Rezidivprophylaxe nach embolischem Schlaganfall ohne ersichtlichen Ursprung

Dr. Barbara Kreutzkamp

Patienten mit einem Schlaganfall ohne fassbare Ursache sind tendenziell jünger und haben seltener klassische Atherosklerose-Risikofaktoren. Patienten mit einem Schlaganfall ohne fassbare Ursache sind tendenziell jünger und haben seltener klassische Atherosklerose-Risikofaktoren. © iStock/bymuratdeniz

Findet man nach einem Schlaganfall in der routinemäßigen Ursachensuche keine brauchbaren Hinweise, wird das Ereignis als kryptogen klassifiziert. Doch häufig lohnt sich eine intensivere Abklärung – zumindest bei embolischem Infarktmuster­ in der Bildgebung.

Die Ursachensuche nach einem akuten Schlaganfall ist eine wichtige Voraussetzung, um Patienten hinsichtlich Prognose und Sekundärprophylaxe gezielt beraten zu können, schreiben Alkisti­ Kitsiou­ von der Klinik für Neurologie am Evangelischen Klinikum Bethel in Bielefeld und Kollegen. Zu diesem Zweck stehen Klassifikationssysteme wie die aktuell gebräuchlichen TOAST-Kriterien zur Verfügung.

Ursachen des ischämischen Schlaganfalls nach der TOAST*-Klassifikation

  • atherosklerotisch
  • mikroangiopathisch (hypertensive zerebrale Mikroangiopathie)
  • kardial-embolisch, z.B. Arrhythmien, Vitien, Klappenersatz, dilatative Kardiomyopathie, bakterielle Endokarditis
  • andere gesicherte Ursachen, z.B. hereditäre Koagulopathien/ Thrombophilien, hämatologische oder metabolische Erkrankungen, Vaskulopathien, Migräne, Drogenabusus (Kokain, Heroin)
  • kryptogener Schlaganfall

* Trial of Org 10172 in Acute Stroke Treatment

Bei rund 20 % der Schlaganfallpatienten bleiben die ersten Routinechecks mit CT/MRT, Neurosonographie, Echokardiographie, Rhythmusmonitoring und Laboruntersuchungen ohne Hinweise auf klassische Ursachen oder Primär­erkrankungen. Um aber auch diese Patienten mit kryptogenem Schlaganfall möglichst gezielt rezidivprophylaktisch behandeln zu können, lohnt oftmals ein zweiter diagnostischer Blick entsprechend dem 2014 eingeführten ESUS-Konzept (embolic stroke of undetermined source).

Meist kommen mehrere Emboliequellen infrage

ESUS ist definiert als nicht-lakunärer Hirninfarkt mit embolischem Mus­ter in der Bildgebung, aber ohne fassbare Quelle. Seine Häufigkeit variiert in Studien mit gemischten Schlaganfallpopulationen zwischen 7 und 42 %. Patienten mit einem ESUS sind gegenüber solchen mit einem Schlaganfall fassbarer Ursache tendenziell jünger und haben seltener klassische Atherosklerose-Risikofaktoren wie Hochdruck, Dia­betes und Hypercholesterinämie. Das Rezidivrisiko nach ESUS liegt mit 4,5 % pro Jahr eher im moderaten Bereich. Bei Einführung des ESUS-Konzepts ging man davon aus, dass die meis­ten Fälle auf ein paroxysmales Vorhofflimmern zurückzuführen seien, auch wenn die Arrhythmie im primären Rhythmusmonitoring nicht zu erkennen war. Inzwischen ermittelte man noch andere häufige Auslöser. Dazu gehören:
  • nicht-stenosierende Plaques der ipsilateralen A. carotis oder des Aortenbogens
  • kardiale Ursachen wie linksven­trikuläre Erkrankungen, Kardiomyopathien, Klappenvitien
  • Malignome
Bei zwei Drittel der ESUS-Patienten kommen nach heutiger Einschätzung zwei oder noch mehr Emboliequellen infrage. Vor allem, wenn ein hohes Rezidivrisiko besteht, raten die Autoren zu einer erneuten akribischen Ursachensuche. Eine entsprechende Leitlinienempfehlung liegt allerdings noch nicht vor. Für die Ermittlung des Risikos hilft ein Score.

Der ESUS-Risikoscore

  • 1 Punkt pro Lebensdekade oberhalb eines Alters von 35 Jahren
  • 2 Punkte für fleckförmige oder konfluierende zerebrale Mikroangiopathie (Leukoaraiose)
  • 3 Punkte für multiterritoriale Infarkte
Bewertung
  • 0–4 Punkte = niedriges Risiko (2,1/100 Patientenjahre)
  • 5–6 Punkte = mittleres Risiko (3,7/100 Patientenjahre)
  • 7–12 Punkte = hohes Risiko (8,2/100 Patientenjahre)

Zur Sekundäruntersuchung eignen sich wiederholte Langzeit-EKG, die (dreidimensionale) transösophageale Echokardiographie und ggf. ein kontinuierliches Rhythmusmonitoring per implantierbarem Ereignisrekorder. Im Einzelfall kann man auch eine extra- und intrakranielle Gefäßbildgebung mit detaillierter Plaquemorphometrie und ein kardiales MRT heranziehen. Mit diesem Armamentarium lässt sich häufig noch die wahrscheinliche Infarktursache aufdecken. Diese kann dann gezielt, zum Beispiel durch eine Optimierung des vaskulären Risikoprofils und/oder orale Antikoagulation, angegangen werden, so die Erfahrung der Autoren. Zur medikamentösen Sekundärprävention empfiehlt sich wie nach einem kryptogenen Schlaganfall ASS 100 mg/d. ESUS-Patienten mit KHK oder PAVK, bei denen die Atherosklerose als Schlaganfall­ursache angenommen wird, können zusätzlich Rivaroxaban 2,5 mg zweimal täglich erhalten. Laut der COMPASS-Studie verbessert sich durch die Kombitherapie die Prognose im Vergleich zur alleinigen ASS-Gabe.

Lipidsenkung erfordert entsprechendes Monitoring

Zur Statinverordnung liegen bisher keine größeren Studien mit ESUS-Patienten vor. Es darf jedoch davon ausgegangen werden, dass ein Großteil der Betroffenen von einer lipidsenkenden Behandlung im Hinblick auf die Rezidivrisiko­minimierung profitiert. Unter der Therapie sollten dann die allgemeinen Empfehlungen zum Statin­monitoring mit Festlegung der jeweiligen LDL-Zielwerte zum Einsatz kommen, so die Experten.

Quelle: Kitsiou A et al. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 403-409; DOI: 10.1055/a-1309-8701

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Patienten mit einem Schlaganfall ohne fassbare Ursache sind tendenziell jünger und haben seltener klassische Atherosklerose-Risikofaktoren. Patienten mit einem Schlaganfall ohne fassbare Ursache sind tendenziell jünger und haben seltener klassische Atherosklerose-Risikofaktoren. © iStock/bymuratdeniz