Symptomatischen Hallux valgus operieren und die Stöckelschuhe im Schrank lassen

Dr. Dorothea Ranft

Von dieser Fehlstellung kann kein Nagellack ablenken. Von dieser Fehlstellung kann kein Nagellack ablenken. © fotolia/wolfness

Sobald ein Hallux valgus Beschwerden verursacht, ist eine Op. indiziert. Der Eingriff verlangt der Patientin aber postoperativ einiges an Geduld ab. Denn für die nächsten sechs Wochen muss selbst das Abendkleid mit einem wenig eleganten Therapieschuh kombiniert werden.

Beim Hallux valgus kommt es typischerweise zu einer verstärkten lateralen Dezentrierung der Streck- und Beugesehnen des ersten Strahls. Den kleinen Zehen bleibt nichts anderes übrig, als nach oben auszuweichen. Ätiologisch ist der deletäre Einfluss von Schuhen mit hohem Absatz gesichert. Auch eine familiäre Belastung spielt eine große Rolle, ebenso Fehlstellungen wie Knick-Senkfuß und valgische Beinachse, schreiben Dr. Birgit Zirngibl von der Orthopädischen Universitätsklinik Regensburg und ihre Kollegen.

Auch verkürzte Muskeln und Sehnen bewirken Schiefstand

Anamnestisch gilt es, die Beschwerden und Einschränkungen des Patienten im Alltag zu eruieren. Hauptursache für Schmerzen ist die Pseudoexostose, über der sich eine empfindliche Bursa bildet. Aber auch die verdrängten Kleinzehen können Beschwerden auslösen.

Bei der klinischen Untersuchung sollte man sich das gesamte Bein und das Gangbild des Patienten anschauen. Schließlich kann auch eine Verkürzung von Achillessehne und/oder Wadenmuskeln dem Hallux Vorschub leisten. Die aktive und passive Mobilität im Großzehengrundgelenk wird mit der Neutral-Null-Methode geprüft (Schmerzen, Krepitation). Außerdem kontrolliert man die Mobilität des ersten „Mittelfußköpfchens“ im Verhältnis zum zentralen Vorfuß. Eine Translationsbewegung > 1 cm signalisiert eine Instabilität. Weiterhin gehört der Fußpuls und neurologische Status zur klinischen Untersuchung.

Risiken durch den Eingriff

  • Verkürzung des ersten Strahls
  • Eingeschränkte Funktion des Großzehengrundgelenks
  • Pseudarthrose
  • Fehlstellungsrezidiv
  • Osteonekrose (MTIKöpfchen, Sesambeine)
  • Arthrose (Großzehengrundgelenk) n Überkorrektur (Hallux varus)
  • Transfermetatarsalgie
  • Funktionsbehinderung bei Sehnenläsionen
  • Chronisches regionales Schmerzsyndrom (CRPS)
Röntgenbilder helfen, den Schweregrad des Hallux zuverlässig einzuschätzen. Als obligat gelten Aufnahmen mindestens des Vor- und Mittelfußes dorsoplantar und seitlich unter Belastung. Nur so lässt sich der Hallux-valgus- und Intermetatarsale-I/II-Winkel korrekt ermitteln (s. Kasten). Auf potenzielle Arthrose oder Metatarsus adductus sollte zusätzlich geachtet werden.

Experten warnen vor rein kosmetischem Eingriff

Die konservative Therapie erfolgt i.d.R. symptomatisch zur Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung. Möglicherweise kann bei Frühformen der Hallux-valgus-Winkel verbessert werden, höhergradige Veränderungen sind jedoch nur operativ korrigierbar, betonen die Autoren. Eine entscheidende Rolle spielt die Wahl geeigneter Schuhe mit flachem Absatz, weichem Oberleder und ausreichend Platz für die Zehen. Patienten mit schmerzhafter Arthrose des Großzehengrundgelenks profitieren evtl. von einer Schuhzurichtung mit Ballenrolle. Der Nutzen von Einlagen bei der Transfermetatarsalgie ist umstritten.

Die Orthopäden empfehlen begleitend physiotherapeutische Übungen zur Muskelkräftigung und Dehnung. Derzeit besonders populär ist das Spiraldynamik-Konzept. Es basiert auf den vier Stufen Wahrnehmung, Mobilisation, Kräftigung und Integration in den Alltag, ist aber noch nicht in Studien validiert. Lokal können entzündungshemmende Salben helfen, bei akuten Beschwerden eventuell die vorübergehende Einnahme von NSAR. Redressionsorthesen wirken nur während der nächtlichen Tragzeit, in der die Großzehe keinem besonderen Stress ausgesetzt ist.
Einteilung des Schweregrades
leicht
moderat
schwer
Intermetatarsale-Winkel11–15°16–20°> 20°
Hallux-valgus-Winkel21–30°31–40°> 40°

Sobald der Hallux Symptome wie Schmerzen, Druckstellen oder Ulzera auslöst, empfiehlt die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie eine Op. Kosmetische Eingriffe bei schmerzfreien Patienten sollten hingegen nicht durchgeführt werden, betonen die Regensburger Autoren. Die Art des Eingriffs richtet sich u.a. nach der Ausprägung und dem Ort der Fehlstellung und umfasst gelenk­erhaltende oder -resezierende Maßnahmen sowie Osteotomien.

Redressierende Verbände verhindern Rezidiv

Je proximaler eine Osteotomie erfolgt, desto größer ist das Korrekturpotenzial. Für leichte bis mittelschwere Fälle genügt demnach meist ein distaler Eingriff. Basisnahe Osteo­tomien sind bei moderaten Veränderungen angebracht und tarsometatarsale (TMT)-I-Korrektur­arthrodesen bei schweren. Allerdings überlappen sich die Indikationen, z.B. kann ein instabiles TMT-I-Gelenk schon bei leichtem Hallux eine Korrekturarthrodese erfordern.
Ein pathologischer distaler Gelenkflächenwinkel (DMAA > 10°) sollte während der Osteotomie mitkorrigiert werden. Bei einer begleitenden, symptomatischen Arthrose des Metatarsophalangealgelenks-I ist eine Dekompression des Gelenks indiziert.

Die Nachbehandlung richtet sich nach der Operationstechnik. In der Regel erfolgt eine Mobilisation im Verband- oder Vorfußentlastungsschuh über sechs Wochen. Als Rezidivprophylaxe ist eine konsequente Redressierung mit Orthese oder Tapeverband über acht bis zehn Wochen erforderlich. Nach gelenk­erhaltenden Eingriffen sollte das Großzehengrundgelenk aktiv und passiv beübt werden. Zur Reduktion von Schwellungen eignen sich Schonung, Kryotherapie, NSAR und Lymphdrainage.

Quelle: Zirngibl B et al. Orthopäde 2017; 46: 283-296

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Von dieser Fehlstellung kann kein Nagellack ablenken. Von dieser Fehlstellung kann kein Nagellack ablenken. © fotolia/wolfness
Während der Op. wird die Position der sehnenführenden Sesambeine korrigiert, die sich
beim Hallux valgus vom Mittelfußköpfchen entfernen. Während der Op. wird die Position der sehnenführenden Sesambeine korrigiert, die sich beim Hallux valgus vom Mittelfußköpfchen entfernen. © fotolia/Whyona