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Rhinosinusitis, Tonsillitis, Otitis: Brauchen Kinder Antibiotika?
Antibiotika nützen bei oberen und unteren Atemwegsinfektionen nur in bestimmten Fällen mehr, als sie schaden, schreiben die Experten der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. In ihren aktuellen Therapieempfehlungen legen sie u.a. dar, ob und wann die Verordnung der Substanzen bei Angina, Otitis media, Sinusitis und Kruppsyndrom sinnvoll ist.
Tonsillopharyngitis:
Auf feuchte Halswickel und Mundpflege setzenDie Behandlung der nicht durch A-Streptokokken hervorgerufenen Tonsillopharyngitis erfolgt in der Regel symptomatisch mit Ibuprofen oder Paracetamol und einer ausreichenden Flüssigkeitszufuhr. Bei manchen Patienten lindern auch feuchte Halswickel die Beschwerden. Obwohl nicht durch Studien abgesichert, erscheint eine gute Mund- und Zahnpflege wichtig. Auf Antibiotika dagegen kann meist verzichtet werden! |
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Auf die Verordnung von Antibiotika kann in den meisten Fällen verzichtet werden, da weder die lokalen Beschwerden noch das Allgemeinbefinden oder die Krankheitsdauer signifikant beeinflusst werden. Zwar weist eine große retrospektive Kohortenstudie darauf hin, dass die Zahl der Komplikationen durch die Antibiotikagabe sinkt. Die Number-needed-to-treat (NNT) liegt jedoch mit über 4000 sehr hoch.
Liegt eine A-Streptokokkenangina vor, klingen die Krankheitssymptome unter antibiotischer Therapie ein bis zwei Tage früher ab. Auf das in Industrienationen ohnehin schon sehr geringe Risiko für die Entwicklung eines rheumatischen Fiebers hat die Therapie, wenn überhaupt, nur einen geringen Einfluss. Die Gefahr einer akuten Glomerulonephritis wird durch den Antibiotika-Einsatz nicht gesenkt.
Makrolide als Alternative bei Penicillinallergie
Als Therapeutika der Wahl bei A-Streptokokkenangina und Scharlach gelten Penicillin V oder Propicillin über sieben bis zehn Tage. Nur wenn diese Medikamente versagen oder eine Penicillinallergie vom Spättyp vorliegt, sollte man Oralcephalosporine einsetzen. Da zwischen Penicillin und Cephalosporinen in 10 % der Fälle eine Kreuzallergie besteht, gelten bei einer Penicillinallergie vom Soforttyp Makrolide als therapeutische Alternative.
Ist es bereits zu einer schweren Erkrankung mit Abszessbildung gekommen, kann man sofort die Gabe von Amoxicillin/Clavulansäure erwägen. Schon 24 Stunden nach dem Beginn der antibiotischen Behandlung darf das Kind wieder die Schule oder die Gemeinschaftseinrichtung besuchen.
Akute Otitis media:
Die akute Otitis media wird ebenfalls am häufigsten durch Viren verursacht, bakterielle Superinfektionen gehen zumeist auf das Konto von Pneumokokken und Haemophilus influenzae. In der Regel verläuft die Erkrankung selbstlimitierend – zu 80 % heilt sie innerhalb von 7 bis 14 Tagen aus.
Bei Fieber und Erbrechen Antibiotika geben!
Nur in bestimmten Fällen ist eine antibiotische Behandlung zusätzlich zur symptomatischen Therapie indiziert. Die Arzneimittelkommission rät zu folgendem Vorgehen:
- Bei Kindern im Alter über 6 Monate, die weder ausgeprägte Krankheitszeichen noch eine beidseitige oder perforierte Otitis aufweisen, erscheint initial die rein symptomatische Behandlung mit Paracetamol bzw. Ibuprofen, abschwellenden Nasentropfen oder intranasal applizierter physiologischer Kochsalzlösung gerechtfertigt. Bei Kleinkindern sollte der Befund nach 24–48 Stunden, bei älteren Kindern nach etwa drei Tagen kontrolliert werden.
- Sind die Eltern kooperativ und aufgeklärt, kann man ihnen ein Antibiotikarezept aushändigen mit der Maßgabe, es nur bei Bedarf, d.h. bei fehlender Besserung in den nächsten ein bis drei Tagen, einzulösen. Solch ein Bedarf ist innerhalb einer Woche bei jedem zweiten Kleinkind < 2 Jahre gegeben.
- Säuglinge und Kinder, die bereits initial schwer beeinträchtigt sind (z.B. durch Fieber, Erbrechen) oder eine beidseitige bzw. perforierte Otitis aufweisen, werden von Beginn an antibiotisch behandelt. Mittel der Wahl ist Amoxicillin über 5(–7) Tage.
- Auch wenn sich unter der initialen, rein symptomatischen Therapie die Symptome nur unzureichend bessern oder verschlechtern, erhalten die Patienten das Antibiotikum.
Akute Rhinosinusitis:
Eine routinemäßige Anwendung von Antibiotika bei jedem Patienten mit akuter Rhinosinusitis ist weder plausibel noch nach Studienlage zu rechtfertigen, schreiben die Experten. Die Verordnung erscheint ihnen nur in folgenden Fällen sinnvoll:
- wenn ein schweres bzw. fortgeschrittenes Krankheitsbild vorliegt, erkennbar an starken Kopfschmerzen, Rötung und Schwellung über den Nasennebenhöhlen, Lethargie, hohem Fieber, Protrusio bulbi,
- wenn an der Rachenhinterwand Eiterstraßen sichtbar sind und der Patient zugleich über starke Schmerzen klagt,
- wenn das CRP > 20 erhöht ist und der Patient Fieber hat,
- wenn die Beschwerden über mehr als zehn Tage persistieren oder sich die Symptome nach 5–10 Tagen deutlich verschlechtern.
Amoxicillin ist Mittel der Wahl bei Rhinosinusitis
Als Mittel der Wahl gilt orales Amoxicillin für 5(–7) Tage. Liegt ein schweres Krankheitsbild vor, kann man auf Amoxicillin/Clavulansäure zurückgreifen. In der symptomatischen Therapie verschafft die kurzfristige Applikation von Nasentropfen manchen Patienten Erleichterung. Steroidhaltige Nasensprays haben wahrscheinlich nur bei allergisch bedingter akuter Rhinosinusitis einen Effekt.
Je nach Beschwerdebild kann auch die Gabe von NSAR sinnvoll sein. Positive Daten für Nasenspülungen mit NaCl-Lösung oder -Spray finden sich laut Arzneimittelkommission nur für die rezidivierende bzw. chronische Sinusitis. Positive Effekte seien für Kopfdampfbäder berichtet worden, die Inhalation von Sole oder ätherischen Ölen scheinen keinen messbaren Effekt zu haben.
Quelle: AVP – Arzneiverordnung in der Praxis, Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: Atemwegsinfektionen (2013)
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