Sterbenskrank vom Hörnchenvirus – bei schweren unklaren Enzephalitiden nach Bornaviren fahnden

Manuela Arand

Bunthörnchen übertragen das seltene VSBV-1-Virus und kommen in Südamerika vor. Bunthörnchen übertragen das seltene VSBV-1-Virus und kommen in Südamerika vor. © iStock/neil bowman

Bornaviren springen nur selten auf den Menschen über – wenn aber doch, wird es lebensbedrohlich. Eine Kasuistik.

Ein 28-jähriger Tierpfleger, der im Zoo Menschenaffen betreute, kam mit unspezifischen Beschwerden – Schmerzen in Schulter, LWS und Bein, Zittern, Fieberschüben, Schwäche, Schlaflosigkeit – in die Klinik. Das Schädel-MRT wirkte unspektakulär, aber Lymphozytose im Liquor, deutlich erhöhter Proteingehalt, IgG-Index von 1,33 und positive oligoklonale Banden wiesen auf eine infektiöse Genese hin. Die daraufhin eingeleitete antibakterielle/antivirale Therapie schlug nicht an. Das zweite MRT nach neun Tagen zeigte Auffälligkeiten in Stammganglien und Temporallappen, berichtete Professor Dr. Martin Stangel, Medizinische Hochschule Hannover.

Erregersuche erst viele Jahre später erfolgreich

Dem Patienten ging es zunehmend schlechter, er trübte ein, wurde beatmungspflichtig, entwickelte generalisiert Myoklonien. FDG-PET und Mikrobiologie/Virologie inklusive zoonotischer Erreger brachten keine Erkenntnisse. Eine Hirnbiopsie förderte eine zerebrale Vaskulitis zutage. Unter Steroiden und Cyclophosphamid, später Azathioprin, besserten sich die Symptome des Mannes, aber das kognitive Defizit war auch nach einem Jahr noch präsent. Der Fall beschäftigte die Hannoveraner Kollegen so sehr, dass sie noch ein Next Generation Sequencing des Liquors auf seltene Erreger veranlassten – ohne Erfolg.

Elf Jahre später erhielten sie einen Anruf aus Kiel: ob noch Liquormaterial von dem Patienten vorliege? Man untersuchte Mitarbeiter nach, die in schleswig-holsteinischen Zoos gearbeitet hatten, weil dort eine Infektion mit einem sehr seltenen Erreger, dem VSBV-1 (Variegated Squirrel 1 Bornavirus. Variegated Squirrel heißt auf Deutsch Bunthörnchen und kommt in Südamerika vor.), aufgetreten war. Das Virus ist vor fünf Jahren erstmals beschrieben worden, als sich drei Bunthörnchen-Züchter in Sachsen-Anhalt damit infiziert hatten, schwer erkrankten und starben.Tatsächlich fanden sich auch bei dem Hannoveraner Patienten eindeutige Nachweise einer zerebralen VSBV-1-Infektion.

Hohe Letalität durch vaskulitische Prozesse

Im Süden und Osten Deutschlands endemisch ist das Borna Disease Virus 1. Es kommt bei Pferden und Schafen vor, infiziert vereinzelt auch Menschen und kann ebenfalls letale Enzephalitiden auslösen. Eine Seroprävalenzstudie bei Tierärzten ergab eine geringe Durchseuchung, was Prof. Stangel als Hinweis auf die hohe Letalität der Infektion beim Menschen wertet.

Diagnosekriterien der Borna­virus-Enzephalitis

Infektion bestätigt neu aufgetretene Enzephalitis/ Enzephalopathie und
  • Nachweis von VSBV-1-RNA in Liquor oder Hirngewebe ODER
  • Serokonversion in Serum oder Liquor ODER
  • vierfacher Anstieg der Antikörpertiter in Serum oder Liquor
Infektion wahrscheinlich neu aufgetretene Enzephalitis/ Enzephalopathie und
  • IgG-Antikörper gegen VSBV-1 in Serum oder Liquor UND
  • keine andere Erklärung für die Klinik
Infektion möglich neu aufgetretene Enzephalitis/ Enzephalopathie und
  • Kontakt mit exotischen Hörnchen UND
  • keine andere Erklärung für die Klinik

Nach: Tappe D et al. Euro Surveill 2019; 24: 1800483; DOI: 10.2807/1560-7917.ES.2019.24.8.1800483

Man sollte bei schweren unklaren Enzephalitiden, bei denen sich kein anderer Erreger nachweisen lässt, nach Bornaviren suchen, riet Prof. Stangel. Dazu sollte zunächst eine Serologie erfolgen, bei positivem Ausgang ein Bestätigungstest. Fällt auch der positiv aus, bringt die PCR den endgültigen Nachweis. Spezifische Therapien gibt es zwar nicht. Aber da die hohe Letalität möglicherweise auf vaskulitische Begleitprozesse zurückzuführen ist, könnte eine konsequente immunsuppressive Therapie sinnvoll sein, um diese zu durchbrechen.

Kongressbericht: 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Online-Veranstaltung)

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Bunthörnchen übertragen das seltene VSBV-1-Virus und kommen in Südamerika vor. Bunthörnchen übertragen das seltene VSBV-1-Virus und kommen in Südamerika vor. © iStock/neil bowman