Schlapp, atemlos, hustengeplagt

ERS 2023 Manuela Arand

Atemnot macht Angst, und das zu Recht. Denn je stärker die Dyspnoe, desto reduzierter die Lebenserwartung. Atemnot macht Angst, und das zu Recht. Denn je stärker die Dyspnoe, desto reduzierter die Lebenserwartung. © peopleimages.com - stock.adobe.com

Patienten mit interstitiellen Lungenerkrankungen und ihre Ärzte haben häufig mit belastenden Begleiterscheinungen wie Dyspnoe, Husten und Fatigue zu kämpfen. Obwohl es kaum evidenzbasierte Optionen gibt, lassen sie sich oft zufriedenstellend managen. 

Dyspnoe gilt mit einer Prävalenz von über 80 % noch vor Husten als das häufigste Symptom bei ILD. „Aber sie ist nicht nur häufig, sondern auch enorm belastend für die Patienten, die sich jeden einzelnen Tag damit auseinandersetzen müssen“, betonte Prof. Dr. ­Yet ­Khor, Monash University, Melbourne. Atemnot macht Angst, und das zu Recht. Denn je stärker die Dyspnoe, desto reduzierter die Lebenserwartung. Es gibt keinen objektiven Test, mit dem sich Dyspnoe messen lässt, aber die fünfstufige Skala des mMRC (modified Medical Research Council) gibt einen guten ersten Eindruck.

Um das Problem adäquat managen zu können, ist es wichtig, die zentralen Mechanismen bei der Dia­gnostik zu berücksichtigen: veränderte Atemmechanik aufgrund des fibrotischen Umbaus der Lunge, gestörter Gasaustausch, Störungen der pulmonalen Zirkulation sowie Dysfunktion der peripheren Muskulatur entweder durch die Krankheit selbst bedingt oder durch Medikamente wie systemische Steroide. Zweifellos müssen die ILD selbst und akute Trigger wie Lungenödem oder -embolie konsequent angegangen werden. Bei vielen Patienten bleibt aber auch dann eine relevante Atemnot. 

Die Studienlage zum Dyspnoemanagement bei ILD ist dünn. Der pulmonalen Rehabilitation kommt ohne Frage eine zentrale Bedeutung zu, so Prof. Khor. Ein Cochrane-Review, in das ein gutes Dutzend randomisierte kontrollierte Studien (RCT) eingeflossen ist, zeigt Effekte auf die Sechs-Minuten-Gehstrecke (6MWD) sowohl kurz- als auch langfristig über bis zu elf Monate, eine Zunahme der körperlichen Leis­tungsfähigkeit und einen messbaren Rückgang der Atemnot.1 Empfehlenswert trotz schwacher Datenbasis sind sicher kleine Handventilatoren, wie sie auch bei anderen Dyspnoeformen zum Einsatz kommen. „Sie sind einfach zu handhaben, absolut sicher in der Anwendung und kosten nicht viel, können die Atemnot lindern und werden von Patienten als symptombessernd empfunden“, resümierte die australische Pneumologin. Portable Sauerstoffgeräte reduzieren die Dyspnoe bei Hypoxie, steigern Lebensqualität und Gehfähigkeit, wie die offene Crossover-Studie AmbOx zeigt.2 Auf medikamentöser Seite stehen Opioide im Fokus. Ein systematisches Review von 14 Studien krankt daran, dass gemischte ILD- und COPD-Populationen untersucht wurden. Von insgesamt 311 Patienten hatten nur 32 tatsächlich eine ILD.3 Die Ergebnisse sind ebenso heterogen wie die eingeschlossenen Studien, sodass von einer validen Evidenz keine Rede sein kann. Die einzige reine ILD-RCT konnte keinen Effekt zeigen, war aber mit 36 Patienten und einer Woche Laufzeit stark unterpowert.4 Dennoch werden Opioide bei ILD breit eingesetzt, um Atemnot zu lindern.

Husten bei fibrotischen ILD basiert auf einem komplexen Ursachengemisch. Dazu zählen Inflammation, mechanische Belastung, vermehrter Mukus sowie neuronale Veränderungen im Sinne einer Hypersensitivität und eines veränderten Profils neurotropher Faktoren, das nur in Teilen verstanden ist, erklärte Dr. ­Zhe ­Wu, Imperial College London. Bei den Patienten finden sich überdurchschnittlich häufig Hiatushernien und Reflux. Doch ist es schwierig, einen kausalen Zusammenhang mit dem Husten nachzuweisen – zumal Refluxepisoden und Hustenattacken oft nicht synchron verlaufen. Andere hustenträchtige Begleiterkrankungen wie Asthma, COPD oder Schlafapnoe kommen ebenfalls gehäuft vor, sodass die Gemengelage oft nur schwer zu durchschauen ist.

Patienten mit fibrotischer ILD hus­ten fast nur tagsüber. „Das spricht dafür, dass bei diesen Patienten nachts zentrale hustensuppressive Mechanismen aktiv werden“, meinte der britische Kollege. Er warnte davor, Husten als lästiges, aber letztlich banales Symptom abzutun: In einer Kohorte von 242 Patienten mit interstitieller Lungenfibrose hatten die Hustengeplagten ein 5-fach erhöhtes Risiko, innerhalb von sechs Monaten 10 % FEV1 oder 15 % DLCO einzubüßen, transplantiert werden zu müssen oder zu sterben.5 Außerdem zeigen Longitudinaldaten der britischen PROFILE-Kohorte, dass Husten nicht einfach verschwindet, wenn man nichts dagegen tut. Im Gegenteil: Frequenz und Schwere der Attacken bleiben bei den meisten Patienten über die Zeit sehr stabil. „Wie oft sehen wir Patienten mit schwerem Husten in der Praxis und sagen ihnen: Machen Sie sich keine Sorgen, das gibt sich schon wieder – wir sehen uns in sechs Monaten wieder?“, so Dr. Wu. „Das sollten wir nicht tun!“

Also behandeln, aber wie? Kodein ist wahrscheinlich die erste Option für die meisten Kollegen, v.a. wegen des vergleichsweise blanden Nebenwirkungsprofils. Natriumcromoglycinsäure hat in Studien nicht gut abgeschnitten. Auch die Daten zu dem kürzlich für refraktären chronischen Husten zugelassenen P2X3-Inhibitor Gefapixant sind bisher nicht überzeugend. Vor Kurzem wurde eine kleine placebokontrollierte Studie mit retardiertem Nalbuphin publiziert, die zwar eine 50%ige Reduktion der Hustenfrequenz zeigte, aber von jedem dritten Teilnehmer der Verumgruppe vorzeitig beendet wurde.6 Dr. Wu selbst hat die Cross-over-Studie PAciFY Cough mit Morphinsulfat (5 mg/d) geleitet, das gut vertragen wurde und die Hus­tenfrequenz am Tag um fast 40 % reduzierte.7 Ob MST eine langfristige Option ist, muss sich zeigen – in der Studie dauerten die Behandlungsphasen nur zwei Wochen. Offen ist auch, ob eine erfolgreiche Hustentherapie die Prognose verbessern kann.

Fatigue komplettiert das Trio der unspezifischen, doch besonders belastenden Begleiterscheinungen von ILD. Ein Problem besteht laut Dr. ­Karen ­Moor vom Erasmus Medical Center Rotterdam darin, dass Fatigue anders als Atemnot und Hus­ten ein „unsichtbares“ Symptom ist, das man dem Patienten nicht automatisch anmerkt und über das Patienten oft nicht berichten. Das erklärt, warum in manchen Studien 90 % der Kranken sich selbst, aber nur 30 % der Ärzte den Patienten als betroffen einstufen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie ergab, dass weder Lungenfunktions- und DLCO-Parameter noch körperliche Belastbarkeit (6MWD) mit dem Schweregrad der Fatigue korrelieren.8 Lediglich beim Sauerstoffbedarf ergab sich eine gute Korrelation. Die Diagnostik stützt sich vor allem auf die Anamnese, ggf. unterstützt durch Labortests und Polysomnografie

Komorbiditäten mit Müdigkeitseffekt wie Schlafapnoe oder Hypothyreose gehören behandelt. Doch gibt es keine Garantie, dass dies die Fatigue bessert – das sollte der Patient vorher wissen.9 Reha und Physio­therapie sind wichtig und bessern die Fatigue mindestens ebenso effektiv wie Lebensqualität, Belastbarkeit, Angst und Depression. Das bestätigt das oben genannte Cochrane-­Review.1 „Es wirkt, ist aber möglicherweise nicht für alle Patienten zugänglich oder machbar“, so Dr. Moor. Ihre Rotterdamer Arbeitsgruppe hat außerdem gute Erfahrungen mit einer online geführten kognitiven Verhaltenstherapie gemacht, die sie an knapp 100 Patienten mit Sarkoidose und schwerer Fatigue erprobte.10 Binnen zwölf Wochen besserte sich die Symptomatik erheblich, und der Effekt hielt mehrere Monate an. Letztlich wird die Therapie ebenso multifaktoriell sein müssen wie die Pathogenese, meinte Dr. Moor. Sie sieht den Schlüssel zum Erfolg in der Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen, „denn Fatigue ist nicht nur ein Problem der ILD“.

Quellen:
ERS* Congress 2023
1 Dowman L et al. Cochrane Database Syst Rev 2021; 2: CD006322; DOI: 10.1002/14651858.CD006322.pub4
2 Visca D et al. Lancet Respir Med 2018; 6: 759-770; DOI: 10.1016/S2213-2600(18)30289-3
3 Kohberg C et al. Eur Clin Respir J 2016; 3: 30629; DOI: 10.3402/ecrj.v3.30629
4 Kronborg-White S et al. Respir Res 2020; 21: 195; DOI: 10.1186/s12931-020-01452-7
5 Ryerson CJ et al. Respirology 2011; 16: 969- 975; DOI: 10.1111/j.1440-1843.2011.01996.x
6 Maher TM et al. N Engl J Evid 2023;  DOI: 10.1056/EVIDoa2300083
7 Wu Z et al. Trials 2022; 23: 184;  DOI: 10.1186/s13063-022-06068-4
8 Aronson KI et al. Am J Respir Crit Care Med  2023; 208: 188-195; DOI: 10.1164/rccm.202208-1504OC
9 Kahlmann V et al. Chest 2020; 158: 2026- 2033; DOI: 10.1016/j.chest.2020.04.047
10 Kahlmann V et al. Lancet Respir Med 2023; 11: 265-272; DOI: 10.1016/S2213-2600(22)00387-3

*     European Respiratory Society

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