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Nur selten der Grund für Muskelschmerzen

Immer wieder berichten Patienten, ihr Statin nicht zu vertragen. Insbesondere klagen sie über Muskelbeschwerden, insbesondere in den großen Muskeln, über Zuckungen, Krämpfe und Schwäche. Die Daten aus placebokontrollierten Studien können die hohe Rate an Unverträglichkeiten aber nicht erklären, meint Dr. Anja Vogt von der Stoffwechselambulanz an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Eine einheitliche Klassifizierung der statinassoziierten Muskelsymptome existiert nicht. Die Experten der Europäischen Atherosklerosegesellschaft (EAS) schlagen aber die folgende Einteilung vor:
- Muskelschmerzen: Muskelsymptome bei normaler CK-Konzentration
- Muskelsymptome: bei geringer Erhöhung der CK-Konzentration (Gruppe 1: CK-Wert < 4-fach des oberen Normwerts erhöht; Gruppe 2: > 4-fach und < 10-fach erhöht
- Myositis oder Myopathie: meist generalisierte proximale Beschwerden, auch ohne Muskelschwäche: CK-Wert > 10-fach erhöht
- Rhabdomyolyse: Muskelsymptome bei CK-Wert > 40-fach erhöht, mit Niereninsuffizienz und/oder Myoglobinurie
Einer Metaanalyse zufolge gehen mehr als 90 % der Muskelsymptome, die Patienten ihrer lipidsenkenden Therapie zuschreiben, nicht auf das Statin zurück. Eine wichtige Ursache für die Beschwerden ist der Noceboeffekt. Wegen der tatsächlichen oder vermuteten Statinunverträglichkeit setzen viele der Betroffenen die Medikamente ab oder reduzieren die Dosis. Die Folge: Der LDL-C-Spiegel sinkt nicht ausreichend, das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse steigt.
Auch andere Medikamente begünstigen Muskelschmerzen
In dieser Situation sollte man anamnestisch klären, ob vielleicht andere Erkrankungen wie Bandscheibenvorfall, Spinalkanalstenose, PAVK und Myopathien als Auslöser in Betracht kommen, schreibt Dr. Vogt. Zu erfragen ist auch die Einnahme von ACE-Hemmern, Betablockern und Antibiotika, für die Muskelsymptome als Nebenwirkung beschrieben sind. Auch Sport, ein niedriger Body-Mass-Index und höheres Patientenalter, Hypothyreose oder Vitamin-D-Mangel begünstigen Muskelschmerzen, ebenso akute Infektionen, Alkoholexzesse oder Drogenkonsum.
Statine sind mit hoher Evidenz sicher und gut verträglich, stellt Dr. Vogt unmissverständlich klar. Die Raten an unerwünschten Nebenwirkungen, die in Studien berichtet werden, liegen auf Placeboniveau. Das Risiko für eine gravierende Muskelschädigung einschließlich Rhabdomyolyse unter Statinen beträgt < 1 %, für eine schwere Hepatotoxizität circa 0,001 %.
Die Erfahrung zeigt, dass für Patienten die momentane Lebensqualität oft wichtiger ist als die langfristige Prävention kardiovaskulärer Ereignisse, beschreibt Dr. Vogt das Dilemma. Im Gespräch mit den Patienten ist die gut informierte Entscheidung für die lipidsenkende Therapie das Ziel.
Die Autorin weist darauf hin, dass der Begriff der statinassoziierten Muskelsymptome bedeutet, dass zwar ein Zusammenhang zwischen der lipidsenkenden Therapie und den Beschwerden besteht, nicht aber Kausalität. Sie hält es für immens wichtig, dass der behandelnde Arzt vom Nutzen der Statine überzeugt bleibt und mit dem Patienten daran arbeitet, die therapiebehindernden Noceboeffekte zu minimieren.
Atherosklerose als Folge erhöhter LDL-C-Konzentrationen birgt ganz klar die größeren Risiken als mögliche Nebeneffekte der Lipidsenker. Ein Medikament kann man bei erwiesenen Nebenwirkungen absetzen, einen hohen LDL-C-Wert bei einem kardiovaskulären Ereignis hingegen nicht. Mit dieser Argumentation motiviert Dr. Vogt ihre Patienten, die lipidsenkende Therapie trotz tatsächlicher oder vermeintlicher Muskelprobleme fortzuführen.
Quelle:
Vogt A. Innere Medizin 2023; 64: 622-628; DOI: 10.1007/s00108-023-01535-9
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