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Schweißdrüsen den Saft abdrehen

Eine Hyperhidrose entsteht auf zwei Arten: primär oder sekundär. Sekundäre Formen stehen in Verbindung z.B. mit endokrinen oder neurologischen Erkrankungen. Zur primären Hyperhidrose führen hyperaktive Schweißdrüsen bei ansonsten gesunden Menschen, vermutlich bei entsprechender genetischer Prädisposition. Wissenschaftler aus China zeigten kürzlich, dass eine Überexpression von ITGB6 in die Pathogenese der primären Hyperhidrose involviert zu sein scheint.1
Eine primäre Hyperhidrose ist wahrscheinlich, wenn
- nachts oder während des Schlafens keine Symptome bestehen,
- eine positive Familienanamnese vorliegt,
- das Schwitzen die Alltagsaktivitäten beeinträchtigt,
- die Episoden vor dem 25. Lebensjahr erstmals aufgetreten sind,
- es mindestens einmal wöchentlich zu einer Episode kommt,
- der Patient auf beiden Körperseiten ähnlich stark schwitzt.
Außerdem sollten die Beschwerden seit mindestens einem halben Jahr ohne offensichtlichen anderen Grund auftreten. Caroline Fenton und Connie Kang haben die derzeit gängigen Therapien aus der internationalen Literatur zusammengetragen und einen Therapiealgorithmus erstellt.
Wie randomisierte kontrollierte Studien belegen, lässt sich den meisten Patienten vor allem bei milder Symptomatik sehr gut mit lokal zu applizierenden Medikamenten helfen. Die größte Evidenz liegt für topisches Aluminiumchlorid (TAC) vor, das auch in vielen kommerziellen Antitranspiranzien enthalten ist. Es blockiert das distale Ende der Schweißdrüsen. Des Weiteren wurde in Deutschland z.B. Glycopyrroniumbromid für die Hyperhidrose zugelassen. Es liegen auch vielversprechende Studiendaten zum topischen Off-Label-Einsatz einer Onabotulinumtoxin-A-Creme oder von Oxybutinin-Gel vor.
Minimalinvasive Verfahren je nach Lokalisation wählen
Neben Topika gibt es minimalinvasive dermatologische Verfahren. Bei deren Auswahl spielen Schweregrad und spezifische Lokalisation der Hyperhidrose (Gesicht, Hände, Achsel etc.) eine Rolle.
Die Iontophorese mit oder ohne Wirkstoffgabe eignet sich z.B. für Patienten mit plantarer oder palmarer Hyperhidrose. Ihr Stellenwert bei der axillären Form ist vernachlässigbar, für sie hat man deutlich bessere Alternativen.
Einteilung der Hyperhidrose über die Hyperhidrosis Disease Severity Scale (HDSS)
1: Das Schwitzen wird nicht bemerkt und schränkt den Betroffenen im Alltag nicht ein.
2: Das Schwitzen lässt sich aushalten und schränkt den Betroffenen im Alltag manchmal ein.
3: Das Schwitzen ist kaum auszuhalten und schränkt den Betroffenen im Alltag häufig ein.
4: Das Schwitzen ist nicht tolerierbar und schränkt den Patienten im Alltag immer ein.
Botulinumtoxine erzielen den schweißreduzierenden Effekt dadurch, dass es, intradermal injiziert, die Ausschüttung von Acetylcholin blockiert. Dies verhindert, dass die Schweißdrüsen überhaupt einen Stimulus erhalten. Die Behandlung zeigte insbesondere in Studien zur kraniofazialen Hyperhidrose eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität gegenüber Placebo. Der Dermatology Life Quality Index (0–30) sank um neun Punkte, in der Placebogruppe stieg er dagegen um zwei.
Laser, Radiofrequenzablation und Mikrowellentherapie gehen den Schweißdrüsen direkt an den Kragen. Die Studienlage zu diesen Verfahren bezieht sich primär auf die axilläre Hyerhidrose. Da man die Drüsen weglasert bzw. thermolysiert, können die Sitzungen recht schmerzhaft sein und sollten unter Lokalanästhesie erfolgen.
Eine situationsbezogene Off-Label-Option bieten intermittierende orale Systemtherapien z.B. mit Anticholinergika. Für einen kontinuierlichen Einsatz sind sie aufgrund der Nebenwirkungen allerdings weniger gut geeignet.
Wie sieht der aus den Literaturdaten erstellte Algorithmus im Detail aus? Einem Patient mit kraniofazialer Hyperhidrose würde man eine Therapie mit Botulinumtoxin-Injektionen, TAC oder oralen Medikamenten anbieten und bei Nichtansprechen zwischen den Ansätzen wechseln. Führt das nicht zum Erfolg und weist der Patient einen Wert von 3 bis 4 auf der Hyperhidrosis Disease Severity Scale (HDSS) auf, bleibt die Möglichkeit der endoskopischen thorakalen Sympathektomie.
Die milde (HDSS 2) axilläre Hyperhidrose wird zunächst topisch behandelt (z.B. TAC 10-20 %), bei Nichtansprechen kommt ein Botulinumtoxin (BTX) ins Spiel. Hilft das nicht weiter, bleiben Systemtherapie oder lokale OP wie die Schweißdrüsenkürettage. Bei HDSS 3–4 nutzt man von Anfang an höher konzentrierte Topika, wechselt bei Nichtansprechen oder weicht auf BTX aus.
Bleiben Monotherapien erfolglos, werden BTX und Topika kombiniert. Auch bei der schweren Variante stehen zuletzt die Systemtherapie oder ein lokaler Eingriff. Bei leichten Formen der palmaren/plantaren Hyperhidrose beginnt man laut vorgeschlagenem Algorithmus ebenfalls topisch und wechselt bei ausbleibendem Erfolg auf BTX oder Iontophorese. Diese Verfahren lassen sich auch mit Topika kombinieren.
Gangliendurchtrennung gilt als letzte Option
Eine schwerere plantare oder palmare Hyperhidrose erfordert höher dosierte Topika (TAC 20–50 %), Iontophorese oder BTX. Je nach Wirkung bleibt man bei der Therapie oder wechselt auf eine Systemtherapie. Die endoskopischen thorakalen Sympathektomie gilt sowohl bei axillärer oder palmarer Hyperhidrose als letzte Option. Die plantare Form lässt sich nur über einen lumbalen Zugang adressieren.
1 Lin J-B et al. 2023 Adv Clin Exp Med; DOI: 10.17219/acem/162178
Quelle: Fenton C, Kang C, Drugs & Therapy Perspectives; 2023; DOI: 10.1007/s40267-023-00996-0
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