Reaktive Arthritis: Chlamydien als Auslöser unterschätzt

Dr. Dorothea Ranft

Auch eine Chlamydien-Infektion triggert eine Arthritis. Auch eine Chlamydien-Infektion triggert eine Arthritis. © iStock/Dr_Microbe

Husten, Durchfall oder Brennen beim Wasserlassen, ein paar Wochen später Knieschmerzen. Hinter dieser Kon­stellation kann sich eine reaktive Arthritis verbergen. Besonders häufig erkranken HLA-B27-positive Patienten.

Die reaktive Arthritis ist eine aseptische, immunologisch vermittelte periphere Spondyloarthritis (SpA). Sie manifestiert sich meist 4–6 Wochen nach einem gastrointestinalen, urogenitalen oder respiratorischen Infekt und befällt typischerweise einzelne große Gelenke der unteren Extremitäten. Intraartikulär lassen sich Bestandteile der Bakterien (z.B. RNA, Lipopolysaccharide) nachweisen. Allerdings können die Mikroben aus der Synovia nicht angezüchtet werden, erklärte Professor Dr. Elisabeth Märker-Hermann von den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden.

Chlamydien-DNA im Gelenk nachweisbar

Die Rangfolge der Auslöser der reaktiven Arthritis hat sich inzwischen verändert: Unter den Durchfallerregern führt heute Campylobacter jejuni. Salmonellen und Yersinia enterocolitica befinden sich dank verbesserter Hygiene auf dem Rückzug. Die häufigste Folgeerkrankung der Campylobacter-Enteritis ist das Colon irritabile (4 %). An einer reaktiven Arthritis erkranken knapp 3 % der Betroffenen, das Guillain-Barré-Syndrom tritt mit einem Anteil von 0,07 % ebenfalls vermehrt auf.

Auch Chlamydien-Infektionen (C. trachomatis bzw. pneumoniae) können eine reaktive Arthritis auslösen, wie unter anderem der intraartikuläre Nachweis ihrer Erbsubstanz im Gelenk belegt. Mangels Meldepflicht fehlen aber noch genaue Daten zur Häufigkeit. Eine Studie ermittelte unter 17-jährigen Mädchen eine Prävalenz frischer Chlamydien-Infektionen von 10 %. Allerdings fällt die triggernde Urogenital- oder (seltener) Atemwegserkrankung aufgrund ihrer Symptom­armut oft gar nicht auf.

HLA-B27 erleichtert die Erregerpersistenz

In der Pathogenese der reaktiven Arthritis spielt womöglich die fehlerhafte Faltung des HLA-B27-Moleküls eine wichtige Rolle. Sie führt zu einer Akkumulation sog. schwerer HLA-B27-Ketten im endoplasmatischen Retikulum, was eine Aktivierung der IL-23/IL-17-Achse und somit eine vermehrte Freisetzung proinflammatorischer Zytokine zur Folge hat. Außerdem modifiziert HLA-B27 höchstwahrscheinlich die intrazelluläre Aufnahme und Abtötung der triggernden Bakterien und erleichtert so die Erregerpersistenz.

Außerdem wurde im Tiermodell gezeigt, dass eine genitale Chlamydieninfektion bei weiblichen Mäusen die Entwicklung einer Enthesitis, Spondylitis und Sakroiliitis auslösen kann. Dabei korrelierte das Ausmaß der Keimbelastung mit dem Schweregrad. Die Entzündung ließ sich auf zwei Wegen reduzieren – mit Anti­biotika und mit TNF-Inhibitoren.

Dass die reaktive Arthritis eine Form der peripheren SpA ist, zeigen schon die Klassifikationskriterien (s. Kasten), in denen eine vorangegangene Infektion ausdrücklich als möglicher Befund genannt wird. Allerdings werden derzeit wohl noch viele bakteriell getriggerte Arthritiden als undifferenzierte SpA eingestuft – z.B. weil sich der Patient an eine verdächtige Infektion in den vergangenen Wochen nicht erinnern kann. Einer der häufigsten Auslöser dieser unspezifischen Spondylarthritiden dürften Chlamydien sein, wie eine Studie nahelegt: Bei 62 % der Teilnehmer mit chronischer undifferenzierter SpA konnte mittels PCR Chlamydien-DNA in Synovialbiopsien nachgewiesen werden.

ASAS*-Kriterien für die periphere Spondyloarthritis
Arthritis und/oder Enthesitis und/oder Daktylitis plus
  • mindestens einer der folgenden Befunde:
    Psoriasis, M. Crohn/C. ulcerosa, vorangegangene Infektion, HLA-B27, Uveitis, Sakroiliitis (Röntgen, MRT)
oder
  • mindestens zwei der folgenden Befunde: 
    Arthritis, Enthesitis, Daktylitis, CED, positive Familienanamnese für SpA
*    Assessment of SpondyloArthritis international Society

Der Nutzen einer Antibiotikatherapie bei der reaktiven Arthritis hängt vom triggernden Erreger ab. Bei der postenteritischen Form, z.B. einer gesicherten Yersinienarthritis, ist kein Nutzen zu erwarten. Dies gilt erst recht für Patienten mit unklarer Arthritis und positiver Serologie für Yersinien, Salmonellen oder Campylobacter als Zeichen einer durchgemachten Infektion.

Bei einer durch Chlamydien induzierten urogenitalen Infektion kann ein früher Antibiotikaeinsatz die Inzidenz reaktiver Gelenkentzündungen verringern. Patienten mit undifferenzierter SpA und positiver Chlamydien-PCR profitieren womöglich von einer antibiotischen Langzeittherapie, wie eine kleine Studie andeutet. 17 der 27 Teilnehmer sprachen auf die Kombination von Doxycyclin (200 mg/d) mit Rifampicin (300 mg/d) an, sechs erreichten eine komplette Remission. Unter Placebo zeigten nur 3 von 15 ein positives Ergebnis, keiner eine komplette Rückbildung der Symptome.

Therapie erfolgt symptomatisch mit NSAR

Aus therapeutischer Sicht ist eine genaue Differenzierung zwischen reaktiver Arthritis und undifferenzierter peripherer Spondyloarthritis nicht erforderlich, erklärte die Rheumatologin. Beide Erkrankungen werden zunächst symptomatisch mit nicht-steroidalen Antirheumatika behandelt, im Bedarfsfall auch mit Steroiden und Sulfasalazin, bei unzureichendem Ansprechen mit Biologika.

Quelle: Deutscher Rheumatologie Kongress 2020 – virtuell

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Auch eine Chlamydien-Infektion triggert eine Arthritis. Auch eine Chlamydien-Infektion triggert eine Arthritis. © iStock/Dr_Microbe