Strategien nach Erfolg der Immuntherapie 

EAU 2023 Mascha Pömmerl

Welche Strategien sollten nach Erfolg der Immuntherapie bei Blasen- und Nierenzellkarzinomen angewendet werden? Welche Strategien sollten nach Erfolg der Immuntherapie bei Blasen- und Nierenzellkarzinomen angewendet werden? © valiantsin – stock.adobe.com

Eine Subgruppe von Patient:innen mit Nierenzell- und Blasenkarzinomen spricht sehr gut auf Regime mit Immuncheckpoint-Inhibitoren an. Doch die Nebenwirkungen sind teils erheblich. Es stellt sich daher die Frage, wie man nach einer Remission weiter verfahren sollte. 

Die Toxizität systemischer Regime ist mitunter hoch, nicht nur aufgrund der Substanzen oder deren Kombinationen, sondern auch wegen der Dauer der Behandlung. Möglicherweise sei es aber gar nicht notwendig, Immuntherapien über lange Zeiträume durchzuführen, erklärte Dr. Cristina ­Suárez, Hospital Universitari Vall d‘Hebron, Barcelona.1 Dass Checkpoint-Inhibitoren nur in bestimmten Subgruppen wirkten, sei ebenfalls ein Argument, deren Applikation zu verkürzen. Die Deeskalation der Systemtherapie durch geringere Dosen, weniger Substanzen oder kürzere Dauer könnte nicht nur Nebenwirkungen und Kosten verringern und die Lebensqualität verbessern, sondern möglicherweise auch Resistenzen reduzieren, so die Referentin weiter. Zudem trage eine bessere Patient:innenselektion zur De­eskalation bei. 

Standard für die Erstlinie des meta­stasierten  Nierenzellkarzinoms (mRCC) sind auf einer Immuntherapie basierende Kombinationen – CPI + CPI oder CPI + TKI –, die sich gegenüber alleinigem Sunitinib als überlegen herausgestellt hatten. In klinischen Untersuchungen wurde eine Komponente der Regime – im Falle der TKI-Studien der TKI – bis zum Krankheitsprogress oder inakzeptabler Toxizität fortgeführt. 

Wie lange eine Immuntherapie dauern muss, um den klinischen Benefit aufrecht zu erhalten, ist unbekannt. In diesem Zusammenhang verwies Dr. ­Suárez auf eine kleine Phase-2-Studie zu intermittierend verabreichtem Nivolumab bei anti­angiogenetisch vorbehandelten mRCC-Patient:innen. Erkrankte mit ≥ 10%iger Verringerung der Tumorlast begannen eine therapiefreie Beob­achtungsphase. Nahm die Tumorlast wieder um ≥ 10 % zu, erhielten sie erneut Nivolumab. Von den fünf Teilnehmenden mit einer Unterbrechung der CPI-Behandlung musste nur eine:r erneut mit Nivolumab beginnen. Vier Personen erzielten ein Ansprechen für median 34 Wochen. Keine erlitt in der Therapiepause einen Krankheitsprogress gemäß RECIST, betonte Dr. ­Suárez. 

Auch die TKI-Behandlung müsse deeskaliert werden, so die Expertin. Die Autor:innen einer randomisierten Phase-2/3-Studie konnten zwar keine Nicht-Unterlegenheit eines intermittierend gegebenen TKI gegenüber einer durchgängigen Gabe in der Erstlinie des mRCC nachweisen. Zumindest gab es aber keine signifikante Verringerung der Lebenserwartung, sodass die Forschenden TKI-Pausen als mögliche und kosteneffiziente Maßnahme bezeichnen, die der Lebensqualität der Betroffenen zugutekommt.2

Abschließend stellte Dr. ­Suárez Daten zur Therapieoptimierung anhand von Biomarkern vor. In der IMmotion150-Studie waren Gen­expressionssignaturen von Angio­genese, Immun- und Antigenpräsentation sowie myeloiden Entzündungen mit mit dem Ansprechen auf Sunitinib, Atezolizumab und Atezolizumab + Bevacizumab assoziiert. In einer kleinen Analyse erwies sich die Menge der ctDNA im Plasma als prädiktiv für das Ansprechen auf CPI.

Operative Strategien

Prof. Dr. ­Axel ­Bex, Royal Free Hospital in London und Netherlands Cancer Institute in Amsterdam, beschäftigte sich mit operativen Strategien, die nach komplettem Ansprechen (CR) unter einer Immuntherapie beim RCC und Blasenkarzinom zum Einsatz kommen könnten.3 Im Falle des mRCC be­stehe eine Rationale für eine ergänzende, verzögerte zytoreduktive Nephrektomie (CN), so der Referent: Nierenkarzinome seien größer als Blasentumoren und es würden weniger pathologische Komplett­ansprechen (pCR) erzielt. Eine CN könne Patient:innen Tumorfreiheit (no evidence of disease, NED) bringen, was wiederum möglicherweise einen Stop der Immuntherapie – im Gegensatz zum Blasenkrebs Erstlinien­standard für RCC-Patient:innen – erlaubt. Für die CN spreche auch, dass sie zur Regression von Metastasen führen könne, so Prof. Bex. Außerdem sei ohnehin eine Operation notwendig, um die pCR des Primärtumors zu bestätigen. 

Hier ist die Operation keine Option

Für Personen mit metastasiertem Blasen­karzinom sah Prof. Bex keinen Raum für operative Strategien nach einer CR unter Immuntherapie. Die PFS-Kurve falle auch nach einer Erhaltung mit CPI nach Ansprechen auf Platin steil ab, und eine Zystektomie stelle eine verstümmelnde Operation dar, die mit einer hohen Komplikationsrate verbunden sei. Mit Blick auf die hohen pCR-Raten nach neoadjuvanter Immuntherapie sollten organerhaltende Strategien zum Einsatz kommen. Wichtig sei es, Marker für die pCR zu entwickeln. Prof. Bex nannte in diesem Zusammenhang die NABUCCO-Studie, in der das Fehlen von ctDNA im Plasma mit einem sehr langen DFS assoziiert war.

In CPI-Studien wurden überwiegend nephrektomierte mRCC-Patient:innen eingeschlossen, es gab aber auch Subgruppen von noch nicht operierten Personen mit primär metastasiertem RCC, erklärte Prof. Bex. Auch sie profitierten von der Immuntherapie im Vergleich zu Sunitinib. Die Autor:innen der EAU-Leitlinien sprechen eine schwache Empfehlung dafür aus, mit RCC-Erkrankten, die von der Systemtherapie profitieren, eine ergänzende CN zu besprechen.

In einer Real-World-Studie mit nicht-nephrektomierten mRCC-Patient:innen, die mit Nivolumab und Ipilimumab behandelt worden waren, erzielte rund ein Drittel ein partielles Ansprechen. Bei 10 % verschwanden die Metastasen komplett. Rund 19 % unterzogen sich einer verzögerten Nephrektomie, wodurch vier krankheitsfrei wurden.4 Ein Update nach einem medianen Follow-up von 25 Monaten ergab in der Gruppe der Betroffenen, die nachfolgend eine CN erhielten, ein medianes therapiefreies Überleben von 21 Monaten. Diese vorläufigen Daten seien natürlich mit Vorsicht zu interpretieren, so Prof. Bex, der in Ermangelung klinischer Studien, die die Frage einer längeren Immuntherapiepause nach CN adressieren, ein europäisches Register zur Datensammlung vorschlug. Auch in einer retrospektiven französischen Studie führte die nach Ansprechen auf die Immuntherapie durchgeführte CN zu vielversprechenden Ergebnissen. Das Zwölf-Monats-DFS betrug 77,7 %, wobei 66,7 % der Teilnehmenden keine weitere systemische Behandlung benötigten.

Die verzögerte CN sei sicher, sollte aber unbedingt in großen Zentren durchgeführt werden, so Prof. Bex. Derzeit untersuchen Forschende sowohl in der ­NORDIC-SUN- als auch in der ­PROBE-Studie die ergänzende CN nach Immuntherapie. Bis die Ergebnisse vorlägen, sollte mit Patient:innen, die durch die Immuntherapie eine (nahezu) CR der Metastasen erzielen, diese Option diskutiert werden. Prof. Bex: „Ich denke, hier bietet sich tatsächlich die Möglichkeit der Therapie-­Deeskalation.“

Quellen:
1. Suárez C. 38. Annual EAU Congress; State-of-the-art lecture: De-escalation of systemic treatment
2. Brown JE et al. Lancet Oncol 2023; 24: 213-27; DOI: 10.1016/S1470-2045(22)00793-8
3. Bex A. Annual EAU Congress; State-of-the-art lecture: Surgical strategies
4. Meerveld-Eggink A et al. Eur Urol Open Sci 2022; 35: 54-58; DOI: 10.1016/j.euros.2021.11.003

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