Schizophrenie: Was tun, wenn die Symptome nicht weichen wollen?

Maria Weiß

Seit Wochen Stimmenhören: Wechseln, höher dosieren oder kombinieren? (Agenturfoto) Seit Wochen Stimmenhören: Wechseln, höher dosieren oder kombinieren? (Agenturfoto) © iStock/KatarzynaBialasiewicz

Seit zwei Wochen erhält der 26-jährige Schizophreniepatient täglich 600 mg Quetiapin. Doch an seinen akustischen Halluzinationen hat das nichts geändert. Wie die Therapie bei ihm weitergehen könnte, diskutierten zwei Experten.

Einfach abzuwarten ist keine Option, meinte Professor Dr. Stefan Leucht von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar in München. Zeigt ein Schizophreniepatient nach zwei Wochen medikamentöser Therapie nicht einmal minimale Verbesserungen seiner Symptome, stehen die Chancen schlecht, dass sich daran noch etwas ändern wird. In der neuen S3-Leitlinie Schizophrenie wird deshalb dazu geraten, nach zwei, maximal vier Wochen zu prüfen, ob der Kranke auf die Medikation anspricht.¹

Non-Adhärenz und Rauchen behindern das Ansprechen

Ist das nicht der Fall, sollte der behandelnde Arzt zunächst einige Faktoren abklären, die eine Therapieresistenz vortäuschen können. Anhand von Serumspiegeln lassen sich zum Beispiel eine mangelnde Adhärenz nachweisen und sogenannte „ultra rapid metabolizer“ (1 % der Bevölkerung) bzw. „poor metabolizer“ (5 %) identifizieren. Während Erstere oft keinen ausreichenden Plasmaspiegel aufbauen und damit zu Pseudo-Nonrespondern werden, verstoffwechseln Letztere bestimmte Arzneien praktisch nicht.

Ebenfalls relevant: der Raucherstatus. Qualmen kann die Spiegel von Olanzapin und Clozapin reduzieren. Zudem ist auf mögliche Medikamenteninteraktionen (u.a. Enzyminduktion durch Carbamazepin), Komorbiditäten und Substanzmissbrauch zu achten, mahnte der Kollege.

Im Fall des 26-Jährigen wurden all diese Faktoren ausgeschlossen. Auch mit einer Dosiserhöhung auf 800 mg Quetiapin pro Tag erzielten die Ärzte keinerlei Erfolg – trotz ausreichender Serumspiegel.

Meist bringt es nichts, die Dosis noch weiter nach oben zu schrauben, erklärte Professor Dr. Gerhard Gründer vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim. Besser ist, auf ein Antipsychotikum zu wechseln, das ein anderes Rezeptorbindungsprofil aufweist. Dieser Hinweis findet sich ebenfalls in der neuen Leitlinie. Als Basis für die Empfehlung diente eine Metaanalyse, in der nach initialer Nonresponse keine Effekte nachgewiesen werden konnten. Ausnahmen bilden „ultra rapid metabolizer“ und starke Raucher, die unter Umständen höhere Dosen benötigen, so der Experte.

Diesem Rat folgend, wurde der Patient auf 8 mg/d Risperidon eingestellt. Trotz intensiver Begleittherapie inklusive kognitiver Verhaltenstherapie brachte aber auch das nicht den ersehnten Durchbruch. Angesichts von zwei erfolglosen Behandlungsversuchen mit jeweils einem Antipsychotikum plädierten die Referenten für Clozapin in adäquater Dosierung (300–600 mg/d über acht Wochen, Serumspiegel > 350 ng/ml). Bekomme man Wahn und Halluzinationen damit noch immer nicht in den Griff (wie im Fall des jungen Mannes), solle man zwei Präparate kombinieren (s. Kasten).

Geeignete antipsychotisch wirksame Kombinationen

Lassen sich Wahn und Halluzinationen mit einer Monotherapie nicht in den Griff bekommen, raten die Experten zur Kombination mit einem zweiten Präparat. Quetiapin, Olanzapin und Clozapin können jeweils mit Amisulprid, Aripiprazol, Ziprasidon oder Risperidon kombiniert werden.

Symptomorientierte Ergänzung in Einzelfällen sinnvoll

Von einer Augmentation mit Substanzen wie Carbamazepin, Lamotrigin oder Valproat rieten Prof. Leucht und Prof. Gründer ab. Die Evidenz reicht nach ihrer Einschätzung für eine generelle Empfehlung nicht aus. In Einzelfällen kann jedoch eine symptomorientierte Ergänzung sinnvoll sein: beispielsweise Lithium bei persistierenden manischen Symptomen und Antidepressiva bei persistierender Depressivität.

Mit der rTMS gegen akustische Halluzinationen

Bei dem 26-Jährigen kombinierte man Clozapin mit Amisulprid, doch das war ebenfalls erfolglos. Als letzte Option bleibt in einem solchen Fall ein Versuch mit der Elektrokrampftherapie oder der niederfrequenten repetitiven transkraniellen Magnetstimulation (rTMS). Die rTMS, über dem linken Temporallappen appliziert, könnte gegen persistierende akustischen Halluzinationen wirken. Tatsächlich gingen mit diesem Verfahren die Symptome des 26-Jährigen endlich zurück. Stimmenhören und Wahnvorstellungen reduzierten sich nach zehn Sitzungen deutlich.

Kongressbericht: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Kongress 2018

Quelle: S3-Leitlinie „Schizophrenie“, AWMF-Registernr.: 038-009

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Seit Wochen Stimmenhören: Wechseln, höher dosieren oder kombinieren? (Agenturfoto) Seit Wochen Stimmenhören: Wechseln, höher dosieren oder kombinieren? (Agenturfoto) © iStock/KatarzynaBialasiewicz