Elektrokrampftherapie: Effektiver als Antidepressiva?

Michael Brendler

Antidepressivum vs. Elektroschock: Die Frage nach geeigneten Methoden ist umstritten. Antidepressivum vs. Elektroschock: Die Frage nach geeigneten Methoden ist umstritten. © iStock.com/Junce

Die Elektrokonvulsionstherapie hat einen schlechten Ruf. Zu Recht? Da­rüber lässt sich auch heute noch streiten, wie eine Debatte im British Medical Journal zeigt.

Im Jahr 1938 versuchte der italienische Neurologe und Psychiater Ugo Cerletti erstmals, Patienten durch künstlich ausgelöste Krampfanfälle von ihrer Schizophrenie zu heilen. Wenig später probierten Kollegen solche Stromimpulse auch an Depressionspatienten aus. Eine erste Studie – durchgeführt 1951 – bescheinigte allerdings der Methode, mehr Schaden anzurichten, als Nutzen zu bringen.

Dies berichten Professor Dr. John Read von der University of East London und Dr. Sue Cunliffe­ vom Londoner King’s College, die sich selbst als Elektroschock-Überlebende vorstellt. Inzwischen seien zehn Studien veröffentlicht, berichten die beiden, in denen sich das Verfahren im Vergleich zu einer Scheinbehandlung hatte bewähren müssen. In jeder Zweiten davon war die Elektrokonvulsionstherapie (ECT) laut den beiden Autoren der vorgetäuschten Therapie nicht überlegen, bei den anderen fünf hielt die Wirkung nicht länger als die Therapiedauer an. Und auch das galt nur für ein Drittel der Probanden.

Dies wollen Dr. Sameer Jauhar­, ebenfalls vom King‘s College London, und Professor Dr. Declan M. McLoughlin von der St. Patrick’s University in Dublin, so nicht stehen lassen. Dass die Elektrokrampftherapie schon ihren achtzigsten Geburtstag hinter sich hat, habe ihrer Meinung nach vor allem einen Grund: Die Methode hat sich auch in Studien als effektive Therapie bei schwierig zu behandelnden Depressionen und Manien sowie bei katatonischen Patienten erwiesen.

Die Tatsache, dass man sich in Hinblick auf die Evidenzlage mit vielen Kollegen so uneinig ist, schieben die beiden Experten auf die vielen fragwürdigen Studien, die in der Angelegenheit vorgelegt wurden. Die UK ECT Review Group indes sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die ECT wirksamer als eine vorgetäuschte Elektrokonvulsionstherapie und effektiver als Antidepressiva sei (Effektgrößen -0,91 bzw. -0,8).

„Keine robusten Beweise für Hirnschäden auf zellulärer und makroskopischer Ebene“

Die Gefahr von Nebenwirkungen könne man nicht leugnen, räumen die beiden Autoren ein. Die Störungen von Kurzzeitgedächtnis und exekutiven Hirnfunktionen lös­ten sich innerhalb von Wochen aber wieder auf. Mit den möglichen Folgen für das Langzeitgedächtnis sei es komplizierter, denn diese seien nur schwer von den Einschränkungen durch die ursprüngliche Krankheit abzugrenzen.

Dr. Jauhar und Prof. McLoughlin verweisen auf aktuelle Bemühungen, die Nebenwirkungen der ECT weiter zu reduzieren, etwa durch Verfahren wie Ultrakurz-Impulse oder die unilaterale Hochdosis-ECT. „Anders als manche sensationslüsternen Medien berichten, gibt es keine robusten Beweise für Hirnschäden auf der zellulären oder makroskopischen Ebene“, schreiben die beiden Wissenschaftler. Deshalb werde die Stigmatisierung der Behandlung nur dazu beitragen, gerade besonders schwer betroffenen Kranken eine der wirksamsten Therapien vorzuenthalten.

Quelle: Read J et al. BMJ 2019; 364: k5233

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