
Übertragungswege deutlich verzweigter als bislang gedacht

Humanpathogene Hantaviren werden in der Regel von ganz bestimmten Nagetieren auf den Menschen übertragen. Die Zahl der pro Jahr in Deutschland erfassten Hantaviruserkrankungen schwankt stark und liegt zwischen einigen hundert und fast 3.000 Fällen. Hierzulande herrschen vor allem zwei humanpathogene Hantaviren vor:
- Im Süden und Westen Deutschlands ist das Puumalavirus (PUUV) weit verbreitet. Reservoir des Erregers ist die Rötelmaus.
- Das Dobrava-Belgrad-Virus (DOBV, Genotyp Kurkino) wird hingegen von der Brandmaus übertragen. Es kommt vor allem im Norden und Nordosten unseres Landes vor.
Bislang war man davon ausgegangen, dass der Mensch sich ausschließlich über virushaltige Aerosole anstecken kann. Zunehmend erhärtet sich allerdings der Verdacht, dass der Viruseintritt auch über den Darm möglich ist und die Ansteckung somit über kontaminierte Lebensmittel oder sogar über die Muttermilch infizierter Frauen erfolgen kann, berichtet ein Autorenteam um Prof. Dr. Jörg Hofmann vom Institut für Virologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch scheint dagegen so gut wie ausgeschlossen zu sein.
Neue Viren, neue Wirte
Bislang galten bestimmte Nagetiere als die typischen Überträger von Hantaviren auf den Menschen. Seit einigen Jahren entdecken Forscher mehr und mehr neue tierische Wirte der Erreger, darunter Spitzmäuse, Maulwürfe und Fledermäuse. Ob auch die Nicht-Nager-Hantaviren humanpathogen sind, ist derzeit Gegenstand von Untersuchungen. Auf jeden Fall empfiehlt es sich, bei der Anamnese und dem entsprechenden Krankheitsbild gezielt nach Freizeitaktivitäten und naturkundlichen Exkursionen zu fragen, die womöglich den Aufenthalt in Fledermaushöhlen o.ä. eingeschlossen haben.
Typisch für die akute Erkrankung sind Fieber und starker Flankenschmerz, dazu Kopf- und Gelenkschmerzen, was zunächst an einen grippalen Infekt denken lässt. Weiter treten regelmäßig Pleura- und Perikardergüsse auf, die sich mit Schmerzen und Atemnot bemerkbar machen. Im Rahmen einer Nierenfunktionsstörung kann es im Verlauf weniger Tage zur Oligurie kommen, was eine Behandlung in einer nephrologischen Klinik erforderlich macht.
Zunehmend rücken die neurologischen Veränderungen, die im Rahmen einer Hantavirusinfektion auftreten, in den Fokus. Diese Symptome reichen von einer akuten Myopie, die anamnestisch gezielt zu erfragen ist, bis zum vorübergehenden Visusverlust. In schweren Fällen, insbesondere bei Oligurie und Bluthochdruck, treten auch Krampfanfälle auf. Gleichfalls beschrieben ist ein infektassoziiertes Guillain-Barré-Syndrom mit den typischen aufsteigenden Lähmungen. Die neurologischen Krankheitszeichen zusammen mit Fieber können durchaus die Erstmanifestation der Hantavirusinfektion darstellen, schreiben Prof. Hofmann und Kollegen.
Nierenversagen als Leitsymptom
Laborchemisch findet sich bei der akuten Infektion typischerweise thrombozytopenisches Nierenversagen. Passend zur Oligurie sind die Serumkreatininspiegel regelhaft erhöht, teils bis auf das Zehnfache der Norm. Bei der Urinuntersuchung fallen oft eine geringgradige nicht-nephrotische Proteinurie, Leukozyturie und Hämaturie auf. Glomeruläre Hämaturie im Sinne einer Akanthozyturie hingegen ist infolge des interstitiellen Befalls der Niere nicht typisch. Gelegentlich macht sich eine begleitende Hepatitis in Form von leichtgradig erhöhten Transaminasewerten bemerkbar.
Schnelltests ermöglichen es heutzutage, die Erkrankung sicher zu erkennen und damit lebensbedrohliche Differenzialdiagnosen auszuschließen
Was kommt außer einer Hantavirusinfektion infrage? | |
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Differenzialdiagnose | Vorgehen |
thrombotische Mikroangiopathie (HUS/TTP) | Plasmaaustausch, |
systemischer Lupus erythematodes
| zügige Immunsuppression
|
Leptospirose | adäquate Antibiose |
Sepsis mit Verbrauchskoagulopathie (DIC) | Antibiotika, |
HUS: hämolytisch-urämisches Syndrom |
Innerhalb weniger Minuten lassen sich mit den Tests IgM-Antikörper gegen das PUUV-Nukleokapsid-Protein nachweisen. Das Ergebnis kann dann durch einen Immunoblot bestätigt werden. Bei Verdacht auf eine Hantavirusinfektion sollte EDTA-Plasma für eine PCR mit Sequenzierung unmittelbar asserviert werden, da die virämische Phase nur kurz andauert.
In schwereren Fällen setzt im klinischen Verlauf eine Polyurie ein. Bei der Behandlung einer akuten Hantavirusinfektion ist daher ein exakt bilanziertes Flüssigkeitsmanagement dringend geboten. Anurisches Nierenversagen ist eher selten, erfordert aber in 2–5 % der Fälle vorübergehend eine Dialyse. Gegen die Schmerzen empfehlen die Kollegen orale Analgetika wie Novaminsulfon, in schweren Fällen auch Opioide. NSAR hingegen sind aufgrund ihrer Nierentoxizität zu meiden.
Verschiedene Virostatika befinden sich in der Erprobung. Bislang konnte keines von ihnen überzeugen, auch Ribavirin nicht. Eine finnische Gruppe berichtete in ersten Kasuistiken über den Einsatz von Icatibant, einen selektiven kompetitiven Bradykinin-β2-Rezeptorantagonisten.
Quelle: Hofmann J et al. Dtsch Med Wochenschr 2022; 147: 312-318; DOI: 10.1055/a-1664-7259
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