Patientenaufklärung kann für mehr Erfolg beim Deprescribing sorgen

Dr. Melanie Söchtig

Primärer Endpunkt war das vollständige Absetzen oder eine Dosisreduktion einer bestimmten Medikation sechs Monate nach Erhalt des Infomaterials. Primärer Endpunkt war das vollständige Absetzen oder eine Dosisreduktion einer bestimmten Medikation sechs Monate nach Erhalt des Infomaterials. © flil - stock.adobe.com

Das Thema Polypharmazie und die Option der „Entschreibung“ unnötiger Arzneimittel sollte vor allem in Hausarztpraxen in Angriff genommen werden. Denn dort laufen die Behandlungsschnüre zusammen. Um Vorbehalte seitens der Patientinnen und Patienten aufzulösen, genügt manchmal eine einfache Maßnahme.

Das Konzept des Deprescribing, also des Absetzens von unnötigen Medikamenten, wird in Hausarztpraxen nur zögerlich umgesetzt. Ein Hebel, um die Akzeptanz und Durchführung derartiger Entrümpelungsaktionen zu erleichtern, könnte in der Patientenaufklärung liegen. Ein Forscherteam um Dr. Katie Fitzgerald Jones, U. S. Department of Veterans Affairs, hat untersucht, wie sich eine patientenorientierte Informationskampagne auf das Entschreiben von verschiedenen Medikamentengruppen auswirkt.

Die Studie fand von April 2021 bis Oktober 2022 statt. Eingeschlossen wurden 5.071 Personen, die sich bei insgesamt 103 Ärztinnen und Ärzten in Behandlung befanden. 2.539 Teilnehmende erhielten zwei bis drei Wochen vor ihrem Arzttermin eine medikamentenspezifische Aufklärungsbroschüre (Interventionsgruppe). Als Kontrollen dienten 2.532 Teilnehmende, die jeweils bei demselben Heilkundigen in Behandlung waren. Primärer Endpunkt war das vollständige Absetzen oder eine Dosisreduktion einer bestimmten Medikation sechs Monate nach Erhalt des Infomaterials.

Kaum Unterschiede innerhalb der Medikamentengruppen

Die Gesamtrate des Deprescribing betrug 29,5 % in der Interventions- und 25,8 % in der Kontrollgruppe. Keine statistisch signifikanten Unterschiede zeigten sich hinsichtlich bestimmter Medikamentengruppen. So lag die Deprescribing-Rate in der Interventionsgruppe gegenüber den Kontrollen ähnlich hoch bei Protonenpumpenhemmern (29,4 % vs. 25,4 %), hoch dosiertem Gabapentin (40,2 % vs. 36,2 %) und Antidiabetika mit Hypoglykämierisiko (27,3 % vs. 25,1 %). Das Autorenteam errechnete für die Interventionsgruppe eine um den Faktor 1,21 höhere Deprescribing-Rate, was einem Anstieg der absoluten Rate um 2–4 % entsprach.

Eine weitere im gleichen Zeitraum publizierte Studie zeigte einen absoluten Anstieg der Deprescribing-Rate um 13,3 % nach acht Wochen. Die Teilnehmenden (≥ 60 Jahre) waren im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts mit Pregabalin behandelt worden. 

In einem Editorial betont Dr. Timothy Anderson, University of Pittsburgh, dass beide Studien mit frei erhältlichen Aufklärungsbroschüren durchgeführt wurden. Derartige evidenzbasierte Materialien seien zur Anbahnung des Deprescribing geeignet. Kliniken und Praxen sollten sie analog zu anderen Infobroschüren in der Routineversorgung nutzen. Auch wenn diese und frühere Studienergebnisse darauf hindeuten, dass Aufklärungsbroschüren Gespräche zum Deprescribing anstoßen, sei bis zum tatsächlichen Absetzen oft weitaus mehr erforderlich.

Quelle: 

1. Jones KF et al. JAMA Intern Med 2024; e244739; DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.4739 
2. Gingras MA et al. JAMA Intern Med 2024; e244748; DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.4748
3. Anderson TS. JAMA Intern Med 2024; DOI: 10.1001/jamainternmed.2024.4755

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Primärer Endpunkt war das vollständige Absetzen oder eine Dosisreduktion einer bestimmten Medikation sechs Monate nach Erhalt des Infomaterials. Primärer Endpunkt war das vollständige Absetzen oder eine Dosisreduktion einer bestimmten Medikation sechs Monate nach Erhalt des Infomaterials. © flil - stock.adobe.com