Antidepressiva absetzen: Langsame Dosissenkung kann Entzugssymptome verhindern

Maria Weiß

Damit Ihr Patient die Dosis in kleinen Schritten reduzieren kann, sollten Sie das Medikament als Tropfen verordnen. Damit Ihr Patient die Dosis in kleinen Schritten reduzieren kann, sollten Sie das Medikament als Tropfen verordnen. © iStock.com/zilli

Irgendwann ist es an der Zeit, Patienten von den medikamentösen Fesseln ihrer Depressionstherapie zu befreien. Dumm nur, wenn sie dadurch erschöpft, ängstlich oder erneut depressiv werden. Indem man die Präparate sehr langsam ausschleicht, kann man dem entgegenwirken.

Schon nach vier- bis achtwöchiger Psychopharmakatherapie können Entzugssymptome auftreten. Besonders prädestiniert dafür sind Patienten, die ein Antidepressivum mit kurzer Halbwertszeit einnehmen. Dauert die Behandlung länger, steigt die Rate aber nicht an, sagte Professor Dr. Tom Bschor von der Abteilung für Psychiatrie an der Schlosspark-Klinik Berlin. Status quo sind bislang 43 Symptome beschrieben. Zu den häufigsten zählen unspezifische Beschwerden wie

  • Schwindel, 
  • Übelkeit, 
  • Kopfschmerzen, 
  • Schlafstörungen,
  • Gereiztheit und 
  • Stimmungslabilität.

Teilweise ähneln sie der depressiven Grunderkrankung. Das macht es zum Teil schwer, sie von einem Rezidiv zu unterscheiden (z.B. Müdigkeit oder Ängste), so der Referent. Ein Hinweis, dass es sich tatsächlich um Entzugserscheinungen handelt, ist das sofortige Ansprechen, wenn die Medikamente erneut angesetzt werden. Hilfreich ist auch eine kleine Eselsbrücke (s. Kasten).

Eselsbrücke für Entzugserscheinungen: FINISH

  • Flu-like symptoms (grippeähnliche Symptome)
  • Insomnia (Schlafstörungen, Albträume)
  • Nausea (Übelkeit, Erbrechen)
  • Imbalance (Gleichgewichtsstörungen, Ataxie, Schwindel)
  • Sensory disturbances („Stromschläge“, Dysästhesien)
  • Hyperarousel (Ängstlichkeit, Agitation, Reizbarkeit, Aggressivität u.ä.)

Typischerweise treten Absetzphänomene relativ rasch innerhalb der ers­ten Wochen auf, in aller Regel nach drei bis maximal fünf Halbwertszeiten der jeweiligen Substanz. Dabei handelt es sich meist um eine reversible milde Symptomatik, die sich nach 2–6 Wochen spontan zurückbildet. Prof. Bschor empfahl, die Patienten trotzdem am besten schon vor Therapiestart darüber aufzuklären. Spätestens jedoch, bevor man die Medikamente absetzt.

Symptome lassen sich nicht immer vollständig vermeiden

Oftmals treten Entzugseffekte nach Paroxetin, Venlafaxin, trizyklischen Antidepressiva und MAO-Hemmern auf. Aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit geht von Fluoxetin weniger Gefahr aus und nach Agomelatin im Grunde überhaupt keine. Die Häufigkeitsangaben schwanken in der Literatur zwischen 1 und 86 %, wobei sie in jüngeren Untersuchungen eher höher liegen. Indem man Antidepressiva langsam ausschleicht, lässt sich das Risiko für die Symptome zwar deutlich reduzieren, aber nicht vollständig vermeiden. Wie in der S3-Leitlinie angegeben, reduziert man die Dosen am besten schrittweise über mindes­tens vier Wochen. Bei sehr langen Halbwertszeiten kann es aber auch deutlich länger dauern. Da sich Tabletten nur begrenzt teilen lassen, riet Prof. Bschor zu Präparaten in Tropfenform (z.B. Escitalopram, Amitryptilin, Trimipramin). Problematisch wird es bei Absetzeffekten, wie Suizidgedanken, Aggressionen oder Verwirrung, bzw. wenn der Patient aufgrund der Beschwerden nicht von den Antidepressiva loskommt. Auch Einzelfälle, in denen die Phänomene länger als ein Jahr dauern, wurden schon beschrieben. Fallen die Symptome also zu stark aus, findet sich in der S3-Leitlinie zur unipolaren Depression der Hinweis, das Präparat vorübergehend wieder anzusetzen und dann unter Beobachtung einen erneuten Entzug zu versuchen.

Quelle: DGPPN* Kongress 2018

* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Damit Ihr Patient die Dosis in kleinen Schritten reduzieren kann, sollten Sie das Medikament als Tropfen verordnen. Damit Ihr Patient die Dosis in kleinen Schritten reduzieren kann, sollten Sie das Medikament als Tropfen verordnen. © iStock.com/zilli