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Strategien nach intensivierter systemischer Behandlung

Dr. Elizabeth A. Guancial, Florida Cancer Specialists & Research Institute, präsentierten ein Fallbeispiel:1 einen Patienten mit Prostatakarzinom und symptomatischen Knochenmetastasen, der mit ADT, Docetaxel und Darolutamid behandelt wurde und sich 18 Monate später mit neuen Knochenfiliae vorstellte. Expert:innen diskutierten die verschiedenen Möglichkeiten der Weiterbehandlung. Die Abstimmung des Auditoriums ergab keinen eindeutigen Sieger unter den Optionen:
- Switch auf andere NHA mit oder ohne zusätzlichen PARP-Inhibitor
- erneute Chemotherapie, aber mit Cabazitaxel
- Radioligandentherapie mit Lutetium-177 (177Lu-PSMA)
- Radionuklidtherapie mit Radium-223
- stereotaktische Bestrahlung mit weiterer Gabe von Darolutamid
Switch auf einen anderen NHA
Prof. Dr. Dr. Zachary R. Reichert, University of Michigan Medical School, betonte, dass eine Vielzahl von Gründen wie Mutationen des Androgenrezeptors (AR), AR-Splice-Varianten oder das Ausweichen auf andere Signalübertragungswege für ein Therapieversagen ursächlich sein könnte.2 Meist seien mehrere Faktoren involviert. Dies erschwere die Suche nach prädiktiven Biomarkern für ein Ansprechen auf eine weitere NHA. Wichtig sei aber, klinische und biologische prognostische Biomarker in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die Wahl einer ineffektiven Therapie habe für eine Person mit insgesamt günstiger Prognose und ohne Symptome nicht sofort negative Auswirkungen. Entscheide man sich für eine weitere NHA, bringe beim CRPC die Abfolge Enzalutamid nach Abirateron hinsichtlich des PSA 50 einen Vorteil. Und: Man sollte nicht zu lange auf ein PSA-Ansprechen warten. Ist dieses nach zwölf Wochen noch nicht eingetreten, sollte ein Restaging und ein Therapiewechsel stattfinden.
Lutetium-177 und Radium-223
Prof. Dr. Alan H. Bryce, City of Hope, Phoenix Cancer Center, beschäftigte sich mit der 177Lu-PSMA-Radioligandentherapie und der Radionuklidtherapie mit dem a-Strahler Radium-223 (Ra-223).3 Die Betrachtung, welche Strategie geeigneter sei, erfolge am fiktiven Fall eines Patienten mit alleiniger ossärer Metastasierung, die ausreichend PSMA-avide sei, erklärte Prof. Bryce. Während im Zuge der 177Lu-Radioligandentherapie PSMA-exprimierende Krebszellen direkt angegriffen werden, gebe es bei der Behandlung mit Ra-223 einen indirekten Angriff über das Targeting der Tumormikroumgebung im Knochen.
Die Knochenmarksreserve der Patient:innen stelle den wichtigsten Toxizitätsparameter dar, so Prof. Bryce, denn die Myelosuppression sei ein Klasseneffekt von Radiopharmazeutika. Diese zu managen und die Knochenmarksreserve im Auge zu behalten, sei daher essenziell – auch mit Blick auf möglicherweise folgende, ebenfalls myelotoxische Chemotherapien oder PARP-Inhibitoren. Prof. Bryce: „Dies ist eine sehr relevante Frage: Wie beeinflusst die aktuelle Therapieentscheidung alle später folgenden?“
In der anfangs durchgeführten Abstimmung hatte 177Lu größere Zustimmung erfahren als Ra-223. „Der Grund hierfür ist wahrscheinlich, dass fortgeschrittener Prostatakrebs niemals eine rein auf die Knochen beschränkte Erkrankung ist, sondern immer zirkulierende Mikrometastasen vorhanden sind“, konstatierte Prof. Bryce. Eine Reihe von Daten ergab, dass 40–50 % der mit Radium behandelten Patient:innen später Weichteilmetastasen entwickelten. „Damit wäre also die 177Lu-Therapie die bessere, da mit ihr auch die Mikrometastasen erfasst werden, oder? Ich würde sagen: Nein“, konstatierte Prof. Bryce. Grund sei, dass man wegen der b-Strahlung von 177Lu eine Mindestsättigung in den Tumoren und im Microenvironment benötige. Diese wiederum sei abhängig von der PSMA-Expression auf den Krebszellen und deren Anzahl in Reichweite. „Es gibt also ein Limit bei der Größe, die eine Läsion oder Mikrometastase haben muss, damit 177Lu wirksam sein kann.“ Ideal scheine ein direkt gegen Prostatakrebszellen gerichteter a-Strahler, so Prof. Bryce.
177Lu-PSMA vs. Ra-223
Vor allem hinsichtlich der eingesetzten Isotope handele es sich um verschiedene Therapien, betonte Prof. Bryce, denn zwischen a- und b-Strahlern bestünden signifikante Unterschiede. So ist die lineare Energieübertragung (LET) von a-Strahlern viel höher. „Die LET sagt etwas darüber aus, wie schnell wir eine ausreichende Zytotoxizität erzielen“, so Prof. Bryce. „Die relative Masse eines a-Teilchens ist fast 7.300-mal größer als die eines b-Teilchens und die Energie viel höher.“ Die Penetration des umliegenden Gewebes durch einen b-Strahler sei etwa um das 50-Fache höher, die abgegebene Energie aber geringer, erklärte Prof. Bryce. So hätten beide Radiopharmaka Vorteile bei verschiedenen Tumorarten und -größen.
PARP-Inhibition plus NHA
Die Ko-Inhibition von AR-Signalweg und PARP wirkt synergistisch, was Patient:innen mit Tumoren, die HRR-Genalterationen aufweisen oder nicht, einen Vorteil bringen könnte. Eine aktuelle Metaanalyse bestätigte den Benefit der Kombinationstherapien unabhängig von Biomarkern. Dennoch profitieren Personen ohne HRR-Mutation weniger, betonte Prof. Dr. Ravindran Kanesvaran, National Cancer Centre Singapore.4 In den USA erfolgten Zulassungen im Unterschied zur EMA-Zulassung nur in bestimmten Biomarker-Subgruppen.
Derzeit laufen Studien, die Kombinationen von NHA und PARP-Inhibition bereits beim mHSPC untersuchen: Dabei schließen die Studien TALAPRO-3 und Evo-PAR-Prostate-01 auch Erkrankte ohne BRCA- bzw. HRR-Gen-Mutation ein, in AMPLITUDE müssen die Tumoren der Teilnehmenden eine Mutation eines HRR-Gens aufweisen.
Für den fiktiven Fall des 63-jährigen Mannes mit symptomatischem mHSPC ohne HRR-Mutation und mit einem Progress nach 18 Monaten bestehe zurzeit keine Rationale für den Einsatz einer Kombination aus AR- und PARP-Inhibitoren, schlussfolgerte der Referent.
Stereotaktische Radiotherapie
Prof. Dr. Dr. Valerie Fonteyne vom Universitätsklinikum Ghent beleuchtete die mögliche Rolle der stereotaktischen Körperbestrahlung (SBRT) für Personen mit mCRPC.5 Eine palliative Radiatio sei die Therapie der Wahl im Falle von schmerzhaften Knochenmetastasen, so die Expertin. Leider fallen die Komplettansprechraten (CRR) mit der konventionellen Bestrahlung gering aus. Bisher zeigte sich die SBRT dieser nicht immer überlegen, aber Prof. Fonteyne verwies auf eine Studie, in der die SBRT die CRR nach drei Monaten verdoppelte.
Auch für mCRPC-Erkrankte mit progredienter ossärer Oligometastasierung biete die SBRT eine gute Möglichkeit zur lokalen Kontrolle und sei verträglich. Darauf weise eine Reihe von Studiendaten hin, allerdings sei hier die Patient:innenselektion essenziell. Prof. Fonteyne: „Wir haben eine Subgruppe von Personen mit mCRPC, die von der lokalen Therapie profitieren, aber eben nicht alle, manche benötigen eine systemische Behandlung. Entscheidend ist also, diejenigen herauszufiltern, die aus der metastasengerichteten Therapie einen Vorteil ziehen.“ Dafür stünden zwar keine Biomarker zur Verfügung, aber immerhin lieferten prognostische Faktoren wie die Zahl und Lokalisation der Metastasen Hinweise. In den meisten Studien wurde ein Cut-off von 3–5 Knochenmetastasen gewählt. Die SBRT sei noch kein Standard und sollte nicht außerhalb von klinischen Studien oder Registern eingesetzt werden, resümierte Prof. Fonteyne.
Alle anwesenden Expert:innen forderten in der abschließenden Diskussion mehr Daten zum Einsatz der PARP-Inhibitoren/NHA-Kombinationen nach NHA-Vorbehandlung oder bei Mutationen anderer HRR-Gene als BRCA1/2.6 Prof. Dr. Dr. Karim Fizazi, Institut Gustave Roussy, Paris, betonte darüber hinaus die Wichtigkeit einer osteoprotektiven Therapie.
Quellen:
1. Guancial EA. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Session: Treatment Intensification: What To Do for Patients With Early Castration-Resistant Prostate Cancer Who Have Received Doublet or Triplet Therapy; Vortrag: Case Presentation
2. Reichert ZR. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Session: Treatment Intensification: What To Do for Patients With Early Castration-Resistant Prostate Cancer Who Have Received Doublet or Triplet Therapy; Vortrag: Sequencing Hormonal Therapies After Treatment Intensification
3. Bryce AH. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Session: Treatment Intensification: What To Do for Patients With Early Castration-Resistant Prostate Cancer Who Have Received Doublet or Triplet Therapy; Vortrag: PSMA-Targeting and Radium-223
4. Kanesvaran R. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Session: Treatment Intensification: What To Do for Patients With Early Castration-Resistant Prostate Cancer Who Have Received Doublet or Triplet Therapy; Vortrag: Relative Efficacy of Androgen Receptor Targeting Plus PARP Inhibition
5. Fonteyne V. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Session: Treatment Intensification: What To Do for Patients With Early Castration-Resistant Prostate Cancer Who Have Received Doublet or Triplet Therapy; Vortrag: Is There a Role for Stereotactic Radiotherapy in Selected Patients With Metastatic Castrate-Resistant Prostate Cancer?
6. ASCO Genitourinary Cancers Symposium 2024; Session: Treatment Intensification: What To Do for Patients With Early Castration-Resistant Prostate Cancer Who Have Received Doublet or Triplet Therapy; Roundtable Discussion
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