Siebzig Jahr, Nebenwirkungsgefahr: Rheumatherapie kann bei Älteren daneben gehen

Dr. Dorothea Ranft

Metamizol erlebt gerade eine Renaissance. Das Schmerzmittel kann allerdings eine toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) verursachen. Metamizol erlebt gerade eine Renaissance. Das Schmerzmittel kann allerdings eine toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) verursachen. © wikipedia/AfroBrazilian

Schmerz beseitigt, aber Niere und Leber geschädigt. Bei älteren Rheumapatienten lauern gefährliche Klippen. Umso wichtiger sind das Motto „start low, go slow“ und eine individuelle Dosisanpassung. Ein Pharmakologe erläutert, wie eine sichere Behandlung auch im Alter gelingt.

Gegen Arthroseschmerzen kommt häufig Paracetamol zum Einsatz, es ist im Allgemeinen sicher, kann aber bei Überdosierung zu schweren Leberschäden bis hin zum akuten Organversagen führen. „Weisen Sie Ihre Patienten darauf hin, keine weiteren paracetamolhaltigen Medikamente wie Grippemittel einzunehmen“, betonte Professor Dr. Dirk­ O. Stichtenoth­, Pharmakologe an der Medizinischen Hochschule Hannover.

Eine gewisse Renaissance erlebt derzeit Metamizol. An Nebenwirkungen ist vor allem die Agranulozytose bekannt. Das Analgetikum führt aber potenziell auch zu schweren Hautschäden (z.B. Lyell-Syndrom) oder Asthma. Deshalb gilt Metamizol keinesfalls als Analgetikum der 1. Wahl, es kann jedoch unter guter Kontrolle durchaus verordnet werden, so Prof. Stichtenoth. Das wegen seiner muskelentspannenden Begleitwirkungen geschätzte Flupirtin darf wegen Leberschäden nur noch zur Behandlung akuter Schmerzen und über maximal zwei Wochen zur Anwendung kommen.

NSAR gehen Senioren an Herz und Nieren

Die in jungen Jahren, etwa bei Spondyloarthritis, oft gut vertragenen NSAR sind im Alter mit besonderer Vorsicht einzusetzen. Von den unerwünschten Effekten fallen vor allem die Nierenfunktionsstörungen ins Gewicht – oft verstärkt durch renale Vorerkrankungen oder eine riskante Komedikation. Aber auch die Hemmung der Prostaglandinsynthese allein kann die Kompensationsmechanismen so stark beeinträchtigen, dass es zum akuten Nierenversagen kommt (s. Kasten).

Wegen Diclo in die Notaufnahme

Als abschreckendes Beispiel nannte Prof. Stichtenoth den Fall eines 71-jährigen Hypertonikers. Im Mai 2002 betrug das Serum-Kreatinin 1,6 mg/dl, im Mai 2003 schon 2,4 mg/dl. Im September 2003 erhielt er wegen Schwellung und Juckreiz der Finger 2 x 75 mg/d Diclofenac. Nach einer Woche musste der Patient in die Notaufnahme – akutes Nierenversagen. Einen so hohen Kreatininwert darf man nicht übersehen, kommentierte der Pharmakologe und plädierte für eine routinemäßige Bestimmung des Nierenwerts.

Coxibe verursachen weniger gastrointestinale Beschwerden

Ebenfalls steigt das Risiko für kardiales oder renales Versagen unter einer begleitenden KHK oder Herzinsuffizienz. Denn kardiovaskuläre Erkrankungen verringern die Nierendurchblutung – in etwa so wie eine Exsikkose. Auch das Risiko für gastrointestinale Schäden ist unter älteren NSAR-Patienten deutlich erhöht, diese manifestierten sich allerdings frühestens nach 10–15 Tagen. Coxibe schneiden gastrointestinal günstiger ab, gleichen sich jedoch hinsichtlich renaler und kardiovaskulärer Nebenwirkungen. Nicht zu unterschätzen ist, dass Senioren oft mehrere NSAR gleichzeitig oder zusätzlich hoch dosiertes ASS nehmen. Treten Probleme mit NSAR auf, schließen eventuell Opioide die Lücke. Allerdings werden diese Wirkstoffe zurzeit noch oft bei den falschen Indikationen eingesetzt, z.B. bei Patienten mit Fibromyalgie oder funktionellen Beschwerden, kritisierte Prof. Stichtenoth. Außerdem erhält rund die Hälfte der Betroffenen als initiales Opioid ein Fentanyl-Pflaster. Im Alter fällt zudem die erhöhte Sturzgefahr ins Gewicht. Entwarnung gibt es dagegen bei dem Missbrauchsrisiko, es ist unter 18- bis 40-Jährigen wesentlich höher.

Jeder Oldie ist ein Einzelfall

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Dosis an die glomeruläre Filtrationsrate anpassen

Die Basistherapie entzündlich rheumatischer Erkrankungen wirkt im Alter ebenso gut wie in der Jugend. Bei Älteren sollte man vor allem die Nierenfunktion beachten. So rät der Referent, die Dosis von Chloroquin und Hydroxychloroquin zu senken, wenn die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) 70 ml/min unterschreitet. Unter Sulfasalazin kommt es in seltenen Fällen zu interstitieller Nephritis und nephrotischem Syndrom. Patienten mit einer GFR < 60 ml/min dürfen maximal 2 g/d erhalten, liegt eine GFR < 10 ml/min vor, ist Sulfasalazin tabu. Die Dosisreduktion von Methotrexat erfolgt parallel zum GFR-Abfall, unter 60 ml/min besteht eine Kontraindikation des Folsäureant­agonisten. Antikörper gegen TNF-α, CD20 oder Interleukin-6 verursachen nur selten Nierenfunktionsstörungen. Entsprechend ist auch keine Dosisreduktion erforderlich. Eine Ausnahme bildet der Interleukin-1-Rezeptorantagonist Anakinra. Er darf schon bei einer GFR von 30–50 ml/min nur mit Vorsicht eingesetzt werden und unter 30 ml/min gar nicht mehr. Vermeiden sollte man im Falle einer eingeschränkten Nierenfunktion Ciclosporin, D-Penicillamin, parenterales Gold, Sirolimus und Tacrolimus. Im Alter potenziell inadäquate Medikamente lassen sich auch mit der PRISCUS-Liste* aufspüren.

* zu finden unter www.priscus.net

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Metamizol erlebt gerade eine Renaissance. Das Schmerzmittel kann allerdings eine toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) verursachen. Metamizol erlebt gerade eine Renaissance. Das Schmerzmittel kann allerdings eine toxische epidermale Nekrolyse (Lyell-Syndrom) verursachen. © wikipedia/AfroBrazilian