Suizid: Wie Sie Ihre Patienten und sich selbst am besten schützen

Dr. Angelika Bischoff

Bringt er sich um, dürfen nicht auch Arzt und Praxis- bzw. Stationsteam in ein seelisches Loch fallen. Bringt er sich um, dürfen nicht auch Arzt und Praxis- bzw. Stationsteam in ein seelisches Loch fallen. © iStock.com/tzahiV

Die Suizidalität psychiatrischer Patienten richtig einschätzen und den Selbstmord verhindern: Daran werden Ärzte trotz aller Sorgfalt immer wieder scheitern. Dann heißt es, mit dem Ereignis richtig umzugehen.

Ärzte müssen die Suizidneigungen ihrer psychisch kranken Patienten immer wieder neu einschätzen, und das ist oft gar nicht so einfach. Hilfestellung bieten die folgenden Fragen, wie Dr. Jörg Signerski­-Krieger, Psychiater an der Universitätsklinik Göttingen, darlegte:

  • Woran lässt sich die Suizidalität des Patienten aktuell festmachen?
  • Hatte er früher schon suizidale Krisen?
  • Wie ausgeprägt ist die aktuelle depressive oder psychotische Symptomatik?
  • Steht der Kranke unter einem akuten Handlungsdruck, fürchtet er sich z.B. vor Kontrollverlust?
  • Belastet ihn seine psychosoziale Situation, etwa der Verlust des Arbeitsplatzes, Einsamkeit oder schwere Erkrankungen?
  • Gibt es Faktoren, die ihn ans Leben binden – Kinder, Partner, Religion?
  • Lässt sich gemeinsam mit ihm eine Zukunftsperspektive entwickeln?

Doch selbst wenn man all diese Aspekte sorgfältig prüft und – falls nötig – geeignete Maßnahmen einleitet, kann es passieren, dass sich der Patient das Leben nimmt. Und solche Fälle wird es geben, sagte Dr. Signerski-Krieger. Sie lassen sich einfach nicht immer verhindern. Schließlich könne man seine Patienten nicht einsperren, um sie vor sich selbst zu schützen. Wer lernen soll, wieder selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln, braucht gewisse Freiheiten. Diese sind zudem Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung.

Pflegepersonal weiß häufig, was in der Luft liegt

Haben Sie den Eindruck einer akuten suizidalen Gefährdung gewonnen, planen Sie engmaschige Gespräche, treffen Sie mit dem Betroffenen klare Absprachen, etwa in Form eines Suizidvertrags, riet Dr. Signerski-Krieger. Bieten Sie ihm eine kurzzeitige Unterbringung in der Klinik an. Unter Umständen helfen additiv auch sedierende Antipsychotika über eine suizidale Krise hinweg.

Für die Kollegen in der Klinik von Bedeutung: Fragen Sie das Pflegepersonal, ob Suizidalität in der Luft liegt. Denn zumeist haben die Mitarbeiter einen wesentlich engeren Kontakt zu den Kranken als Sie und bekommen eher mit, wenn sich etwas im Verhalten ändert.

Psychohygiene als Selbstschutz

Hat sich ein Patient trotz alldem das Leben genommen, führt dies bei Ärzten wie Pflegern häufig zu Stressreaktionen. Manche fühlen sich gar gekränkt, so der Psychiater, oder fürchten, ihre Kompetenz werde infrage gestellt. Andere haben Angst vor Vorwürfen seitens der Angehörigen und grübeln darüber, ob sie nicht doch einen Fehler gemacht haben. Langfristige Reaktionen seien aber eher selten, meinte Dr. Signerski­-Krieger.

Wie man reagiert, hängt nach Ansicht des Psychiaters von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählte er neben der Berufserfahrung und der persönlichen Beziehung zum Patienten u.a. auch, ob man selbst es war, der den Betroffenen gefunden hat. Ganz wesentlich sei zudem die eigene Coping-Kompetenz und die Unterstützung, die man durch das Umfeld erfahre.

Dr. Signerski-Krieger hält es für essenziell, dass man einige Grundregeln der Psychohygiene bzw. Burnoutprophylaxe kennt. Regelmäßige Entspannungsphasen, Bewegung oder eine schöne Arbeitsumgebung könnten dabei helfen, die eigene Psyche vor solchen Situation zu wappnen.

Für den Fall eines Patientensuizids muss klar definiert sein, wer informiert wird, um weitere Maßnahmen zu organisieren. Dazu gehören eine zeitnahe Supervision für das gesamte Praxis- bzw. Stationsteam und ggf. Einzelgespräche für besonders stark Betroffene. Auch Mitpatienten müssen Hilfe bekommen – ganz besonders dann, wenn sie selbst suizidgefährdet sind. Um zu sehen, wie sie mit dem Ereignis umgehen, bietet sich etwa eine zusätzliche Visite an, führte Dr. Signerski-Krieger aus.

Letztlich sollte man auf die Angehörigen aktiv zugehen und ein Gespräch anbieten. Diese wünschen oftmals eine Akteneinsicht. Da jedoch die Schweigepflicht über den Tod hinaus gilt, muss der Patient vor seinem Ableben in die Information eingewilligt haben.

Quelle: DGPPN* Kongress 2018

* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde

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Bringt er sich um, dürfen nicht auch Arzt und Praxis- bzw. Stationsteam in ein seelisches Loch fallen. Bringt er sich um, dürfen nicht auch Arzt und Praxis- bzw. Stationsteam in ein seelisches Loch fallen. © iStock.com/tzahiV