Soziale Phobie erkennen und behandeln

Dr. Andrea Wülker; Foto: fotolia, Kalim

Angststörungen gehören zu häufigsten psychischen Erkrankungen. Phobien führen unbehandelt zu hohen Komorbiditäten und bis zu 13-facher Suizidrate. Wie erkennen Sie betroffene Patienten in Ihrer Praxis?

Bloß nicht im Mittelpunkt stehen, bloß nicht auffallen – schon gar nicht negativ. Sozialphobikern bricht schon beim Gedanken an die nächste Party der Angstschweiß aus. Wie kann die soziale Angststörung im Praxisalltag enttarnt werden? Was eignet sich zur Therapie?

Für Menschen mit sozialer Phobie gibt es nichts Schlimmeres als die Vorstellung, von anderen kritisch bewertet zu werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob dies in der Schule, beim Vorstellungsgespräch, im Umgang mit Fremden oder auch bekannten Mitmenschen – insbesondere des anderen Geschlechts – passieren könnte. Sehe ich gut aus? Bin ich schlau genug? Verhalte ich mich souverän oder wirke ich einfach nur peinlich? Solche und ähnliche Fragen quälen den Sozialphobiker und machen ihm das Leben schwer.

Furcht vor Ablehnung zentraler Faktor

Die Furcht vor Ablehnung führt auch zu körperlichen Symptomen, z.B.: Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Erröten und flauem Gefühl in der Magengegend. Diese Symptome können sich bis zu einer voll ausgeprägten Panikattacke steigern, schreiben Professor Dr. Borwin Bandelow und Mitarbeiter, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Göttingen.

Der Leidensdruck der Betroffenen kann so groß sein, dass sie soziale Situationen vermeiden. Das hat mitunter erhebliche berufliche und private Folgen – bis hin zur sozialen Isolation. Die soziale Angststörung zählt mit einer Lebenszeitprävalenz von 13 % zu den häufigsten psychiatrischen Erkrankungen – sie beginnt häufig bereits im Jugendalter. Einige Betroffene arrangieren sich mit ihrem Problem und führen ein zurückhaltendes, unauffälliges Leben, andere leiden massiv unter ihren Ängsten.

Viele Sozialphobiker schaffen es nicht, sich einem Arzt anzuvertrauen, daher bleibt die Störung oft unerkannt und unbehandelt. Nur 35 % der betroffenen Patienten begeben sich in Therapie. Wenn ein Patient nervös und gehemmt wirkt, Ihnen beim Gespräch kaum in die Augen schauen kann und Sie den Eindruck haben, dass er an einer sozialen Angststörung leidet, sollten Sie das Gespräch mit ihm suchen und einige persönliche Fragen stellen.

Unbehandelt hohe Rate an Komorbiditäten

Menschen mit sozialer Phobie weisen häufig zusätzlich andere Angststörungen oder auch Depressionen auf. Sie begehen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung 13-mal häufiger Suizidversuche. Außerdem ist ihr Alkohol- und Substanzmissbrauch dreifach erhöht. Doch wie lässt sich schüchternes Verhalten davon abgrenzen?

Für eine soziale Phobie spricht es, wenn in der furchtbesetzten Situation eine erhebliche Stressbelastung vorliegt, erläutert der Experte. Auch Krankheiten wie Schizophrenie und Panikstörungen gehören zu möglichen Differenzialdiagnosen, die abzuklären sind (deutsche S3-Leitlinie zur Behandlung von Angststörungen).

Die belastenden Symptome einer sozialen Phobie können mit psychotherapeutischen Verfahren und verschiedenen Medikamenten gut gebessert werden, so die Autoren. Kontrollierte Studien belegen die Wirksamkeit verschiedener Varianten der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT). Grundsätzlich zielt die KVT darauf ab, sogenannte dysfunktionale Annahmen und Gedanken (z.B. negatives Denken) zu erkennen, zu unterbrechen und zu korrigieren. Auf diese Weise soll situationsgerechtes Verhalten ermöglicht werden.

Kognitive Verhaltenstherapie hilft fast immer

Wann wird eine medikamentöse Behandlung empfohlen? Dies hängt den Experten zufolge vom Leidensdruck des Patienten ab. Entscheidend ist außerdem, ob Komplikationen wie Depression, Suizidalität, Alkohol- oder Drogenmissbrauch drohen. Denn: Patienten mit belastender sozialer Phobie „therapieren“ sich häufig selbst – und zwar mit Alkohol.

Zu den Medikamenten erster Wahl zählen selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Venlafaxin, ein selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Studien belegen beispielsweise die Wirksamkeit der SSRI Escitalopram, Paroxetin, Fluvoxamin und Sertralin. Die Untersuchungsdaten legen nahe, die Behandlung nach Eintreten der Besserung über weitere sechs bis zwölf Monate fortzusetzen.

Quelle: Borwin Bandelow et al., Nervenarzt 2014; 85:635f

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