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Screening beschwerdefreier Low-Risk-Patienten bringt keinen Nutzen
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Stenose erhält einen falsch positiven Befund beim Stresstest."
Drei Fragen stellen sich bei einem asymptomatischen Patienten mit positivem Stresstest, meint Professor Dr. Udo Sechtem, ehem. Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart:
- Hätte dieser Patient überhaupt einen Stresstest gebraucht?
- Was bedeutet ein positiver Stresstest bei einem asymptomatischen Patienten? Und:
- Was empfehlen die Leitlinien in dieser Situation?
Hätte dieser Patient überhaupt einen Stresstest gebraucht?
Diese Frage lässt sich relativ eindeutig mit Nein beantworten. Keine der nationalen und internationalen Fachgesellschaften empfiehlt ein Belastungs-EKG als Screeninginstrument für Patienten in der Primärprävention, es sei denn, sie klagen über Symptome oder zeigen ein Risikoprofil, das sie als besonders gefährdet ausweist. Die europäische Leitlinie beispielsweise formuliert zurückhaltend, ein Assessment könne erwogen werden bei Männern über 40 und Frauen über 50 ohne bekannte Risikofaktoren. „Der Grund ist ganz einfach: Wir haben keinerlei Beweis dafür, dass das Outcome besser wird, wenn wir systematisch screenen“, betonte Prof. Sechtem. „Fokussieren Sie sich auf Hochrisikopatienten.“
CAC-Score aussagekräftiger als Zahl der Risikofaktoren
Dann können auch Bildgebungsverfahren zum Zug kommen wie der Kalziumscan der Koronarien und der Karotisultraschall zum Plaquenachweis. Den Knöchel-Arm-Index, der ebenfalls eine IIb-Empfehlung bekommen hat, hält Prof. Sechtem dagegen „bei den meisten Patienten für ziemlich nutzlos“. Für den Coronary Artery Calcium (CAC) Score brach er dagegen eine Lanze: Eine Studie hat nämlich gezeigt, dass er besser mit dem kardiovaskulären Risiko korreliert als die Zahl der Risikofaktoren.1 Ein Wert über 300 ging unabhängig vom sonstigen Profil mit einem enorm hohen Risiko einher, während Patienten mit einem CAC-Score von null selbst dann eine gute Prognose hatten, wenn sie drei relevante Risikofaktoren mitbrachten.
Was bedeutet ein positiver Stresstest bei einem asymptomatischen Patienten?
Eine US-Leitlinie von 2012 – seither nicht aktualisiert, weil es keine neuen Daten gibt – rät zum Belastungstest erst ab intermediärem Risiko. Vor allem solle man sich nicht auf die ST-Strecke konzentrieren, sondern auf Parameter wie körperliche Leistungsfähigkeit, Extrasystolen nach Belastung und Frequenzverlauf. Das Stressecho gilt bei asymptomatischen Patienten als ebenso wenig indiziert wie die Stress-Perfusionsszintigraphie.
Familienanamnese auffällig? Ab zum Stresstest!
Was der positive Stresstest bei asymptomatischen Patienten bedeutet, lässt sich nicht pauschal beantworten. Das hängt von der Prätestwahrscheinlichkeit im Einzelfall ab:
- Eine 50-jährige Frau ohne Symptome hat mit 3%iger Wahrscheinlichkeit eine relevante Koronarstenose. Von 1000 Frauen werden also 30 eine Stenose haben. Aber nur bei 15 ist der Stresstest positiv, denn die Sensitivität des Stress-EKGs beträgt gerade mal 50 %.
- Von den 970 ohne Stenose erhalten 97 einen falsch positiven Befund (Spezifität 90 %). Und jetzt kommt’s:
- Die Posttestwahrscheinlichkeit, dass bei den insgesamt 112 positiven Befunden wirklich eine Stenose vorliegt, beträgt nur 13 %. „Das hilft nun wirklich nicht weiter“, erklärte der Kardiologe.
Natürlich gibt es Situationen, in denen auch asymptomatische Patienten untersucht gehören. Ein Patient etwa, in dessen Familie mehrfach vorzeitige Infarkte und plötzliche Herztode vorgekommen sind, muss zum Stresstest. Selbst wenn der keine Stenosen ausweist, können unter Belastung klinisch stumme Vasospasmen die Myokardperfusion stören. Das begründet die Indikation zur antianginösen und sekundärpräventiven Therapie.
Was empfehlen die Leitlinien in dieser Situation?
Und was ist zu tun angesichts des Zufallsbefundes beim asymptomatischen Durchschnittspatienten? Der sollte behandelt werden wie einer mit stabiler Angina pectoris. D.h., erst mal das individuelle Risiko ermitteln, etwa mit dem SCORE der ESC und bei niedrigem bis moderatem Risiko einen Versuch mit optimaler medikamentöser Therapie starten. Bei hohem Risiko braucht man die Angiographie. Ist der Patient stenosefrei und bleibt er asymptomatisch, sind weitere Maßnahmen nicht angezeigt.
Quellen:
ESC (European Society of Cardiology) Congress 2018
1. Silverman MG et al. Eur Heart J 2014; 35: 2232-2241
2. Greenland P et al. JACC 2010; 56: e50-e103
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