Spritzen statt schwitzen?

Dr. Susanne Gallus

Hyperhidrose kann auch mit Botulinumtoxin behandelt werden. Hyperhidrose kann auch mit Botulinumtoxin behandelt werden. © Nina-Gorsha – stock.adobe.com

Starkes Schwitzen bringt Patienten zwar nicht in Lebensgefahr, aber in viele unangenehme Situationen. Dabei ließe sich den Betroffenen gut helfen, z.B. mit Antitranspirant oder Botu­linumtoxin.

Es ist normal zu schwitzen, wenn man Sport macht oder es heiß ist. Als Hyperhidrose werden dagegen Zustände zusammengefasst, bei denen die Transpiration in keinem Verhältnis mehr zu dem gewollten körperkühlenden Effekt steht. Der Übergang zwischen dem pathologischem und physiologischem Zustand verschwimmt allerdings. Man schwitzt oft auch, wenn man gestresst ist, erklärte Dr. Hans-Joachim Laubach von der Abteilung Dermatologie und Venerologie der Universitätskliniken Genf.

Wichtig sei die Unterscheidung zwischen primärer und sekundä­rer Hyperhidrose. Differenziert wird, ob das verstärkte Schwitzen als Folge einer genetischen Prädisposition auftritt oder – insbesondere bei älteren Patienten – mit einer anderen Erkrankung zusammenhängt. 

Eine generelle Hyperhidrose behandelt man systemsich (primäre generelle Hyperhidrose) bzw. falls vorhanden, über die verursachende Grund­erkrankung (sekundäre generelle Hyperhidrose). Anders sieht es bei fokalen Varianten aus. Für die axillare und palmoplantare Hyperhidrose sowie bei Manifes­tationen im Gesicht bieten sich lokale Therapien an. Dazu gehören u.a. die fest etablierten Antitranspiranzien (Achsel), die Iontophorese (palmoplantar) und Botulinumtoxin.

Die Idee, das Nervengift bei Hyperhidrose anzuwenden, kam bereits 1996 auf. Im Laufe der Jahre hat sich immer mehr Evidenz zur Wirksamkeit angesammelt. Das Toxin wird doppelt so stark verdünnt wie bei den ästhetischen Gesichtsbehandlungen. Welchen Bereich man therapiert, unterscheidet sich von Patient zu Patient. Die infrage kommende Fläche wird vorab über einen Jod-Stärke-Test definiert. Dieser zeigt genau an, wo der Patient schwitzt. Der Test kann auch nach der Therapie zur Kontrolle erfolgen, berichtete Dr. Laubach, z.B. falls der Patient weiterhin über Schwitzen klagt.

Indikation Prothese

Botulinumtoxin hat auch seinen Stellenwert bei Patienten mit z.B. Beinprothesen. Diese Menschen leiden zwar nicht an einer übermäßigen Schweißproduktion. Allerdings sitzt eine Prothese in der Regel sehr dicht abschließend auf der Haut. Schwitzen unter der Prothese kann zu Mazeration und in der Folge zu Wundscheuern oder Druckstellen führen.

Areal mit 1 cm großen Kreisen ausfüllen

Das betroffene Areal wird mit einem Marker grob umrandet und dann mit runden, etwa 1 cm großen Kreisen ausgefüllt. In die Mitte der Kreise injiziert man das Botulinumtoxin. Der Vorteil dieses Vorgehens ist, dass man so gleichmäßig die ganze Fläche abdeckt. Gleichzeitig vermeidet man, in die Markierung zu stechen, wodurch Farbpartikel mit der Nadel in die Haut gelangen können, betonte der Referent. Er empfiehlt zudem, von unten nach oben zu arbeiten, damit, falls es zu Blutungen kommt, das Blut nicht bei der weiteren Behandlung stört.

Die Nadel sticht man in einem 45°-Winkel etwa 1–2 mm in die Haut ein und injiziert ca. 0,1 ml (z.B. 2U Botox®/Xeomin® oder 6,3U Dysport®) pro Injektionspunkt direkt unter die Dermis, führte Dr. Laubach weiter aus. Er selbst lege sich nicht so auf die absolute Einstichtiefe fest: „Ich stoppe, sobald ich die Dermis penetriert habe. Und das kann man spüren, weil der Widerstand durch das Kollagen nachlässt.“ Ist man zu tief, muss die Nadel wieder ein Stück zurückgezogen werden, da das Toxin nur wirkt, wenn es auch auf Höhe der Schweißdrüsen injiziert wird. 

Generell lässt sich Botulinumtoxin überall einsetzen, wo sich Schweißdrüsen befinden. Im Idealfall sollte das Behandlungsareal allerdings nicht zu großflächig sein, z.B. nicht die gesamte Brustpartie einschließen. Bei Patienten, die stark an der Stirn schwitzen (z.B. post­menopausale Frauen), muss man darauf achten, auch ein bisschen den Haaransatz mit einzubeziehen, da die Betroffenen auch dort schwitzen, riet Dr. Laubach. Er verwendet im Gesicht immer eine 34G-Nadel, dadurch haben die Patienten weniger Schmerzen. Man muss allerdings im Gesicht unbedingt darauf achten, oberflächlich zu bleiben. 

Schwitzen beim Kauen abstellen

Auch Patienten mit Frey-Syndrom kann man mit Botulinumtoxin helfen. Diese Patienten fangen durch eine fehlerhafte Regeneration von parasympathischen und sympathischen Nerven z.B. nach einer Parotidektomie an, beim Essen oder Kauen stark zu schwitzen. Das liegt daran, dass die Nerven, die ursprünglich den Speichelfluss steuerten, nun die Schweißdrüsen im Bereich von Kiefer und Ohr innervieren. In der Folge fließt beim Essen nicht der Speichel, sondern es rinnt der Schweiß.

In Non-Touch-Regionen das Toxin noch stärker verdünnen

Injiziert man den Wirkstoff als gut sichbare intradermale Papeln, minimiert dies das Risiko, zu tief zu spritzen. Insbesondere in den „Non-Touch“-Regionen könnte man sonst die Muskeln und damit die Gesichtsmimik beeinträchtigen. Dieses Risiko lässt sich weiter verringern, indem man in diesen Bereichen das Toxin deutlich stärker verdünnt und z.B. statt 2 U nur 0,5 U injiziert.

Palmare und axillare Injektionen sind sehr schmerzhaft. Um diese Schmerzen zu reduzieren, empfehlen manche Kollegen die Verwendung konservierter Kochsalzlösung. Andere setzen an der Hand einen Nervenblock oder betäuben die Areale mit Lidocain/Prilocain-Salben bzw. Lokalanästhetika zum Sprühen. Dr. Laubach schwört allerdings auf die Kryoanästhesie (nach Kreyden), bei der kurz vor jeder Injektion von einem Assistenten die Einstichstelle mit einem Kryospray vereist wird.

An Händen und Füßen bietet es sich zusätzlich an, dem Botulinumtoxin eine Iontophorese voranzustellen, da man in diesem Areal nur eine minimale Menge Toxin einsetzen möchte. „Das große Problem vor allem bei den Händen ist, dass das Toxin in die Muskulatur diffundiert [...] und die Patienten dann für mehrere Wochen Probleme mit der Bewegung haben“, gab Dr. Laubach zu bedenken. Bei Patienten, die sich z.B. keine motorischen Nebenwirkungen leisten können, sei auch ein Laser-assisted Drug Delivery möglich. Dabei bereitet man die Handfläche mit einem fraktionierten CO2-Laser (unter Lokalanästhesie) vor und massiert danach die Botulinumtoxinlösung ein.

Insgesamt bleibe die Hyperhidrose weiterhin ein außerordentlich schlecht untersuchtes Feld, schloss Dr. Laubach. Es fehlen definitiv Daten. Dabei stehe fest, dass man mit einer Behandlung den Patienten deutlich helfen könne. 

Kongressbericht: 31st EADV Congress

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Hyperhidrose kann auch mit Botulinumtoxin behandelt werden. Hyperhidrose kann auch mit Botulinumtoxin behandelt werden. © Nina-Gorsha – stock.adobe.com