Rolle des ctDNA-Status zur Therapieindividualisierung geprüft

ASCO-GI 2025 Dr. Katharina Arnheim

Forschende untersuchen, ob ein ctDNA-Nachweis postoperative Rezidivrisiken im Kolorektalkarzinom vorhersagen kann. Forschende untersuchen, ob ein ctDNA-Nachweis postoperative Rezidivrisiken im Kolorektalkarzinom vorhersagen kann. © Nadiia – stock.adobe.com

Forschende untersuchen, ob der postoperative Nachweis zirkulierender Tumor-DNA Hinweise auf das spätere Rezidivrisiko eines Kolorektalkarzinoms gibt – und damit auch einen Verzicht oder eine (De)Eskalation der adjuvanten Therapie ermöglicht. Die derzeitige Rolle von ctDNA-Tests im klinischen Alltag wird momentan noch kontrovers beurteilt.

Bereits heute stehen in den USA Tests zum ctDNA-Nachweis zur Verfügung, um eine MRD beim Kolorektalkarzinom (CRC) nach Tumorresektion detektieren zu können. Der Anteil operierter Personen, bei denen ein solcher Test zum Einsatz kam, stieg zwischen 2018 und 2023 auf 18 %, berichtete Prof. Dr. Arvind Dasari, MD Anderson Cancer Center, Houston.1 Für die Durchführbarkeit und den prognostischen Stellenwert des MRD-Nachweises sprechen mehrere Beobachtungsstudien; auch laufen derzeit prospektive Untersuchungen zur Überprüfung ihres klinischen Nutzens. 

„CtDNA-negative und -positive Patient:innen haben eine sehr unterschiedliche Prognose im Hinblick auf ihr Rezidivrisiko“, betonte Prof. Dasari. Japanische und US-amerikanische Studien mit mehr als 4.000 Teilnehmenden weisen darauf hin, dass der MRD-Status eine hohe prognostische Aussagekraft besitzt. So haben MRD-negative Erkrankte unabhängig vom Einsatz einer adjuvanten Chemotherapie mit einer Zwei-Jahresrate für das krankheitsfreie Überleben (DFS) von rund 90 % ein sehr niedriges Rückfallrisiko. Demgegenüber beträgt die DFS-Rate im Falle eines positiven ctDNA-Status selbst bei Durchführung einer adjuvanten Behandlung nur maximal 40 %, ohne eine solche sogar lediglich drei bis 12 %.

In der bereits abgeschlossenen randomisierten DYNAMIC-Studie erwies sich das ctDNA-geleitete Vorgehen bei Teilnehmenden mit einem CRC im Stadium II dem Standardvorgehen als nicht unterlegen: Die Fünf-Jahresrate des rezidivfreien Überlebens erreichte 88,3 % vs. 87,2 %. Dieses Ergebnis wurde erzielt, obwohl Patient:innen im ctDNA-Arm mit 15 % vs. 28 % nur halb so häufig eine adjuvante Therapie erhielten wie die in der Kontrollgruppe. „Bei einem negativen ctDNA-Status könnte Betroffenen also unter Umständen eine überflüssige Therapie erspart bleiben“, betonte  Prof. Dasari.

Zu klären bleibt aber weiterhin, wann die Tests optimalerweise verwendet werden sollten. Ihr Einsatz direkt nach der Operation könnte eine Risikostratifizierung für oder gegen eine adjuvante Therapie ermöglichen. Auch könnte die Kenntnis des ctDNA-Status eventuell eine Eskalation oder Deeskalation der adjuvanten Behandlung erlauben. Bislang unklar ist außerdem der Stellenwert eines seriellen Monitorings im Verlauf einer Adjuvanz, um deren Intensität individuell anzupassen. 

Antworten auf diese Fragen soll u. a. die nordamerikanische Phase-2/3-Studie CIRCULATE liefern, die an rund 1.900 Teilnehmenden mit einem CRC der Stadien IIB/C und III durchgeführt wurde. Patient:innen mit negativem ctDNA-Befund sechs bis acht Wochen nach Tumorresektion werden randomisiert der adjuvanten Therapie mit CAPOX oder FOLFOX oder einer Nachbeobachtung mit serieller ctDNA-Messung zugeteilt. Diejenigen mit positivem Nachweis im Verlauf erhalten dann ebenso wie Personen mit initial positivem ctDNA-Status in randomisierter Zuordnung eine adjuvante Therapie mit CAPOX oder FOLFOX versus FOLFOXIRI. 

Kein Einsatz außerhalb von Studien

Die Leitlinien des National Cancer Center Network (NCCN) zum Kolonkarzinom weisen darauf hin, dass der ctDNA-Status zwar bereits als prognostischer Marker bekannt ist, es aber noch nicht genügend Evidenz für den routinemäßigen Einsatz außerhalb klinischer Studien gibt. Daher wird eine Deeskalation der Behandlung auf Basis dieser Tests bislang nicht empfohlen.

Quelle:
NCCN Guidelines Version 5.2024 Colon Cancer; https://www.nccn.org

ctDNA-Testung in der Nachsorge

Eine weitere Option ist die ctDNA-Bestimmung nach Abschluss der adjuvanten Therapie. So lassen sich subklinische Rezidive bis zu neun Monate vor ihrer tatsächlichen Manifestierung detektieren, informierte Prof. Dasari. Im INTERCEPT-Programm am MD Anderson Cancer Center erhielten Patient:innen, die im Verlauf der Nachbeobachtung ctDNA-positiv wurden, bei denen aber radiologisch noch kein Rezidiv nachweisbar war, verschiedene experimentelle Therapien. Dabei wurde durch Trifluridin/Tipiracil eine vorübergehende ctDNA-Elimination mit verbessertem DFS erzielt und durch eine gegen die Mutation KRASG12D gerichtete Vakzine sogar eine vermutlich anhaltende ctDNA-Clearance erreicht. Damit könnte der ctDNA-basierte MRD-Nachweis als Plattform für die Entwicklung neuer Tumortherapien dienen, so Prof. Dasari. 

Prof. Dr. Kristen K. Ciombor, Vanderbilt-Ingram Center, Nashville, hält die ctDNA-Testung allerdings bislang noch nicht für den routinemäßigen Einsatz im klinischen Alltag geeignet.2 Sie wies darauf hin, dass ctDNA einer Studie zufolge in der präoperativen Situation nur bei 88,5 % aller CRC-Patient:innen nachweisbar war. Selbst nach Beendigung der definitiven Therapie fiel der Test lediglich in 87,5 % aller rezidivierenden Fälle positiv aus. Falsch-negative Befunde bergen jedoch nach Einschätzung von Prof. Ciombor das Risiko, Rezidive nicht frühzeitig genug zu detektieren und somit die Chance zu verpassen, den Tumor noch kurativ zu behandeln. 

Zudem ist davon auszugehen, dass ctDNA-Tests in rund 10 % der Fälle ein falsch-positives Ergebnis liefern. Das löse bei Betroffenen Besorgnis über den weiteren Verlauf aus. Außerdem  müssen sie die Toxizität einer unnötigen Therapie ertragen, deren Kosten darüber hinaus das Gesundheitssystem belasten. Prof. Ciombor gab zudem zu bedenken, dass selbst bei richtig-positivem Testergebnis oftmals keine geeignete Therapie verfügbar ist, um die Prognose entscheidend zu verbessern.

Bevor die ctDNA-Testung auf MRD Eingang in die klinische Versorgung findet, müssen die Technologie weiter verbessert und die Sensitivität der Testung erhöht werden. Erforderlich sind außerdem kostengünstigere Verfahren, um diese breiter einsetzen zu können, und eine kürzere Turn-around-Zeit, so das Resümee von Prof. Ciombor. 

Quellen:
1. Dasari A. ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2025; Vortrag „Blood-Based Testing for Surveillance for Colorectal Cancer Is Ready for the Clinic“
2. Ciombor KK. ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2025; Vortrag „Blood-Based Testing for Surveillance for Colorectal Cancer Is Not Ready for the Clinic“

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Forschende untersuchen, ob ein ctDNA-Nachweis postoperative Rezidivrisiken im Kolorektalkarzinom vorhersagen kann. Forschende untersuchen, ob ein ctDNA-Nachweis postoperative Rezidivrisiken im Kolorektalkarzinom vorhersagen kann. © Nadiia – stock.adobe.com