Unterschiede zwischen den Antidepressiva aufgedeckt

Maria Weiß/Maria Fett

Ein SSRI, SSNRI, ein Trizyklikum oder doch eine andere Substanz? Bei Depressionen haben Ärzte die Qual der Wahl. Ein SSRI, SSNRI, ein Trizyklikum oder doch eine andere Substanz? Bei Depressionen haben Ärzte die Qual der Wahl. © iStock/FotografiaBasica

In der Therapie mittelschwerer und schwerer Depressionen führt kaum ein Weg an Psychopharmaka vorbei. Was ihre Wirksamkeit angeht, besteht allerdings noch Luft nach oben. Das gilt auch für die Psychotherapie.

Nicht erst seit kurzem wird darüber diskutiert, wie wirksam Antidepressiva tatsächlich sind. Mit der bislang größten Netzwerkmetaanalyse, in die 522 randomisierte kontrollierte Studien einbezogen worden waren, hatten Kollegen um Dr. Andrea Cipriani sicher einen Großteil der Zweifel ausräumen und den Nutzen bei Major Depression klar aufzeigen können – da war sich Professor Dr. Stefan Leucht von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie, Klinikum rechts der Isar, TU München, sicher.

Alle getesteten 21 Präparate waren Placebo überlegen

In ihrer Arbeit hatten die Wissenschaftler insgesamt 21 Medikamente, die zur Behandlung von Erwachsenen mit Major Depression zugelassen sind, untereinander sowie gegen Placebo verglichen.¹ Wie sich zeigte, waren alle Substanzen den Scheinmedikamenten überlegen. Der Unterschied zu Placebo fiel für Amitriptylin am deutlichsten (Odds Ratio, OR 2,13) und für Reboxetin am schwächsten aus (OR 1,37).

Durchblick im Substanzdschungel

Je nach Schwere der Symptome schlug Prof. Lieb unter Berücksichtigung von Wirksamkeit und Nebenwirkungen folgendes Stufenschema vor:
  • Stufe 1: (bei leichteren Depressionen evtl. hoch dosiertes Johanniskraut); ansonsten die SSRI Escitalo­pram oder Sertralin
  • Stufe 2: hoch dosiertes Venlafaxin (mind. 225 mg/d, stationär auch 375 mg), alternativ SSNRI Milnacipran oder SSRI plus Mirtazapin
  • Stufe 3: Lithium, ggf. vorher auf trizyklische Antidepressiva umstellen, z.B. Amitriptylin
Sprechen die Patienten nicht wie erhofft auf die Pharmakotherapie an, sollten Kollegen die Dosen zum Beispiel von SSRI nicht einfach erhöhen, betonte der Experte. Es empfiehlt sich, zusätzlich eine Psychotherapie zu erwägen.

Im Vergleich untereinander zählten Agomelatin, Amitriptylin, Escitalopram, Mirtazapin, Paroxetin, Venlafaxin und Vortioxetin zu den Präparaten, auf die die Patienten am besten ansprachen. Als weniger wirksam stellten sich Fluoxetin, Fluvox­amin und Trazodon heraus. In der Reduktion der Symptomschwere behielten die untersuchten Antidepressiva im Placebovergleich ebenfalls die Oberhand, wobei ihre Effektstärken von 0,17 (Reboxetin) bis 0,48 (Amitriptylin) bestenfalls als moderat zu bezeichnen sind. Bis auf die Substanzen am oberen und unteren Ende der Liste unterscheiden sie sich kaum voneinander, urteilte Prof. Leucht. Für eine rationale Behandlung kommt es aber nicht allein auf die Wirksamkeit des Präparats an. Auch Remissionsrate und Verträglichkeit müssen ins Kalkül gezogen werden. Bezüglich der Remissionsrate schnitten Amitriptylin, Duloxetin und Nefazodon am besten ab. Schaut man sich an, wie gut die Patienten die Medikamente vertragen hatten, lagen lediglich Agomelatin (OR 0,84) und Fluoxetin (OR 0,88) über Placeboniveau.

Langes Warten auf die nur mäßig wirksame KVT

Auf Antidepressiva verzichten könne man in der Praxis nicht, meinte Professor Dr. Klaus Lieb, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsmedizin Mainz. Nicht jeder Patient erhalte zeitnah einen Psychotherapieplatz oder wünsche diese Therapie. Zudem liege auch die Effektstärke z.B. der kognitiven Verhaltenstherapie nur bei moderaten 0,34, sagte Prof. Lieb.

Kongressbericht Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) Kongress 2018

Quelle:
¹ Cipriani A et al. Lancet 2018; 391: 1357-1366

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