Bei Substanzmissbrauch in der Schwangerschaft helfen oft schon Kurzinterventionen

Dr. Elke Ruchalla

Bei den Gesprächen ist Fingerspitzengefühl gefragt, damit man besser zu den Patientinnen durchdringen kann. Bei den Gesprächen ist Fingerspitzengefühl gefragt, damit man besser zu den Patientinnen durchdringen kann. © skif – stock.adobe.com

Etwa jede zehnte Frau raucht oder trinkt, obwohl sie ein Kind erwartet, jede zwanzigste kifft. Mitunter gelingt es bereits mit richtiger Gesprächsführung und intensiverer Betreuung, die werdende Mutter vom Konsum abzuhalten.

Schon beim ersten Gespräch sollen Ärzte Schwangere nachdrücklich zum Thema Alkohol und Tabak befragen, erklären die Psychiaterin Dr. Claire A. Wilson vom Londoner King’s College und Kolleginnen. Das gilt sowohl für den aktuellen Gebrauch als auch für den Konsum in der Vergangenheit. Und bei jeder weiteren vorgeburtlichen Untersuchung stehen diese Fragen aufs Neue an.

Zuvor ist aber zu klären, ob man der werdenden Mutter einige – vielleicht auch unangenehme – Fragen stellen darf. Und es muss für die Frau außer Frage stehen, dass sich diese Erkundigungen keinesfalls gegen sie persönlich richten. Beispielsweise, so schlagen die Autorinnen vor, lässt sich das Gespräch so beginnen: „Ärzte sollen grundsätzlich alle Schwangeren nach dem Gebrauch schädlicher Substanzen fragen. Ist es für Sie in Ordnung, wenn wir jetzt darüber sprechen?“

Ggf. einen Kollegen und die Hebamme mit ins Boot holen

Nun kann man sich erkundigen, was konsumiert wird oder wurde (Alkohol, Zigaretten, Cannabis), wie oft und aus welchem Anlass. Ängs­te können ein Grund sein, sich den Alltag ein bisschen schön zu trinken oder zu rauchen, oder körperlicher oder emotionaler Missbrauch. Bei einem solchen Gespräch kann sich ein spezifischer therapeutischer Ansatzpunkt ergeben.

Nach einem ersten Überblick lässt sich gemeinsam mit der Patientin ein Plan entwicklen, um den Substanzgebrauch einzuschränken oder komplett zu beenden. Kurzinterventionen haben sich vor allem bei Alkoholmissbrauch bewährt. In der Praxis kann das folgendermaßen aussehen:

  • „Was glauben Sie, wie wirkt sich der Alkohol auf die Schwangerschaft und Ihr Kind aus?“ – Daraufhin kann man über die Risiken informieren, ohne die Patientin zu verurteilen oder abzuwerten.
  • „Haben Sie schon einmal daran gedacht, mit dem Trinken aufzuhören?“ – Im besten Fall entwickelt sich daraus ein Gespräch darüber, warum die Schwangere nicht vom Alkohol lassen kann.
  • „Hätten Sie gerne Informationen über Hilfsangebote, die Sie beim Trinkstopp unterstützen?“ – Dann lassen sich Kontakte zu Entzugs­einrichtungen, spezialisierten Hebammen etc. herstellen. Dabei muss klar sein, dass die Entscheidungen über alle Maßnahmen alleine bei der Frau liegen.
  • Am Ende sollte der Arzt Zuversicht vermitteln: Die Patientin muss sich selbst zutrauen, ihre Trinkgewohnheiten ändern zu können. Lang anhaltende Erfolge sind sonst nicht möglich.

Einem solchen Gespräch sollten weitere Termine folgen, oder – falls ein intensiverer Ansatz erforderlich ist – die Überweisung an einen Kollegen. Mit Einverständnis der Patientin lässt sich auch die zuständige Hebamme einbinden, um mit ihr gemeinsam die Gefahren für Mutter und Kind zu mindern.

Häufigste Risikosubstanzen in der Schwangerschaft
Substanz
Gefahr
mögliche Intervention
Tabakprodukte
  • Fehl-, Früh- und Totgeburten, Wachstumsstörungen des Fetus
  • psychologische Raucherentwöhnungstherapien
  • wenn nötig, Nikotinersatzpräparate (Pflaster, Kaugummi etc.), die vermutlich weniger schädlich sind als Zigaretten
  • Bupropion und Vareniclin sind nicht indiziert (auch nicht in der Stillzeit)
Alkohol
  • Frühgeburten, geringes Geburtsgewicht
  • Fehlbildungen, Lern- und Verhaltens­störungen im späteren Leben (fetales Alkoholsyndrom)
  • Entzugssyndrom beim Neugeborenen möglich
  • „sichere“ Alkoholmengen gibt es nicht!
  • bei manifester schwerer Abhängigkeit: kein sofortiger Trinkstopp, da lebensbedrohliche Komplikationen wie Krampfanfälle drohen
  • bei Bedarf: Überweisung an ein Zentrum zur Entgiftung und Entwöhnung
  • Nutzen der Rezidivprophylaxe (Naltrexon, Acamprosat) unklar
Cannabis
  • möglicherweise langfristige neurologische und Verhaltensauffälligkeiten beim Kind
  • bei geringem Konsum: Kurzintervention versuchen
  • bei höheren Dosen: psychosoziale Dienste hinzuziehen
Außer bei Stimulanzien (Kokain, Amphetamine) stellen Abhängigkeiten keine absoluten Kontraindikationen zum Stillen dar.

Die ausführlichen Empfehlungen der WHO zum Umgang mit Abhängigkeiten in der Schwangerschaft stehen im Internet zum kostenfreien Download zur Verfügung. Darin finden sich Vorschläge für Maßnahmen beim Missbrauch von Benzodiazepinen, Opioiden und Stimulanzien.

Quelle: Wilson CA et al. BMJ 2020; 369: m1627; DOI: 10.1136/bmj.m1627

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Bei den Gesprächen ist Fingerspitzengefühl gefragt, damit man besser zu den Patientinnen durchdringen kann. Bei den Gesprächen ist Fingerspitzengefühl gefragt, damit man besser zu den Patientinnen durchdringen kann. © skif – stock.adobe.com