Antidepressiva in der Schwangerschaft – Indikation streng stellen und gut überwachen

Friederike Klein

Eine nicht ausreichend behandelte Depression kann Mutter und Kind schaden. (Agenturfoto) Eine nicht ausreichend behandelte Depression kann Mutter und Kind schaden. (Agenturfoto) © alter_photo – stock.adobe.com

Die antidepressive Therapie in der Schwangerschaft wird häufig mit Fehlbildungen des Neugeboren assoziiert. Doch auch eine unbehandelte Depression hat für Mutter und Kind negative Folgen. Wie kommt man aus dem Dilemma raus?

Neugeborene von Müttern, deren Depression nicht behandelt wird, weisen häufiger als Kinder gesunder Frauen ein niedriges Geburtsgewicht und einen kleineren Kopfumfang auf. Oft kommen sie zu früh und/oder mit einem niedrigen Apgar-Score zur Welt. Auch die Mutter-Kind-Bindung kann erschwert, das Risiko einer späteren geistigen Retardierung gesteigert sein.

Auf der anderen Seite kommen Wissenschaftler immer wieder zu der Erkenntnis, dass der Einsatz von Antidepressiva in der Schwangerschaft das Fehlbildungsrisiko für den Nachwuchs erhöht – ein Dilemma, erklärte der Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie der Universitätsfrauenklinik Ulm, Professor Dr. Wolfgang­ Paulus­. Soll man die antidepressive Therapie bei einer Schwangeren absetzen oder fortführen?

Laut einer systematischen Übersichtsarbeit führte die im ersten Trimenon fortgesetzte Gabe der SSNRI Venalafaxin und Duloxetin nicht zu erhöhten Fehlbildungsraten. Kongenitale Malformationen wurden unter Venlafaxin bei 3,4 % der Neugeborenen berichtet, unter Duloxetin bei 2,4 %. Allein das Basisrisiko für angeborene Anomalien beträgt mindestens 3 %, betonte Prof. Paulus.

In einer aktuellen Kohortenstudie untersuchten Wissenschaftler erneut die Folgen einer Duloxetintherapie in der Gravidität und auch sie konnten kein erhöhtes Fehlbildungsrisiko feststellen. Marginal gesteigert war die Gefahr von Frühgeburtlichkeit sowie postpartalen Blutungen. Fetale Wachstumsretardation und Präeklampsie kamen unter Duloxetinexposition nicht häufiger vor als in pharmakonaiven Schwangerschaften. Dagegen zeigte sich in einer Fall-Kontroll-Studie aus den USA, in der Mütter bis 24 Monate nach dem Geburtstermin telefonisch befragt worden waren, dass Venlafaxin in der Schwangerschaft möglicherweise doch mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko einhergeht.

Um mehr Klarheit zu erreichen, führte Prof. Paulus eine eigene prospektive, kontrollierte Beobachtungsstudie durch. Diese umfasste 709 Mütter, die zwischen 1990 und 2019 wegen einer akzidentellen Exposition mit Venlafaxin (n = 565) oder Duloxetin (n = 144) in der Frühschwangerschaft in die ReproTox-Datenbank in Ulm aufgenommen worden waren. Die Kontrollgruppe bestand aus 657 werdenden Müttern mit unbelasteter Schwangerschaft. Es fand sich keine Zunahme der Anomalierate unter SSNRI (2,8 % mit vs. 1,7 % ohne).

Allerdings hatten behandelte Mütter häufiger eine Abruptio ohne Vorliegen einer Malformation des Kindes vornehmen lassen als Frauen in der Kontrollgruppe (9,4 % vs. 2,3 %). Ebenso traten Spontanaborte häufiger auf (15,4 % vs. 9,7 %).

Bei Fragen spezielle Beratungsstelle kontaktieren

Insgesamt hält Prof. Paulus die Fortsetzung der Behandlung mit Venlafaxin oder Duloxetin bei Schwangeren mit schwerer Depression unter strenger Indikationsstellung für vertretbar. Erprobte Antidepressiva ganz wegzulassen oder extrem unterzudosieren, sollte seiner Meinung nach vermieden werden, um mögliche Schäden einer nicht ausreichend behandelten Depression bei Mutter und Kind zu vermeiden.

Eine strenge Überwachung vorausgesetzt, dürfen auch ältere Trizyklika wie Amitriptylin sowie die SSRI Sertralin und Citalopram zum Einsatz kommen. Behandelnde Ärzte können sich bei Fragen jederzeit an die Beratungsstelle für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit wenden. Prof. Paulus versprach eine rasche Rückmeldung.

Kongressbericht: DGPPN-Kongress 2020 – digital (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde)

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Eine nicht ausreichend behandelte Depression kann Mutter und Kind schaden. (Agenturfoto) Eine nicht ausreichend behandelte Depression kann Mutter und Kind schaden. (Agenturfoto) © alter_photo – stock.adobe.com