Sulfonylharnstoffe im Kreuzfeuer

Antje Thiel, Foto: thinkstock

Über die Therapie des Typ-2-Diabetes mit Sulfonylharnstoffen wird nach wie vor diskutiert. Es geht vor allem um die Gewichtszunahme sowie schwere Hypoglykämien unter dieser Substanzgruppe.

Alles in allem ist es unwahrscheinlich, dass die ältesten Substanzen für die orale Therapie des Typ-2-Diabetes in absehbarer Zeit von der Bildfläche verschwinden. Für das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) stellt die Gabe von Sulfonylharnstoffen aller Vorbehalte zum Trotz eine „etablierte Therapie“ dar und gilt – in Kombination mit Metformin – als Goldstandard, an dem sich neuere Therapieformen messen müssen. Nicht zuletzt schonen sie die Budgets niedergelassener Hausärzte und Diabetologen und werden weiterhin entsprechend häufig verordnet.

Erste Behandlungswochen besonders kritisch

Auch Professor Dr. Ulrich Alfons Müller vom Diabeteszentrum Thüringen in Jena setzt Sulfonylharnstoffe ein – zumindest bei Typ-2-Diabetikern mit Metforminunverträglichkeit und ohne Übergewicht. Das Hypoglykämierisiko müsse differenziert betrachtet werden: „In den ersten drei Wochen nach Therapiebeginn kommt es zur stärksten Absenkung des HbA1c-Wertes und damit auch am häufigsten zu Hypoglykämien, danach stabilisieren sich die Werte aber in der Regel.“


Um in dieser kritischen Phase Hypoglykämien zu vermeiden, bräuchten Patienten Zugang zu regelmäßigen Blutzuckerkontrollen, so Prof. Müller. Ohnehin gibt es seiner Auffassung nach Unschärfen in der Diskussion über das Hypoglykämierisiko: Entscheidend sei nicht nur die Hypoglykämie-Frequenz, sondern auch der Schweregrad und die subjektive Belastung des Patienten.


Prof. Müller zitierte aktuelle Studien, in denen bei Langzeittherapie mit Sulfonylharnstoffen der zweiten Generation (Glipizid) und Metformin nur geringfügig mehr Hypoglyk­ämien auftraten als unter entsprechender Therapie mit Dapagliflozin/Metformin bzw. DPP-4-Hemmer/Metformin. Ebenso verwies er auf Studien, wonach Patienten sich durch nicht schwere Hypoglykämien nicht stärker belastet fühlen als Patienten ohne Unterzuckerung. Prof. Müller empfahl, neue Therapieoptionen zwar zu berücksichtigen, Sulfonylharnstoffe aber nicht leichtfertig ad acta zu legen.

Sturz durch Hypoglykämie

Mit seinen Ausführungen konnte er den Leiter der Sitzung, Professor Dr. Hellmut Mehnert aus München, allerdings nicht überzeugen: „Das wichtigste Argument gegen Sulfonylharnstoffe bleiben die Hypoglykämien. Wer infolge einer Unterzuckerung stürzt, erleidet häufig schwere Frakturen, die einen längeren Krankenhausaufenthalt erforderlich machen.“ Die hierdurch verursachten Kosten müssten in die volkswirtschaftliche Betrachtung der Kostenvorteile durch Sulfonlyharnstoffe miteinbezogen werden.


Ein Zuhörer aus dem Plenum kritisierte darüber hinaus den Wirkmechanismus der Sulfonylharnstoffe: „Ich finde es nicht sinnvoll, mit Sulfonylharnstoffen das Pankreas immer weiter anzufeuern – es versagt so nur noch schneller!“


Quelle: Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft

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