Sex, Drogen und Alkohol können reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom auslösen

Dr. Angelika Bischoff

Egal ob Sex, Drogen oder Alkohol – Donnerschlag-Kopfschmerzen fordern Verzicht.
Egal ob Sex, Drogen oder Alkohol – Donnerschlag-Kopfschmerzen fordern Verzicht. © Pixabay und iStock/AndreyPopov

Rezidivierende Donnerschlag-Kopfschmerzen sollten den Verdacht auf ein reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom wecken. Vor allem wenn Triggerfaktoren bekannt sind und atypisch lokalisierte intrazerebrale Blutungen oder kryptogene Schlaganfälle auftreten.

Die Freude am Sex wurde einem 50-Jährigen durch massive Kopfschmerzen schlagartig verdorben – und das gleich zweimal innerhalb weniger Tage. Beide Male suchte er die Klinik auf. Dort fand sich jeweils ein unauffälliger Neurostatus. Das MRT zeigte allerdings zwei atypische lobäre intrazerebrale Blutungen, beim ersten Mal links frontal, beim zweiten Mal okzipital rechts. Temporopolar links war zudem eine ältere Läsion zu sehen. In der Subtraktionsangiographie stellten sich bei der ersten Untersuchung in mehreren Versorgungsgebieten segmentale irreguläre Gefäßkaliber dar, die bei der zweiten Untersuchung schon fast verschwunden waren.

Starkes Pressen, Husten oder Sex als Triggerfaktoren

Der Patient hatte die hämorrhagische Verlaufsform eines reversiblen zerebralen Vasokonstriktionssyndroms (RCVS), die etwa in einem Drittel aller RCVS-Fälle vorliegt. Als ursächlich wird eine transiente Autoregulationsstörung des zerebralen Gefäßtonus mit Überaktivität des Sympathikus betrachtet, schreiben Dr. Christoph Friedli von der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital Bern und Kollegen.

Die Kopfschmerzen erreichen innerhalb von Sekunden bis wenigen Minuten höchste Intensität, sind meist bilateral lokalisiert und von vegetativen Symptomen begleitet. Sie halten in der Regel nur bis zu drei Stunden an. Häufig bestehen gleichzeitig transiente neurologische Defizite oder Krampfanfälle. Auch Blutdruckspitzen können die Schmerzepisoden begleiten, die meist rezidivierend auftreten.

Neben sexueller Aktivität gibt es weitere mögliche Triggerfaktoren wie starkes Pressen, körperliche Anstrengung, Husten oder vasoaktive Substanzen, z.B. viel Alkohol, Cannabis, Kokain, Antidepressiva, Ephedrin, Triptane und Ergotalkaloide. Tatsächlich ergab das Drogenscreening des Patienten einen positiven THC-Befund. Da der Mann glaubhaft versicherte, mit Drogen nichts am Hut zu haben, war dieser Befund wohl durch eine testanalytische Kreuzreaktion zu erklären, schreiben die Autoren.

Zerebrale Angiographie sichert die Diagnose

Als Risikofaktoren gelten weibliches Geschlecht und Migräne. Mehr als die Hälfte aller Fälle tritt post partum oder nach Einnahme noradrenerger oder serotonerger Substanzen auf.

Die Diagnose eines RCVS wird mittels zerebraler Angiographie gestellt. Es zeigen sich diffus verteilt dynamische segmentale Verengungen und Erweiterungen von intrazerebralen Gefäßen, die erst nach einigen Tagen auftreten und innerhalb von drei Monaten reversibel sind. Im Liquor finden sich abgesehen von einer geringen Pleozytose oder Proteinerhöhung keine Auffälligkeiten. Blutungen gehen oft mit einem transienten Hirnödem einher. Deshalb wird vermutet, dass sie auf einer Ruptur kleiner Gefäße und einer gestörten Blut-Hirn-Schranke beruhen. Differenzialdiagnostisch ist vor allem eine Subarachnoidalblutung auszuschließen. Die Prognose des RCVS hängt davon ab, ob ein Schlaganfall oder eine zerebrale Blutung auftritt.

Kontrollierte Studien zur Therapie fehlen bisher

Zurück zum Fallbericht: Da sich bei der ersten Vorstellung eine Vaskulitis nicht ausschließen ließ, erhielt der Patient zunächst hoch dosiert Stero­ide. Als sich die Gefäß-Irregularitäten komplett zurückgebildet hatten, war die Diagnose evident und die Steroidtherapie wurde beendet.

Die Therapieempfehlungen beim RCVS gehen nicht über das Niveau von Expertenmeinungen hinaus. Sie erschöpfen sich darin, mögliche Triggerfaktoren zumindest für eine gewisse Zeit zu meiden, bedauern die Autoren. Vasoaktive Medikamente sollten die Patienten grundsätzlich nicht mehr erhalten. Ansonsten kann eine symptomatische Therapie mit Analgetika, Antikonvulsiva oder Antihypertensiva oder auch Benzodiazepinen zur Anxiolyse erwogen werden. Gefäßerweiterende Medikamente wie Nimodipin oder Verapamil erzielen variable Effekte.

Der 50-Jährige erhielt schließlich eine Liste von potenziellen Trigger-Medikamenten, die er meiden sollte. Auch von sexueller Aktivität oder anderer körperlicher Anstrengung sollte er in den ersten sechs Wochen Abstand nehmen.

Quelle: Friedli C et al. Swiss Med Forum 2018; 18: 428-432

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Egal ob Sex, Drogen oder Alkohol – Donnerschlag-Kopfschmerzen fordern Verzicht.
Egal ob Sex, Drogen oder Alkohol – Donnerschlag-Kopfschmerzen fordern Verzicht. © Pixabay und iStock/AndreyPopov