Was man Schwangeren verordnen darf

Dr. Dorothea Ranft

Viele Medikamente können in allen Phasen der Schwangerschaft verschrieben werden, dies ist aber nicht bei allen der Fall. Viele Medikamente können in allen Phasen der Schwangerschaft verschrieben werden, dies ist aber nicht bei allen der Fall. © iStock/Revolu7ion93

Nicht immer gelingt es, während einer Schwangerschaft auf Medikamente zu verzichten. Zu den häufigsten Indikationen gehören HNO-Erkrankungen. Auch Schmerzen oder Übelkeit erfordern mitunter medikamentöse Hilfe. Ein Leitfaden hilft dabei, Risiken zu minimieren.

Analgetika

Paracetamol gilt nach wie vor als Analgetikum der Wahl in der Schwangerschaft. Es darf in allen Phasen der Gravidität zeitlich begrenzt angewendet werden, schreiben Dr. Wolfgang Paulus von der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Universitätsfrauenklinik Ulm und Kollegen. Die Einnahme nicht-steroidaler Antiphlogistika wie Ibuprofen, Diclofenac und Acetylsalicylsäure (ASS) ist nur im 1. und 2. Trimenon erlaubt – möglichst nicht über mehrere Wochen. Ab der 28. SSW ist die wiederholte Anwendung kontraindiziert. Denn sie kann u.a. zu einem vorzeitigen Verschluss des Ductus arteriosus mit postpartaler pulmonaler Hypertonie führen. Auf Cox-2-Hemmer und Metamizol sollte man während der gesamten Schwangerschaft verzichten. Bei starken Schmerzen können Opioide kurzfristig verordnet werden (Cave Atemdepression, Suchtpotenzial, neonatale Entzugserscheinungen).

Antiallergika

Erprobte Antihistaminika, zu denen inzwischen auch Cetirizin, Loratadin und Fexofenadin zählen, dürfen in allen Phasen der Schwangerschaft eingesetzt werden. Auch die vorübergehende Applikation systemischer Steroide ist erlaubt (so kurz wie möglich). Wegen des geringeren diaplazentaren Übertritts sind Prednison und Prednisolon zu bevorzugen. Gegen die Anwendung topischer bzw. inhalativer Glukokortikoide bestehen auch langfristig keine Bedenken. Eine spezifische subkutane Immuntherapie kann bei guter Verträglichkeit in der Schwangerschaft fortgeführt werden, mit einem Beginn sollte aber bis nach der Stillzeit gewartet werden.

Antiasthmatika

Die Asthmatherapie kann nach dem aktuellen Stufenplan erfolgen. Unter den Betamimetika haben sich Fenoterol, Salbutamol, Reproterol und Terbutalin bewährt. Auch Salmeterol und Formoterol zeigen nur eine geringe systemische Wirkung und dürften die embryonale Entwicklung kaum beeinflussen. Für inhalative Steroide in der Gravidität liegen vor allem Erfahrungen mit Budesonid und Beclometason vor.

Antibiotika

Jede vierte Frau erhält während der Gravidität ein Antibiotikum, meist wegen eines oberen Atemwegsinfekts (z.B. akute Rhinosinusitis, Tonsillitis, Otitis media). Mittel der Wahl sind Penicilline und Cephalosporine, im Fall einer Penicillinallergie können Makrolide angewendet werden. Chinolone kommen als Reservesubstanzen bei entsprechender Resistenzlage in Betracht, gegen eine topische Anwendung (z.B. Ohrentropfen) bestehen keine Einwände. Systemisch verabreichte Tetrazykline (ab der 15. SSW) und Aminoglykoside (z.B. Gentamicin) sind in der Schwangerschaft kontraindiziert.

Antiemetika

Gegen Übelkeit und Erbrechen empfehlen die Autoren primär Hausmittel wie Ingwertee und viele kleine Mahlzeiten. Auch ein Versuch mit Aromatherapie und Akupunktur kann sinnvoll sein. Falls dies nicht anschlägt, ist eine medikamentöse Therapie mit sedierenden Antihistaminika indiziert. Offiziell für Schwangere mit Nausea zugelassen ist in Deutschland bisher nur die Kombination des sedierenden Antihistaminikums Doxylamin mit Pyridoxin. Alternativ können Meclozin (internationale Apotheke) und Dimenhydrinat eingesetzt werden, das Prokinetikum Metoclopramid wegen der extrapyramidalen Nebenwirkungen nur für maximal fünf Tage. In therapierefraktären Fällen kommt nach der 12. SSW eventuell Ondansetron in Betracht.

Weitere Informationen

Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie Universitätsfrauenklinik Ulm
Tel. 0731/500 58655
www.reprotox.de

Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie Charité – Universitätsmedizin Berlin
Tel. 030/450 525700
www.embryotox.de

Antitussiva

Eine besonders starke Hemmung des zerebralen Hustenzentrums erzielt Codein. Das Morphinderivat kann allerdings bei hoch dosierter längerer Einnahme zu neonatalen Entzugssymptomen führen. Wegen des geringeren Suchtpotenzials bei vergleichbarer Wirkung bevorzugen die Autoren in allen Phasen der Gravidität das Derivat Dextrometh­orphan. Die Mukolytika Acetylcystein und Ambroxol können bedenkenlos eingenommen werden.

Mund- und Rachentherapeutika

Desinfizierende Gurgellösungen enthalten Antiseptika wie Benzalkoniumchlorid, die nicht nennenswert resorbiert werden und deshalb in der Schwangerschaft erlaubt sind. Auch gegen Mund- und Rachentherapeutika, die Lokalanästhetika enthalten, und Salzpräparate haben die Autoren keine Bedenken. Für pflanzliche Medikamente auf Basis ätherischer Öle gibt es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Hinweise auf eine fetale Schädigung. In Überdosen können diese jedoch vorzeitige Wehen auslösen.

Rhinologika

Bis zu 40 % der Schwangeren leiden an einer Rhinopathia gravidarum, die die Lebensqualität erheblich mindern kann und eine Otitis media begünstigt. Eine Therapie mit Sympathomimetika (z.B. Xylometazolin) in moderater Dosierung kann auch während der Gravidität erfolgen. Eine gute Alternative bieten topische Steroide. Für pflanzliche Arzneimittel gibt es zwar bisher keine Hinweise auf eine fruchtschädigende Wirkung. Die meisten Präparate wurden aber auch nicht systematisch untersucht. Deshalb raten die Verfasser zu einer strengen Indikationsstellung vor allem im ersten Trimenon.

Quelle: Paulus WE et al. HNO 2022; 70: 239-248; DOI: 10.1007/s00106-021-01144-8

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