CDC/ Dr. M. F. Rein
Auch tritt häufig eine Konjunktivitis auf. Auch tritt häufig eine Konjunktivitis auf. © Science Photo Library/Clinical Photography