
Hassgeräusche: Bei Misophonie hilft nur eine kognitive Verhaltenstherapie

Wer kennt das nicht: Wenn jemand schmatzt oder schnieft, kann einem das ziemlich auf die Nerven gehen. Das ist jedoch gar nichts im Vergleich zu dem, was Menschen mit Misophonie durchmachen. Bei ihnen lösen spezifische Geräusche und Klänge intensive emotionale Reaktionen wie Hass, Wut, Angst und Ekel aus. Nicht nur Schmatzen, Schniefen und Schlürfen können derart provozieren, auch Kugelschreiber-Klicken, Tastaturgeräusche oder klackernde Highheels.
Die Crux dabei: Es handelt sich um alltägliche Geräusche, denen man sich kaum entziehen kann. Aufgrund des hohen Leidensdrucks und großer sozialer Probleme ziehen sich Betroffene oft von Familie und Freunden zurück. Der Job leidet ebenfalls darunter, schreiben die Autoren um Dr. Visal Tumani, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III, Universitätsklinikum Ulm.
Als Zwangserkrankung oder Phobie eingestuft
Erstmals beschrieben wurde das Phänomen 2003. Synonym verwendet man die Begriffe „Selective Sound Sensitivity Syndrome“ und „Selektive Geräuschintoleranz“. Zur Ätiopathologie ist bislang sehr wenig bekannt. Das Krankheitsbild zeigt gleichzeitig Überlappungen mit und Abgrenzungen zu anderen audiologischen Störungen wie reduzierte Klangtoleranz, Hyperakusis, Diplakusis und Tinnitus.
Aktuelle psychiatrische Klassifikationssysteme führen die Misophonie nicht als eigenständiges Krankheitsbild, sondern ordnen es Zwangserkrankungen, Phobien oder posttraumatischer Belastungsstörung zu. Doch nicht jeder stimmt damit überein: Nicht Angst, sondern Aggression sei das dominierende Symptom, so die Kritiker. In einer Onlinebefragung gaben über 300 Misophoniker mehrheitlich an, die Symptome hätten schon in der Kindheit oder im frühen Teenageralter begonnen und sich im Lauf der Zeit verstärkt. Rund ein Drittel der Teilnehmer berichtete über Familienmitglieder mit ähnlicher Symptomatik.
50 % bejaten die Frage nach Komorbiditäten. Bei ihnen lagen oft posttraumatische Belastungsstörungen bzw. autonome sensorische Meridianreaktionen (ASMR) vor. Bei ASMR treten entspannende bis euphorische Reaktionen auf spezifische auditorische oder visuelle Reize auf.
Bleibt die Frage nach einer geeigneten Therapie: Der Versuch vieler Betroffenen, kritische Geräusche mit Musik zu übertönen, kann keine Lösung sein. Eine offene Studie mit 90 Misophonikern stützt die Behandlungsversuche mit kognitiver Verhaltenstherapie. Nach acht zweiwöchentlichen Gruppensitzungen reduzierte sich in 48 % der Fälle die Symptomatik signifikant.
Der Therapieerfolg wurde als mindestens 30%ige Besserung auf der nicht-validierten „Amsterdam Misophonia Scale“ definiert. Ausgeprägte Misophonie sowie Ekelgefühle waren positive Prädiktoren für ein Ansprechen auf die Therapie.
Quelle: Tumani V et al. Nervenheilkunde 2017; 36: 745-746
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).