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Selbstverletzendes Verhalten erfordert neben Aufmerksamkeit auch Empathie

Mit selbstverletzendem Verhalten müssen auch Sie jederzeit rechnen. Bei Jugendlichen erreicht die Prävalenz etwa 17 % und auch 1,4 bis 4 % der Erwachsenen fügen sich selbst Schaden zu. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer – mit Ausnahme der Simulanten, die sich gezielt einen Vorteil von der Schädigung erhoffen, schreibt Dr. Gabriele Rapp von der Hautklinik Bad Cannstatt in Stuttgart.
Selbstverletzendes Verhalten ist keine eigenständige Entität, sondern kommt im Rahmen zahlreicher psychischer Erkrankungen vor. Dazu zählen z.B. Borderline-Persönlichkeitsstörungen, fetales Alkoholsyndrom, Depression, Essstörungen (Anorexie, Bulimie), Adipositas, Zwangsstörungen, Schizophrenie, Missbrauchserfahrungen und andere Formen der Traumatisierung. Auch die „normale“ Pubertät mit schwierigen Ablösungsprozessen und empfundenen Zurücksetzungen oder Demütigungen kann selbstverletzes Verhalten begünstigen. Unterschieden werden drei Gruppen von selbstverletzendem Verhalten – die Übergänge können aber fließend sein.
1. Offene Selbstverletzung (benignes Artefakt-Syndrom)
Hierzu zählen zwanghafte Verhaltensstörungen (beispielsweise Hautzupfen oder Haareausreißen) oder impulsive Störungen wie Ritzen, Schneiden oder Verbrennen mit Zigaretten. Die Handlungen dienen hier meist der Affekt- oder Spannungsregulation. Die Patienten empfinden eine steigende Anspannung und können schließlich dem Impuls zur Selbstschädigung nicht mehr widerstehen. Während der Ausführung empfinden sie Befriedigung und Entspannung. Danach folgen jedoch oft Reue, Selbstvorwürfe oder Scham- und Schuldgefühle.
Gegenüber Vertrauenspersonen können Betroffene ihr Verhalten oft zugeben. Die Erkrankung beginnt mehrheitlich zwischen dem 12. und 15. Lebensalter. Oft bestehen Defizite, Emotionen zu zeigen oder in Worten auszudrücken.
2. Artifizielle Störung
Bei dieser Form des selbstverletzenden Verhaltens wird so am Körper manipuliert, dass ärztliche Maßnahmen oder eine Krankenhauseinweisung erforderlich werden. Dazu gehört das Herbeiführen von Infektionen (z.B. durch Injektion von Bakterienkulturen oder Fäkalien) oder Blutungen (z.B. mechanische Schleimhautverletzungen, Einnahme von Gerinnungshemmern), Schädigungen durch Medikamente, Unfallinszenierungen und vieles mehr.
Betroffene sind im Durchschnitt 30–40 Jahre alt und überwiegend in medizinischen Helferberufen tätig (fast nie Ärzte). In 80 % der Fälle können die meist stark traumatisierten Patienten ihr autoaggressives Verhalten nicht von sich aus beenden. Bei schweren Verläufen kann es zu lebensbedrohlichen Situationen oder Verstümmelungen bis hin zu Amputationen kommen.
3. Simulation
Hierbei verfolgt der Patient mit der Selbstverletzung einen bestimmten Zweck wie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, Verrentung oder auch nur die Nichtteilnahme an einer Klassenarbeit. Dies ist die einzige Form des selbstverletzenden Verhaltens, bei der Männer überwiegen. Bei Alarmsymptomen (s. Kasten) sollten die Betroffenen sehr einfühlsam und ohne negative Bewertung auf die Problematik angesprochen werden.
Hinweise auf autoaggressive Handlungen
- untypischer Verlauf (z.B. Wundheilungsstörung bei einer gesunden jungen Frau)
- ungewöhnliche Lokalisation (z.B. nicht erreichbarer Rücken symptomfrei)
- seltsame Morphologie (z.B. parallele strichförmige Erosionen, Schnürringe)
- Therapieresistenz trotz adäquater Behandlung
- unerwartete emotionale Verfassung (fröhliche Stimmung, fehlender Leidensdruck)
- Auftreten während der Pubertät oder im Rahmen von psychischen Erkrankungen
Quelle: Rapp G Akt Dermatol 2018; 44: 310-315
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