Schwelende Schwindsucht

Dr. Angelika Bischoff

Rechts im Bild: Mycobacterium tuberculosis (kolorierte Aufnahme mittels Transmissions-Elektronen-Mikroskopie). Rechts im Bild: Mycobacterium tuberculosis (kolorierte Aufnahme mittels Transmissions-Elektronen-Mikroskopie). © iStock/Dr_Microbe; Science Photo Library/CNRI

In 5–15 % der Fälle geht eine latente Tuberkulose irgendwann in ein aktives Stadium über. Dies zu verhindern, ist sowohl für den Einzelnen als auch im Hinblick auf die Gesundheit der Bevölkerung ein wichtiges medizinisches Ziel.

Die latente Tuberkulose ist ein symptomfreier Dauerzustand, in dem das Immunsystem den Erreger Mycobacterium tuberculosis kontrolliert. Die replikative Aktivität des Bakteriums bleibt in dieser Situation unter der Nachweisgrenze. Um das Fortschreiten einer unerkannten latenten Tuberkulose zur manifesten Infektion zu verhindern, sollten sich generell alle Erwachsenen und Kinder einmalig einem Screening unterziehen, so Dr. Maunank Shah und Dr. Susan Dorman von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore. Dabei müssen das Expositionsrisiko abgeklärt und biologische Risikofaktoren erfasst werden, die eine Progression fördern könnten.

Immunschwache besonders gefährdet

Ein Expositionsrisiko besteht für Menschen mit längerem Aufenthalt in Hochinzidenzgebieten oder entsprechender Herkunft sowie bei engem Kontakt mit einer infizierten Person. Akut ist die Gefahr vor allem dann, wenn dieser Kontakt weniger als zwei Jahre zurückliegt. Das Progressionsrisiko hängt in der Hauptsache von der Immunkompetenz ab, weshalb immunschwache Personen besonders gefährdet sind.

Je nach Ergebnis des Screenings raten die Autoren zu folgender Vorgehensweise: Asymptomatische Personen ohne epidemiologische oder biologische Risikofaktoren benötigen keine weitere Betreuung. Deckt das Screening ein erhöhtes Risiko auf, sollte ein Test gemacht werden, der den Erreger allerdings zwangsläufig nur indirekt nachweisen kann. Die zwei zur Verfügung stehenden Verfahren beruhen auf einer zellvermittelten Immunantwort nach Stimulation mit dem M.-tuberculosis-Antigen. Eine höhere Spezifität als der klassische Tuberkulin-Hauttest hat der in-vitro Gamma-Interferon-Test. Da er zudem unabhängig von einer früheren BCG-Impfung zuverlässige Ergebnisse liefert, gilt er als die bessere Wahl.

Bei positiv getesteten Personen sollte nach Anzeichen für eine Tuberkulose gefahndet werden. Neben der körperlicher Untersuchung und einem Röntgen-Thorax empfehlen Dr. Shah und Dr. Dorman einen HIV-Test.

Patienten mit latenter Tuberkuloseinfektion und einem erhöhten Risiko für eine Progression zur manifesten Erkrankung sollte eine tuberkulostatische Therapie angeboten werden. State of the Art sind heute rifamycinhaltige Kombinationen. Diese haben sich gegenüber der Isoniazid-Monotherapie als wirksamer und weniger hepatotoxisch erwiesen. Außerdem ist aufgrund der kürzeren Einnahmedauer eine größere Therapietreue zu erwarten.

Zur Wahl stehen insbesondere drei Regimes:

  • 1x/Woche Rifapentin (900 mg bei ≥ 50 kgKG, 750 mg bei < 50 kgKG) plus Isoniazid (15 mg/kgKG, max. 900 mg) für drei Monate
  • 1x/Tag Rifampin (10 mg/kgKG, max. 600 mg) für vier Monate
  • 1x/Tag Isoniazid (5 mg/kgKG, max. 300 mg) plus Rifampin (10 mg/kgKG, max. 600 mg) für drei Monate

Als Alternative zu den obigen Schemata kommt nach wie vor die deutlich längere Monotherapie mit Isoniazid in Betracht (1x/d 5 mg/kgKG, max. 300 mg, über sechs bis neun Monate).

Leberwerte während der Therapie im Blick behalten

Bei der Wahl der Medikation muss neben Komorbiditäten v.a. das Risiko für hepatotoxische Effekte (z.B. Virushepatitis, Lebererkrankung, regelmäßiger Alkoholkonsum) berücksichtigt werden. Während der Therapie sollten monatliche Kontrollen erfolgen, um Nebenwirkungen, klinische Symptome und Adhärenz zu erfassen. Bei Anzeichen für Hepatotoxizität, Hypersensitivität oder ein erhöhtes Blutungsrisiko empfiehlt sich eine Blutuntersuchung inklusive Leberwerte.

Wünschenswert wären deutlich kürzere Therapieregimes. Erste Studien sprechen dafür, dass z.B. die tägliche Einnahme von Rifapentin plus Isoniazid über nur einen Monat von der Wirksamkeit her mit den Standardschemata mithalten kann. Für eine Empfehlung reichen die Daten bislang aber noch nicht aus, betonen die Autoren.

Quelle: Shah M, Dorman SE. N Engl J Med 2021; 385: 2271-2280; DOI: 10.1056/NEJMcp2108501

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Rechts im Bild: Mycobacterium tuberculosis (kolorierte Aufnahme mittels Transmissions-Elektronen-Mikroskopie). Rechts im Bild: Mycobacterium tuberculosis (kolorierte Aufnahme mittels Transmissions-Elektronen-Mikroskopie). © iStock/Dr_Microbe; Science Photo Library/CNRI