
Telemedizin kann Lücken in der Versorgung schließen

Ein medikamentös induzierter Frühabort kann nicht nur im stationären oder ambulanten, sondern auch im häuslichen Umfeld erfolgen. Studien und Erfahrungswerte aus aller Welt belegen, dass dies bis zur zehnten Schwangerschaftswoche ebenso sicher und effektiv ist wie die Durchführung unter Aufsicht von medizinischem Personal. Die Berliner Gynäkologinnen Dr. Jana Maeffert und Dr. Leonie Kühn berichten über die ersten Ergebnisse des Pilotprojekts „Schwangerschaftsabbruch Zuhause“, bei dem Betroffene in Deutschland telemedizinische Begleitung bei einem medikamentösen Schwangerschaftsabbruch erhalten.
Es geht nicht ohne Beratungsbescheinigung
Bei der ersten Kontaktaufnahme wird zunächst geklärt, ob die Voraussetzungen für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch zu Hause erfüllt sind. Unter anderem muss ein Ultraschallbild vorliegen, anhand dessen eine extrauterine Schwangerschaft ausgeschlossen werden kann. Außerdem ist die Beratungsbescheinigung einer staatlich anerkannten Beratungsstelle erforderlich.
Sobald alle Unterlagen eingereicht sind, erfolgt das erste ärztliche Videogespräch. Dabei werden u. a. der Ablauf und die Erreichbarkeit einer geeigneten Klinik für den Fall einer unvorhergesehen starken Blutung geklärt. Danach erhalten die Betroffenen die notwendigen Medikamente und einen wenig-sensitiven Urin-HCG-Test. In einem zweiten Videogespräch werden die Frauen ausführlich über das Einnahmeschema sowie die Wirkung der Medikamente aufgeklärt und nehmen das erste Medikament ein (Mifepriston oral).
Zwei Tage später erfolgt die Einnahme von Misoprostol vaginal, bukkal oder sublingual in Anwesenheit einer vertrauten Person. Als Begleitmedikation sind prophylaktisch sowie nach Bedarf Analgetika wie Ibuprofen (bis zu 2.400 mg/d) und/oder Antiemetika empfohlen. Nach 14 bis 16 Tagen wird der Erfolg des Schwangerschaftsabbruchs mithilfe des Urintests überprüft.
Bislang wurde das schriftliche Feedback von 84 Teilnehmerinnen ausgewertet. Als Grund für die Wahl des Angebot wurde am häufigsten darauf verwiesen, dass die Durchführung zu Hause praktischer sei (65 %). In rund der Hälfte aller Fälle war (auch) das Fehlen einer geeigneten Praxis in der Wohnregion ausschlaggebend und zu 32 % spielte eine fehlende Kinderbetreuung eine Rolle. Die Zufriedenheit war hoch: Ganze 100 % der Teilnehmerinnen würden das Angebot weiterempfehlen. Neun von zehn hatten nicht das Gefühl, dass sie in einer Praxis eine bessere Betreuung erhalten hätten.
Telemedizinische Variante ist nicht für alle die erste Wahl
Aus 232 initialen Anfragen an das Projekt resultierten 134 telemedizinisch begleitete Schwangerschaftsabbrüche. Diese Diskrepanz spricht den Autorinnen zufolge dafür, dass Betroffene oft mehrere Anlaufstellen gleichzeitig kontaktieren und die telemedizinische Variante längst nicht für alle die erste Wahl darstellt. Neben äußeren Hürden sind der Befragung zufolge auch Zeitdruck, die individuelle Familiensituation und der Wunsch nach Geheimhaltung für die Wahl ausschlaggebend.
O-Ton Allgemeinmedizin
Abtreibungen sind nicht nur ein gynäkologisches Thema: Hausarztpraxen können ebenfalls Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Im Podcast O-Ton Allgemeinmedizin erklärt Dr. Margit Kollmer, niedergelassene Allgemeinmedizinerin in Bayern, welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen und weshalb Hausärztinnen und Hausärzte damit einen wichtigen Beitrag zur Versorgung leisten.
O-Ton Allgemeinmedizin gibt es alle 14 Tage donnerstags auf den gängigen Podcast-Plattformen. Wir sprechen mit Expertinnen und Experten zum Umgang mit besonders anspruchsvollen Situationen in der Praxis.
Ein überproportional großer Teil der Anfragen stammte aus Bayern und aus weiteren Regionen mit einer geringen Dichte an Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Häufig erhielten Anfragende einen Hinweis auf das Projekt über die Konfliktberatungsstellen. Diese scheinen vor allem dort über das Angebot zu informieren, wo wenige Einrichtungen für ungewollt Schwangere vorhanden sind, so Dr. Maeffert und Dr. Kühn. Beratungsstellen aus dem süddeutschen Raum hätten zudem häufig Auskunft über den Ablauf und die Legalität der telemedizinischen Begleitung erbeten.
Dennoch sollte die telemedizinische Betreuung den Autorinnen zufolge keine Notlösung sein, sondern ein gleichwertiges Angebot neben der ambulant betreuten medikamentösen und der operativen Schwangerschaftsbeendigung darstellen. Es brauche eine flächendeckende, zeit- und wohnortnahe Gesundheitsversorgung, damit es den Betroffenen möglich sei, selbstbestimmt die für sie passende Methode und Begleitung auswählen zu können.
Ungewollte Schwangerschaften könnten zu Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und im Extremfall sogar zur Selbst- oder Kindstötung führen, schreibt Prof. Dr. Anton Scharl von der Klinik Bad Trissl in Oberaudorf in einem Kommentar. Die Hilfe für Frauen in dieser Not sei „eine nicht verhandelbare Aufgabe der Gesellschaft“. Größere internationale Projekte hätten in Bezug auf Effektivität und Komplikationen für telemedizinisch betreute Abbrüche ebenfalls keine negativen Ergebnisse gezeigt. Prinzipiell solle Telemedizin aber nur dann genutzt werden, wenn sie wirklich passend ist – und nicht, weil andere Möglichkeiten fehlen.
Quellen:
1. Maeffert J, Kühn L. internistische praxis 2024; 68: 80-89
2. Scharl A. internistische praxis 2024; 68: 90-91
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