Senior mit Filmriss über 24 Stunden: Ein Psychothriller, der gut ausging

Dr. Barbara Kreutzkamp

Die transiente globale Amnesie ist zwar angsteinflößend, aber ungefährlich. Die transiente globale Amnesie ist zwar angsteinflößend, aber ungefährlich. © fotolia/pathdoc

Ohne Vorankündigung und ersichtlichen Grund plötzlich desorientiert zu Zeit, Ort und Situation? Bei Patienten der Generation 60plus mit unauffälligem Labor und EEG kann eine transiente globale Amnesie dahinterstecken.

Für Patienten und Angehörige ist sie kein schönes Erlebnis – die transiente globale Amnesie (TGA), die scheinbar ohne Vorwarnung vor allem in der sechsten Lebensdekade Männer und Frauen gleichermaßen betreffen kann. Für etwa 24 Stunden tritt eine anterograde Amnesie mit einer Lern- und Speicherstörung auf. Diese hinterlässt eine anamnestische Lücke für diese Zeit – und ein mulmiges Gefühl.

Einen typischen Fall schildert Dr. Markus Baumgartner, Clienia Schlössli AG, Psychiatriezentrum Wetzikon. Ein 64-jähriger Patient erschien notfallmäßig und begleitet von seiner Ehefrau, die ihn seit einer Stunde ratlos und verwirrt erlebte. Ihr Mann frage dauernd nach Zeit, Ort und den situativen Umständen und erinnere sich nur lückenhaft an Ereignisse der Vortage. Die Veränderung sei plötzlich und ohne Vorwarnung eingetreten, lediglich am Morgen der Konsultation habe er über Kopfschmerzen geklagt.

In der Untersuchung zeigte sich der Patient bezüglich Zeit, Ort und Situation völlig desorientiert. Er erkannte auch den Arzt nicht, der ihn vor einem halben Jahr wegen einer depressiven Episode infolge eines Erschöpfungssyndroms behandelt hatte. Leichte Erinnerungslücken zeigten sich bei Aktivitäten der Vortage, weiter zurück liegende Ereignisse waren dagegen präsent.

Auslöser oft psychischer Stress oder körperliche Belastung

Labor, EEG, EKG und cMRT blieben ohne pathologischen Befund, lediglich beim Dreiworttest ergaben sich Auffälligkeiten: So gelang zwar noch die unmittelbare Wiedergabe, nicht mehr aber der verzögerte Abruf und das Wiedererkennen.

Eine weitergehende Diagnostik war nicht mehr erforderlich, schreibt Dr. Baumgartner. Die Diagnose TGA war bereits aufgrund der Klinik bei ansonsten fehlender Pathologie eindeutig (s. Kasten). Unter stationärer Überwachung erholte sich der Mann innerhalb von 24 Stunden. In der Nachuntersuchung nach einer Woche berichtete er über noch einige Tage bestehendes eingeschränktes Wohlbefinden. An den Krankenhausaufenthalt erinnerte er sich nicht.

Zeichen der transienten globalen Amnesie

  • akute, isolierte Neu-Gedächtnisstörung
  • Orientierung zur Person, nicht aber zu Zeit, Ort und Situation
  • erhaltenes prozedurales Gedächtnis
  • mindestens 1 h Dauer, Rückbildung innerhalb von 24 h
  • Fehlen von fokal-neurologischen Zeichen, Bewusstseinstrübung sowie Ausschluss z.B. von Trauma, Epilepsie, Infektion, Apoplex
Der starken Verunsicherung des Ehepaares konnte der Psychiater entgegentreten: Ein erhöhtes Risiko für vaskuläre oder demenzielle Erkrankungen bzw. persistierende neuropsychologische Defizite existiert nach stattgehabter TGA nicht, so die bisherige Datenlage. Jeder fünfte Patient muss mit einer erneuten Episode rechnen.

Jeder Fünfte muss mit einem Rezidiv rechnen

Eine spezifische Rezidivprophylaxe gibt es bisher nicht. Allerdings werden TGA-Attacken häufig durch psychischen Stress oder starke körperliche Belastungen einschließlich Geschlechtsverkehr getriggert, sodass hier Mäßigung einen gewissen Schutz bieten könnte. Nicht selten geben die Patienten im Vorfeld Kopfschmerzen an. Die Störung ist selbstlimitierend, in der akuten Phase muss der Patient durch eine Bezugsperson oder ggf. stationär überwacht werden.

Differenzialdiagnostisch ist vor allem die transiente epileptische Amnesie abzugrenzen, die aber nur von kurzer Dauer ist und mit auffälligem EEG einhergeht. Gut abgrenzbar sind auch weitere Differenzialdiagnosen wie Commotio cerebri, Hypoglykämie, Herpes-Enzephalitis, ein zerebrovaskulärer Insult sowie eine dissoziative Amnesie.

Quelle: Baumgartner M. Swiss Medical Forum 2017; 17: 318-319

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