Migräne

Definition

Migräne ist mit einer Prävalenz von 10-15% einer der häufigsten Kopfschmerzformen. Typisch sind attackenweise auftretende, heftige Kopfschmerzen, die in unregelmäßigen Abständen wiederkehren und vier bis 72 Stunden anhalten.

Migräne kann schon im Kindesalter auftreten. Vor der Pubertät liegt die Prävalenz bei 4-5% und Jungen und Mädchen sind gleichermaßen betroffen. Die höchste Inzidenz der Migräne besteht zwischen dem 35. Und 45. Lebensjahr. In dieser Altersgruppe sind Frauen dreimal häufiger betroffen als Männer.

Eine Sonderform der Migräne ist die „Migräne mit Aura“, die man bei etwa 10 bis 15% der betroffenen Patienten findet. Hier berichten die Patienten vor der eigentlichen Kopfschmerzattacke über neurologische Symptome wie Sehstörungen (Flimmern, Blitze, Gesichtsfeldausfälle), Sprachstörungen oder Schwindel.

Neben der klassischen episodischen Migräne kennt man auch eine chronische Verlaufsform. Dazu müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • episodische Migräne in der Vorgeschichte
  • Mindestens in den letzten 3 Monaten an 15 und mehr Tagen im Monat Kopfschmerzen (davon an mehr als 7 Tagen typische migräneartige Kopfschmerzen)
  • Kein Medikamentenübergebrauch und Ausschluss anderer Ursachen

 

 

ICD10-Code: G43

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Symptomatik

Typisch ist der in Attacken auftretende, meist als pulsierend-pochend beschriebene starke Kopfschmerz. Bei etwa zwei Drittel der Patienten tritt der Schmerz einseitig auf, bei einem Drittel holokraniell. Typischerweise nimmt der Schmerz bei körperlicher Aktivität zu. Die Intensität der Kopfschmerzen kann von Attacke zu Attacke variieren.

Eine Migräneattacke/-Anfall lässt sich in vier verschiedene Phasen eingeteilt, die durch unterschiedliche Symptome gekennzeichnet sind:

Prodromialstadium

  • Müdigkeit und häufiges Gähnen
  • Stimmmungsschwankungen
  • Magen-Darm-Störungen
  • Appetit bzw. Heißhunger auf bestimmte Nahrungsmittel

Aura

  • Visuelle Beeinträchtigungen: Skotome, Fortifikationen, Verlust des räumlichen Sehens und Unschärfe
  • Neurologische Störungen: Parästhesien, Paresen, Gesichtsfeldstörungen

Kopfschmerzphase

Neben den typsichen Kopfschmerzen Begleitsymptome wie:

  • Appetitlosigkeit (fast immer)
  • Übelkeit (80%)
  • Erbrechen (40–50%)
  • Lichtscheu (60%)
  • Lärmempfindlichkeit (50 %)
  • Überempfindlichkeit gegenüberbestimmten Gerüchen (10 %)

Postdormalphase

  • Müdigkeit
  • Polyurie
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Untersuchung

Die Diagnose beruht auf der typischen Anamnese bei unauffälligem neurologischem Untersuchungsbefund.

Zur Abklärung erstmalig aufgetretener Kopfschmerzen gehören:

  • neurologischer Status (Hirnnerven detailliert)
  • trigeminaler Nervenaustritt
  • Beweglichkeit der HWS (Druckschmerzhaftigkeit der perikraniellen Muskulatur)
  • Klopf- und Druckschmerz der Kalotte
  • Schmerzen bei Kieferöffnung
  • Beurteilung von Schleimhäuten, Zahnstatus, Kieferokklusion
  • Ertasten der A. temporalis superficialis
  • Messung des Blutdrucks
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Labor

Eine Zusatzdiagnostik (vor allem kranialer Bildgebung) ist nur erforderlich, wenn untypische Klinik oder zusätzliche persistierende neurologische oder psychopathologische Auffälligkeiten an sekundäre Kopfschmerzen denken lassen.

Das können bei Migräne folgende Faktoren sein:

  • Untypische Kopfschmerzen und Begleitsymptome
  • Untypische (insbesondere persistierende) Aura oder hemiplegische Aura
  • Erstmanifestation nach dem 40 Lebensjahr
  • Auffälligkeiten in der allgemeinen und neurologischen Untersuchung
  • Signifikante Änderungen in Frequenz, Dauer, Begleitsymptomen
  • Zunehmende Schmerzintensität, veränderter Kopfschmerzcharakter, Wirkverlust vorher gut wirkender Medikamente
  • Neue neurologische Symptome/Ausfälle

Ein EEG wird nur bei zusätzlichen epileptischen Anfällen empfohlen.

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Differenzialdiagnostik

Differentialdiagnostisch muss an andere idiopathische Kopfschmerzarten (z.B. Spannungskopfschmerz, Cluster-Kopfschmerz und andere trigeminoautonome Kopfschmerzen) gedacht werden.

Außerdem müssen symptomatische Kopfschmerzerkrankungen ausgeschlossen werden. Dazu gehören z.B.:

  • Kopf- und oder HWS-Trauma
  • Gefäßstörungen im Bereich von Kopf und Hals
  • nicht-vaskuläre Ursachen im Gehirn
  • Substanzen und deren Entzug
  • Infektionen und Stoffwechselerkrankungen
  • Erkrankungen von Augen, Ohren, Nasennebenhöhlen, Zähnen
  • psychiatrische Störungen (z.B. Somatisierungsstörung)
  • kraniale Neuralgien und zentrale Ursachen von Gesichtsschmerzen
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Pharmakotherapie und nichtinvasive Therapie

Medikamentöse Akuttherapie im Anfall:

Leichte bis mittelschwere Migräneattacken können mit Analgetika oder NSAR behandelt werden. Am besten belegt ist die Wirksamkeit im akuten Anfall hier für Fixkombinationen von ASS, Paracetamol und Koffein, ASS als Monotherapie (900 bis 1000 mg) oder Ibuprofen (100, 400 oder 600 mg).

Bei mittelschweren und schweren Migräneattacken, die nicht oder nicht ausreichend auf eine Therapie mit Analgetika oder NSAR ansprechen sind Serotonin-5-HT1B/1D-Rezeptoragonisten (sog. Triptane) indiziert. Dazu gehören:

  • Almotriptan
  • Eletriptan
  • Frovatriptan
  • Naratriptan
  • Rizatriptan
  • Sumatriptan
  • Zolmitriptan

Triptane wirken am besten, wenn sie früh in der Migräneattacke eingenommen werden oder wenn der Kopfschmerz noch leicht ist. Um einem Medikamentenübergebrauch vorzubeugen, ist die frühe Einnahme aber nur für Patienten geeignet, die nicht zu häufig unter Attacken leiden (< 10x im Monat) und ihre Kopfschmerzen eindeutig als Migräne-Attacken identifizieren können.

Ist die erste Gabe eines Triptans unwirksam, ist es in der Regel sinnlos, in derselben Migräneattacke eine zweite Dosis zu applizieren. Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen nach initialer Wirksamkeit kann eine zweite Dosis nach frühestens 6 Stunden gegeben werden. Begleitende Übelkeit und Erbrechen können mit Antiemetika wie Metoclopramid oder Domperidon behandelt werden.

Medikamentöse Prophylaxe

Die Indikation zu einer medikamentösen Prophylaxe der Migräne ist bei besonderem Leidensdruck und einer starken Einschränkung der Lebensqualität gegeben.

Als zusätzliche Kriterien gelten:

  • 3 und mehr Migräneattacken pro Monat, die die Lebensqualität beeinträchtigen
  • Migräneattacken, die regelmäßig länger als 72 Stunden anhalten
  • Attacken, die auf eine Standardtherapie (inkl. Triptanen) nicht ansprechen
  • Patienten, bei denen Kontraindikationen für die Einnahme von Triptanen bestehen und/oder die Anwendung durch Nebenwirkungen limitiert ist
  • Zunahme der Attackenfrequenz und Einnahme von Schmerz- oder Migränemitteln an mehr als 10 Tagen im Monat
  • komplizierte Migräneattacken mit beeinträchtigenden (z.B. hemiplegischen) und/oder lang anhaltenden Auren
  • Zustand nach migranösem Infarkt bei Ausschluss anderer Infarktursachen

Durch die medikamentöse Prophylaxe sollen Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneattacken reduziert und einem Übergebrauch von Schmerz- und Migränemitteln vorgebeugt werden. Mittel der ersten Wahl sind:

  • Propranolol (40 - 240 mg/d)
  • Metoprolol (50 – 200 mg/d)
  • Flunarizin (5 -10 mg/d)
  • Valproinsäure (500 – 600 mg)
  • Topiramat (25 – 100 mg)

Mit Ausnahme von Flunarizin sollte die Therapie immer mit einschleichenden Dosen begonnen werden. Wird innerhalb von zwei Monaten keine zufriedenstellende Besserung erzielt, sollte eine Umstellung der Therapie erfolgen. Bei erfolgreicher Therapie empfiehlt sich nach 6-12 Monaten eine Überprüfung, ob eine Weiterführung noch notwendig ist.

Nichtmedikamentöse Therapien:

  • Akupunktur (Scheinakupunktur genau so wirksam wie Akupunktur nach den Prinzipien der traditionellen chinesischen Medizin)
  • Regelmäßiger Ausdauersport (Wirksamkeitsnachweis steht noch aus)
  • Verhaltenstherapie (z.B. Entspannungstherapien)
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Invasive neurostimulierende Verfahren (Stimulation des N. occiptalis major - ONS), sind Patienten mit chronischer therapierefraktärer Migräne vorbehalten und sollten derzeit nur in Studien angewandt werden.

Zu den nicht-invasiven neuromodulierenden Verfahren gehören:

  •  transdermale Stimulation des N. vagus
  • transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
  • repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS)
  • transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS)

Die Evidenz in der Migränetherapie ist zurzeit noch gering, sodass die Anwendung kritisch gesehen wird.

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Leitlinien

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Diagnostik und apparative Zusatzuntersuchungen bei Kopfschmerzen

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In verschiedenen Sprachen:

Patienteninformation zu Migräne: Deutsch
Patienteninformation zu Migräne: Türkisch
Patienteninformation zu Migräne: Russisch

Forschung
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