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Kopfschmerz trotz oder wegen der Medikamente?

Migräne entsteht durch eine neurogene Entzündung, basierend auf einer genetischen Prädisposition und vermutlich einer Fehlfunktion des deszendierenden schmerzhemmenden Systems. Gemäß der International Headache Society wird der Zustand chronisch, wenn
- es in der Vorgeschichte eine episodische Migräne gibt
- an mindestens 15 Tagen innerhalb der letzten drei Monate Kopfschmerzen auftraten
- die Beschwerden an mehr als der Hälfte dieser Tage migränetypisch waren
Dr. Eberhard Lux vom Regionalen Schmerzzentrum der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin Lünen und Kollegin empfehlen, sich bei der Diagnose ergänzend zum Schmerzprotokoll über die Vorgeschichte des Patienten (inkl. Familienanamnese) zu erkundigen. So erhalten Sie Informationen über genetische Veranlagung, psychiatrische Komorbiditäten und Risikofaktoren (Übergewicht, erlittene Schäden des Gehirngewebes, traumatische Erlebnisse), die evtl. schon auf eine Migräne hinweisen.
Die Angst vor der nächsten Attacke belastet die Patienten enorm und darf deswegen nicht unterschätzt werden. Der alltägliche Umgang mit Analgetika birgt das zusätzliche Risiko, Symptome durch übermäßig eingenommene Mittel selbst zu verursachen (Übergebrauchskopfschmerz). Er liegt vor, wenn an mehr als 15 Tagen pro Monat seit einem Vierteljahr trotz Einnahme der Medikamente Schmerzen bestehen oder sich verschlechtert haben.
Eine Entzugsbehandlung bei Übergebrauchskopfschmerz ist nicht obligatorisch, dennoch brauchen die Betroffenen in vielen Fällen, z.B. bei Depressionen, Angst-, Persönlichkeitsstörungen oder positiver Suchtanamese, ein therapeutisches Gesamtkonzept. Dem Patienten gegenüber sollte man aus psychologischen Gründen von einer „Medikamentenpause“ statt eines „Entzugs“ sprechen.
Zur Therapie der akuten Migräne gehört neben Reizabschirmung und körperlicher Schonung die Medikation mit Analgetika oder frei verkäuflichen Triptanen. Eine langfristige Einnahme über 15 (Monoalgetika) bzw. 10 (Triptan) Tage in Folge sollte aber vermieden werden. Von Opioiden raten die Experten aufgrund der fehlenden Wirksamkeit generell ab. Sind die Anfälle sehr stark, lang oder oft und beeinträchtigen sie den Alltag, besteht die Indikation zur Prophylaxe. Hierfür eignen sich u.a. Betablocker, Kalziumantagonisten oder Antiepileptika (siehe Tabelle). In Studien zeigte Topiramat mit einer Zieldosis von 2 x 50mg (oral) die besten Resultate.
Substanzen zur Migräneprophylaxe | |||
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Wirkstoff | Dosis | Nebenwirkungen | Kontraindikationen |
gute Evidenz | |||
Topiramat | 25–100 mg | Müdigkeit, Gewichtszunahme | Niereninsuffizienz, Engwinkelglaukom |
Flunarizin | 5–10 mg | Schwangerschaft, Stillzeit, Depression | |
Metoprolol | 50–200 mg | Müdigkeit, arterielle Hypotonie, Impotenz | AV-Block, Bradykardie, Diabetes |
Bisoprolol | 5–10 mg | ||
Valproinsäure | 500–600 mg | Müdigkeit, Gewichtszunahme, Schwindel, Tremor | Leberfunktionsstörungen |
schwache Evidenz | |||
Amitriptylin | 50–150 mg | Müdigkeit, Mundtrockenheit, Schwindel, Schwitzen | Engwinkelglaukom, Prostataadenom |
Venlafaxin (off label) | 75–150 mg | Müdigkeit, Konzentrationsstörungen | Hypertonie |
Gabapentin (off label) | bis 2400 mg | Müdigkeit, Schwindel | Leber-/Nierenfunktionsstörung |
Magnesium | 2 x 300 mg | Durchfall | keine |
Vitamin B2 | 400 mg | Urin-Gelbfärbung | keine |
Onabotulinumtoxin A in 31 definierte Stellen spritzen
Die chronische Migräne geht oft mit psychiatrischen Komorbiditäten einher. Deshalb hat die multimodale Behandlung große Bedeutung. Sie setzt sich aus gründlicher Edukation, medikamentöser Akuttherapie und Prophylaxe, ergänzt durch psycho-/physiotherapeutische Maßnahmen und ggfs. psychiatrische Behandlung, zusammen. Verhaltenstherapie, Entspannungsverfahren und Sport helfen ebenfalls oft weiter. Zur Akupunktur existieren viele Einzeluntersuchungen, für evidenzbasierte Aussagen reichen sie aber nicht aus.
Wenn gängige Prophylaxen den Zustand nicht verbessern konnten oder seitens des Patienten eine Unverträglichkeit besteht, empfehlen die Kollegen auf Onabotulinumtoxin A auszuweichen. Gemäß deutscher Zulassung verteilt sich die Behandlung mit dem Nervengift (155 I.E.) auf 31 definierte Injektionsorte an Stirn, Schläfe, Nacken und Schulter. Der Wirkstoff eignet sich auch in einigen Fällen von Übergebrauchskopfschmerzen.
Die Injektionstherapie zeigte bisher nur geringe Nebenwirkungen, trotzdem sollte man sie nicht leichtfertig verordnen, mahnen die Autoren. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Nacken- und Muskelschmerzen oder Infektionen und passagere Gesichtslähmungen durch die Injektion.
Antikörper in der Pipeline
* Calcitonin Gene-Related Peptide
Quelle: Lux EA, Gendolla A. Schmerzmedizin 2018; 34: 22-27
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