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Sieben Fragen weisen bei Übergebrauchskopfschmerzen den Weg

Ziel der Leitlinie ist es, praktische Alltagstipps zu Prävention und Therapie des Medikamentenübergebrauchskopfschmerzes (Medication Overuse Headache, MOH) zu liefern. Dabei adressieren die Autoren unter der Federführung von Professor Hans-Christoph Diener, Neurologe an der Universität Duisburg-Essen, sieben Fragen nach dem PICO-Schema (P = Population, I = Intervention, C = Control, O = Outcome).
1. Reicht es, Patienten über das Risiko von Übergebrauchskopfschmerzen aufzuklären?
Das vermutlich wichtigste Werkzeug im Kampf gegen den MOH liegt laut Meinung der Experten in einer intensiven Beratung von Risikopatienten. In diese Kategorie fallen Personen – v.a. Frauen – mit einer primären Kopfschmerzerkrankung, häufigen Attacken, einem hohen Schmerzmittelkonsum und komorbiden Erkrankungen. Je mehr die Betroffenen über den Zusammenhang wissen, desto größer sei die Chance, Übergebrauchskopfschmerzen von vornherein zu vermeiden. Außer über Informationsbroschüren sollten Ärzte ihre Patienten unbedingt persönlich aufklären und in kürzeren Abständen einberufen. Am besten alle drei bis sechs Monate.
2. Lässt sich dem MOH bei Risikopatienten durch eine gezielte Medikation vorbeugen?
Ob man Patienten mit episodischen Kopfschmerzen durch eine präventive Pharmakotherapie vor dem Switch in eine chronische Erkrankung bewahren kann, ist bislang nicht ausreichend untersucht. In einer Studie konnte aber Topiramat gegenüber Placebo punkten. Unter der Einnahme des Verums gingen die Kopfschmerztage pro Monat signifikant zurück und es kam zu weniger chronischen Verläufen. Für eine eindeutige Empfehlung reicht die Evidenz jedoch nicht aus.
3. Wie zielführend ist eine Beratung als alleinige Behandlung?
Patienten mit einem Übergebrauch von einfachen Analgetika und Triptanen über die Problematik aufzuklären und zu beraten, scheint ein probates Mittel, um das Problem anzugehen. Im Vergleich zum Standardvorgehen zeigte sich in einer Studie noch nach zwei Monaten eine Erfolgsrate von mehr als 70 %. Diese Strategie sei laut den Experten jedoch nur erfolgreich, solange keine psychiatrischen Komorbiditäten hinzukommen.
Bei Missbrauch von Opioiden, Barbituraten und Tranquilizern bedarf es mehr als einer Beratung. Idealerweise überweisen Ärzte Betroffene an ausgewiesene Kopfschmerzexperten weiter, respektive in ein spezialisiertes Zentrum. Um MOH langfristig zu therapieren, müsse ein Entzug oder aber eine starke Dosisreduktion der genannten Substanzen erfolgen. Beide Maßnahmen klappen im klinischen Setting unter intensiver Betreuung meist besser.
4. Wie effektiv sind medikamentöse Strategien?
Diese Frage wurde in puncto Prävention über Jahrzehnte mit „gar nicht“ beantwortet. Bei den meisten Betroffenen schlug eine vorbeugende Medikation mit Betablockern, Valproinsäure oder Amitriptylin fehl. Dank mehrerer randomisiert-kontrollierter Studien gibt es aber inzwischen Lichtblicke, auch wenn schon ein MOH vorliegt. So haben sich Topiramat (nicht im gebärfähigen Alter!), Onabotulinumtoxin A und gegen Calcitonin Gene-Related Peptid (CGRP) gerichtete monoklonale Antikörper wie Fremanezumab als wirksam bei chronischer Migräne und Übergebrauchskopfschmerzen erwiesen.
5. Wie stehen die Chancen für einen Entzug bei MOH?
Der erste Schritt in der Behandlung von Übergebrauchskopfschmerzen ist der Entzug vom Medikament. Wie dieser aussehen sollte und ob er überhaupt nachhaltig wirkt, wird allerdings kontrovers diskutiert. Es fehlen belastbare randomisiert-kontrollierte Studien, die ein konkretes Vorgehen stützen. Die zumeist mit ambulanten Patienten durchgeführten Untersuchungen deuten nach Einschätzung der Experten jedoch an, dass ein Entzug viele Betroffe zu episodischen Kopfschmerzen zurückführen kann.
Substanzinduziert ja oder nein?
- sie an mindestens 15 Tagen/Monat bei einem Patienten mit vorbestehender Kopfschmerzerkrankung auftreten,
- ein regelmäßiger Übergebrauch über mehr als drei Monate von einem oder mehreren Medikament(en) vorliegt, die zur Akuttherapie oder symptomatischen Behandlung von Kopfschmerzen eingesetzt werden,
- die Beschwerden nicht besser durch eine andere Diagnose erklärt werden können.
6. Lassen sich Entzugssymptome mitbehandeln?
Übelkeit, Erbrechen, Tachykardie, Schlafstörungen, Rastlosigkeit, Ängste – zwischen zwei und zehn Tagen können solche Absetzsymptome dauern, je nach entwöhnter Substanz. Manche Patienten leiden körperlich und/oder psychisch so stark, dass sie klinisch überwacht werden müssen. Die Autoren raten bei Opioid-, Barbiturat- und Benzodiazepinentzug dazu, die Betroffenen vorsorglich zu hospitalisieren. In jedem Fall aber gilt es, sie ausführlich über die genannten Nebenwirkungen aufzuklären und Hinweise zu geben, an wen sie sich bei Bedarf wenden können, z.B. 24-Stunden-Notdienste oder ggf. den Arzt selbst. In der Anfangsphase des Entzugs lassen sich die Kopfschmerzen medikamentös behandeln, ohne dass ein Rückfall in den MOH befürchtet werden muss. Dabei können v.a. solche Substanzen zum Einsatz kommen, die auch bei akuten Migräneattacken empfohlen werden: Diphenhydramin, Dihydroergotamin, Valproinsäure etc. In Fallstudien haben sich zudem Naproxen und Tizanidin als effektive Notfallmedikamente in der Kurzzeitbehandlung erwiesen.7. Wie lässt sich Rückfällen vorbeugen?
Am häufigsten kommt es im ersten Jahr nach dem Entzug zu Rückfällen, wobei in den wenigen verfügbaren Studien die Häufigkeit zwischen 0 % und 41 % schwankt. Doch selbst nach neun Jahren können erfolgreich behandelte Patienten ein Rezidiv erleiden. Eindeutige Prädiktoren lassen sich in den meisten Untersuchungen zwar nicht ausmachen, die Autoren nennen aber als Risikofaktoren u.a.- Kopfschmerztyp (Rückfälle häufiger, wenn Spannungskopfschmerz und Migräne simultan auftreten),
- missbrauchte Substanz (Analgetika > Triptane),
- bereits erfolgter Entzug in den letzten drei Jahren,
- häufige Migräne- bzw. Kopfschmerzattacken vor und nach dem Entzug,
- Depression,
- Alkoholabhängigkeit,
- positiver Raucherstatus.
Quelle: Diener HC et al. Eur J Neurol 2020; 27: 1102-1116; DOI: 10.1111/ene.14268
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