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Muskelschmerz unter Statinen?

Muskuläre Symptome unter Statineinnahme sind heterogen. Sie reichen von einfachen Myalgien über Muskelschwäche bis hin zu eher seltenen Myonekrosen und Rhabdomyolysen, schreiben Dr. Ursula Kassner von der Lipidambulanz an der Klinik für Endokrinologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin und Kollegen.
Mehrere Tatsachen erschweren die Einschätzung der potenziellen Nebenwirkungen: So gibt es keine Biomarker oder sonstigen Tests, die das Auftreten von statinassoziierten Muskelsymptomen (SAMS) vorhersagen könnten. Nur in seltenen Fällen sind genetische Veränderungen die Ursache. Zudem lassen sich auftretende Beschwerden nicht immer unzweifelhaft den Statinen zuschreiben. Auch eine Art Nocebo-Effekt spielt eine nicht unerhebliche Rolle: Patienten nehmen nach dezidierter Aufklärung eine negative Erwartungshaltung ein – und entwickeln prompt Symptome.
Was tun Sie also mit Ihren Patienten, die unter einer Statintherapie über Muskelschmerzen klagen? Wie im Übrigen vor Beginn jeder Statintherapie angeraten (Vergleichswert für später!), bestimmen Sie auch hier zunächst die Konzentration der Kreatinkinase (CK). So können Sie einen relevanten Muskelzelluntergang und die Gefahr einer Rhabdomyolyse (Myoglobin im Urin?) ausschließen. Finden Sie erhöhte Werte bis zum Zehnfachen der Norm, die nach Absetzen des Statins rückläufig sind, spricht das für eine statininduzierte Myonekrose. In den meisten Fällen ist das Ganze aber weniger dramatisch, oftmals ist die CK gar nicht oder nur geringfügig erhöht.
Ein Scoring-System hilft bei der Einschätzung der Beschwerden (Statin-Associated Muscle Symptom Clinical Index – SAMS-CI). Es fragt u.a. nach folgenden Eckdaten:
- Lokalisation der Beschwerden
- Zeitpunkt des Beschwerdebeginns
- etwaige Besserung nach Absetzen des Statins
- erneutes Auftreten bei Wiederansetzen der Substanz
Den Antworten wird jeweils eine Punktzahl zugewiesen. Resultiert ein niedriger Gesamtwert, so ist das Statin als Ursache der SAMS unwahrscheinlich. Dennoch sollte man sich nicht allein auf diese Punktzahl verlassen, warnen Dr. Kassner und Kollegen, sondern sie als Zusatzinfo zu einem ausführlichen Anamnesegespräch betrachten. Denn oftmals sind die Beschwerden mit dem Index nicht ohne Weiteres einzuordnen – hier kann die Überweisung an eine Spezialambulanz für Lipidstoffwechselstörungen bzw. Muskelerkrankungen ratsam sein.
Wenn wesentliche Muskelschäden ausgeschlossen sind, sollten Sie einen Blick auf den Medikationsplan des Patienten werfen, um hier mögliche Interaktionen mit dem Lipidsenker aufzuspüren. Das Gleiche gilt für Komorbiditäten (s. Tabelle). Leidet der Patient an einer entsprechenden Erkrankung, die aber medikamentös kontrolliert ist, raten die Fachleute zu einem Auslassversuch des Statins für zwei bis sechs Wochen.
Mögliche Gründe für Muskelbeschwerden unter Statinen | |
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Mechanismus | Beispiele |
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die in der Leber über das gleiche Enzymsystem abgebaut werden |
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bestimmte neuromuskuläre Vorerkrankungen |
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andere Erkrankungen, die per se muskuläre Beschwerden verursachen können (Verstärkung durch Statine) |
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Statinpräparat bei hohem Index-Wert austauschen
Danach setzen Sie es bei niedrigem SAMS-CI-Wert wieder an oder greifen zu einem alternativen Präparat ähnlicher Wirkstärke. Bei hohem SAMS-CI empfiehlt sich dagegen der Wechsel auf ein anderes Statin in geringerer Dosis (Fluvastatin und Pravastatin etwa weisen ein geringeres Risiko für Muskelsymptome auf), das eventuell auch nur jeden zweiten Tag genommen wird.Alternative Lipidsenker
- Ezetimib hemmt die Cholesterinaufnahme im Darm.
- PCSK9-Inhibitoren (Evolocumab, Alirocumab, im weitesten Sinne auch Inclisiran) beschleunigen die hepatische Clearance. Bei geplanter Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung sollte die Intoleranz von mindestens drei Statinen sowie der Rückgang der Muskelbeschwerden nach Absetzen dokumentiert werden.
- Bempedoinsäure (seit 9/2020 zugelassen) wirkt nur in der Leber, nicht in der Muskulatur. Daten aus der CLEAR-Studie zur langfristigen Wirksamkeit und Sicherheit sind Ende 2022 zu erwarten.
Einzelne Erfolge mit Koenzym Q10 beschrieben
Möglicherweise hilft eine Begleittherapie mit Omega-3-Fettsäuren, die bei kardiovaskulärer Grunderkrankung ohnehin sinnvoll sein kann. In Einzelfällen wurde auch ein Erfolg durch Gabe von Koenzym Q10 beschrieben. Wenn das alles nichts nützt und der hohe LDL-Cholesterinspiegel immer noch besteht, hilft letztlich nur das Umsteigen auf einen alternativen Lipidsenker (s. Kasten). Bringt auch das nichts, steht endgültig die Überweisung in ein Spezialzentrum an.Quelle: Kassner U et al. Internist 2021; 62: 827-840; DOI: 10.1007/s00108-021-01059-0
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