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Antidepressiva absetzen: Langsame Dosissenkung kann Entzugssymptome verhindern

Schon nach vier- bis achtwöchiger Psychopharmakatherapie können Entzugssymptome auftreten. Besonders prädestiniert dafür sind Patienten, die ein Antidepressivum mit kurzer Halbwertszeit einnehmen. Dauert die Behandlung länger, steigt die Rate aber nicht an, sagte Professor Dr. Tom Bschor von der Abteilung für Psychiatrie an der Schlosspark-Klinik Berlin. Status quo sind bislang 43 Symptome beschrieben. Zu den häufigsten zählen unspezifische Beschwerden wie
- Schwindel,
- Übelkeit,
- Kopfschmerzen,
- Schlafstörungen,
- Gereiztheit und
- Stimmungslabilität.
Teilweise ähneln sie der depressiven Grunderkrankung. Das macht es zum Teil schwer, sie von einem Rezidiv zu unterscheiden (z.B. Müdigkeit oder Ängste), so der Referent. Ein Hinweis, dass es sich tatsächlich um Entzugserscheinungen handelt, ist das sofortige Ansprechen, wenn die Medikamente erneut angesetzt werden. Hilfreich ist auch eine kleine Eselsbrücke (s. Kasten).
Eselsbrücke für Entzugserscheinungen: FINISH
- Flu-like symptoms (grippeähnliche Symptome)
- Insomnia (Schlafstörungen, Albträume)
- Nausea (Übelkeit, Erbrechen)
- Imbalance (Gleichgewichtsstörungen, Ataxie, Schwindel)
- Sensory disturbances („Stromschläge“, Dysästhesien)
- Hyperarousel (Ängstlichkeit, Agitation, Reizbarkeit, Aggressivität u.ä.)
Symptome lassen sich nicht immer vollständig vermeiden
Oftmals treten Entzugseffekte nach Paroxetin, Venlafaxin, trizyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern auf. Aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit geht von Fluoxetin weniger Gefahr aus und nach Agomelatin im Grunde überhaupt keine. Die Häufigkeitsangaben schwanken in der Literatur zwischen 1 und 86 %, wobei sie in jüngeren Untersuchungen eher höher liegen. Indem man Antidepressiva langsam ausschleicht, lässt sich das Risiko für die Symptome zwar deutlich reduzieren, aber nicht vollständig vermeiden. Wie in der S3-Leitlinie angegeben, reduziert man die Dosen am besten schrittweise über mindestens vier Wochen. Bei sehr langen Halbwertszeiten kann es aber auch deutlich länger dauern. Da sich Tabletten nur begrenzt teilen lassen, riet Prof. Bschor zu Präparaten in Tropfenform (z.B. Escitalopram, Amitryptilin, Trimipramin). Problematisch wird es bei Absetzeffekten, wie Suizidgedanken, Aggressionen oder Verwirrung, bzw. wenn der Patient aufgrund der Beschwerden nicht von den Antidepressiva loskommt. Auch Einzelfälle, in denen die Phänomene länger als ein Jahr dauern, wurden schon beschrieben. Fallen die Symptome also zu stark aus, findet sich in der S3-Leitlinie zur unipolaren Depression der Hinweis, das Präparat vorübergehend wieder anzusetzen und dann unter Beobachtung einen erneuten Entzug zu versuchen.Quelle: DGPPN* Kongress 2018
* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
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