Risiken werden oft übersehen

Dr. Elke Ruchalla

Zu beachten ist dabei allerdings, dass die anti­depressiven Substanzen mit anderen verordneten Medikamenten in Wechselwirkung treten können. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die anti­depressiven Substanzen mit anderen verordneten Medikamenten in Wechselwirkung treten können. © crevis - stock.adobe.com

Patienten mit chronischen Schmerzen erhalten häufig auch Antidepressiva. Das kann sinnvoller sein, als ein Schmerzmittel bis zur Höchstdosis auszureizen. Die Nebenwirkungen dieser Zusatztherapie fallen bei der Entscheidung aber oft unter den Tisch.

Bei Menschen mit anhaltenden oder immer wiederkehren­den Schmerzen kann es sinnvoll sein, zusätzlich zu klassischen Analgetika antidepressive Medikamente zu ­verordnen. Häufig verwendete Klassen von Antidepressiva umfassen selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), Serotonin-Nor­adrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI), trizyklische Antidepressiva oder Mirtazapin als tetrazyklisches Antidepressivum.

Trizyklika führen häufig zu Mundtrockenheit

Zu beachten ist dabei allerdings, dass die anti­depressiven Substanzen mit anderen verordneten Medikamenten in Wechselwirkung treten können. Diese Effekte sind laut Prof. Dr. ­Sebastian ­Baum, Apotheker am EVK Münster – Alexianer Johannis­stift, eher weniger bekannt. Sechs unerwünschte Wirkungen stellt er als besonders relevant heraus:

  • Blutungen
  • Serotoninsyndrom
  • anticholinerge Effekte
  • Hyponatriämien
  • Krampfanfälle
  • Verlängerungen der QTc-Zeit

Blutungen treten besonders häufig bei serotonergen Antidepressiva auf, wobei nicht prinzipiell zusätzlich ein „Magenschutz“ indiziert ist. Anders sieht es aus, wenn die Patienten weitere Medikamente mit Blutungsrisiko erhalten, z.B. nicht-steroidale Anti­rheumatika (bei Schmerzpatienten keine Seltenheit), Kortikosteroide, ASS oder Antikoagulanzien. In diesen Fällen kann man individuell einen Protonenpumpeninhibitor oder H2-Rezeptor-Blocker in Erwägung ziehen. Mögliche Blutungen sind aber nicht auf den Gastrointestinaltrakt beschränkt: Die Verminderung von Serotonin in den Thrombozyten, wie sie vor allem SSRI und SNRI verursachen, und damit deren eingeschränkte Aktivität kann sich genauso gut und schlimmstenfalls intrakraniell manifestieren.

Empfohlene Kontrolluntersuchungen

Bei Einnahme jeglicher Psychopharmaka empfiehlt Prof. Baum folgende Untersuchungen:

  • vor Beginn: Blutbild (BB), Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, CK, Glukose, TSH, Gewicht, INR sowie ein EKG
  • ein, zwei und drei Monate nach Therapiebeginn: BB, Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, CK, Glukose, Gewicht
  • alle drei Monate: Gewicht
  • danach alle sechs bis zwölf Monate: BB, Elektrolyte, Nieren- und Leberwerte, CK, Glukose, EKG

Das Serotoninsyndrom stellt zwar eher eine Seltenheit dar, kann aber schnell lebensbedrohlich werden. Es macht sich mit einer kaum beherrschbaren Hyperthermie bemerkbar, dazu kommen Bewusstseinsstörungen, Tremor, Myoklonien und Tachykardien. Wie der Name schon vermuten lässt, tritt es im Wesentlichen unter Antidepressiva auf, die die Serotoninkonzentration erhöhen. Meist führt aber erst die Kombination mit ähnlich wirkenden Präparaten wie ­Fentanyl oder Methadon zu dem Syndrom. Aber auch das Anti­biotikum Linezolid birgt eine Gefahr: Es wirkt zusätzlich als MAO-Hemmer und somit ebenfalls serotonerg, sodass die gleichzeitige Gabe mit SSRI oder SNRI das Risiko für ein Serotoninsyndrom steigert. Die einzige kausale Therapie besteht im Absetzen der verantwortlichen Substanzen.

Anticholinerge Effekte wie Mundtrockenheit und Konzentrationsstörungen sind eine Nebenwirkung vieler Antidepressiva. Besonders stark treten sie unter den Trizyklika auf, die zwar gut koanalgetisch wirken, auf die man aber vor allem bei älteren Menschen wegen der ausgeprägten unerwünschten Wirkung verzichten sollte. Einzige Ausnahme ist Nortriptylin aufgrund seiner geringen anticholinergen Aktivität. 

Hyponatriämien mit Lethargie, kognitiven Störungen, Übelkeit/Erbrechen und Kopfschmerzen entwickeln sich meist schleichend und fallen daher oftmals erst spät auf. Diesbezüglich unterscheiden sich die Antidepressivaklassen kaum, am seltensten findet man sie unter Mirtazapin. Zur Erinnerung: Eine schwere Hyponatri­ämie (< 120 mmol/l) muss langsam ausgeglichen werden (maximal 10 mmol/l in 24 Stunden), um eine pontine Myelinolyse zu vermeiden. Außerdem sollte man prüfen, welche sonstigen Medikamente an dem Natriummangel bzw. der relativen Hypervolämie beteiligt sein könnten (z.B. Diuretika, ACE-Hemmer, Neuroleptika wie Haloperidol).

Blutungen treten vor allem bei serotonergen Antidepressiva auf

Eine erhöhte Krampfanfälligkeit verursachen vor allem SSRI, SNRI und Trizyklika, und das ganz besonders bei Patienten mit bereits vorhandener Epilepsie. Mirtazapin ist in diesem Fall weniger riskant. 

Die verlängerte QTc-Zeit durch Antidepressiva mit der Folge von Torsades-des-Pointes betrifft zum einen ältere Patienten (> 65 Jahre), zum anderen solche, die begleitend Wirkstoffe mit ähnlichem Risiko einnehmen. Dazu gehören viele Anti­arrhythmika, aber auch Neuroleptika und Makrolid­antibiotika. Besonders gefährdet sind außerdem Frauen, Patienten mit Hypokali­ämie und mit vorbestehenden Herz­erkrankungen.

Quelle: Baum S. Schmerzmedizin 2023; 39: 22–25; DOI: 10.1007/s00940-023-4298-7

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Zu beachten ist dabei allerdings, dass die anti­depressiven Substanzen mit anderen verordneten Medikamenten in Wechselwirkung treten können. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die anti­depressiven Substanzen mit anderen verordneten Medikamenten in Wechselwirkung treten können. © crevis - stock.adobe.com