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Testosteronmissbrauch lässt das Hämoglobin gefährlich ansteigen

Schon auf den ersten Blick bot der Mann Anlass, an Steroide zu denken. Der muskulöse Körperbau und die Akneläsionen im oberen Rücken und Schulterbereich gelten als typisch für Menschen, die damit dopen. Notfallmäßig hatte den 55-Jährigen der Hausarzt in das Kantonsspital St. Gallen überwiesen. Seit drei Wochen litt sein Patient über Kopfschmerzen, verbunden mit Antriebsstörungen und Schwächeanfällen. Auffällig waren bei der Untersuchung zunächst der deutlich erhöhte Hämoglobin von 21 g/dl, ein Hämatokrit von 0,59 und eine eingeschränkte Nierenfunkion mit einer eGFR von 52 ml/min, berichten Dr. Michael Walter Kuhn und seine Kollegen von der Abteilung für Endokrinologie der Klinik.
KHK, Hodenatrophie und Gynäkomastie
Damit passten alle Puzzleteile zusammen, denn die Einnahme von Testosteron und anderen Anabolika zählt zu den typischen Ursachen einer Polyglobulie. Die wiederum geht u.a. oft mit Schwäche und Kopfschmerzen einher. Differenzialdiagnostisch musste man noch an Neoplasien, Medikamente wie Erythropoetin und eine chronische Hypoxie denken. Den endgültigen Beleg lieferten schließlich die Spiegel vom follikelstimulierenden bzw. luteinisierenden Hormon sowie der Wert des freien Testosterons, alle waren deutlich erniedrigt. Schließlich räumte der Patient ein, sich bis vor einem Monat aufgrund eines anstehenden Wettkampfs alle drei Tage je zweimal 200 mg Testosteronproprionat in die Muskeln gespritzt zu haben.
Dadurch wurde die Bildung von Erythropoetin stimuliert und die von Hepcidin gehemmt, ein wichtiger Regulator des Eisenstoffwechsels, erklären die Autoren. Im Extremfall kann das bis zu thromboembolischen Komplikationen wie einem Schlaganfall führen.
Auch langfristig bekam der Patient schon die Folgen des Missbrauchs zu spüren: Dyslipidämie und linksventrikuläre Hypertrophie lassen das kardiovaskuläre Risiko bei der Einnahme von androgenen anabolen Steroiden nach oben schießen; bei dem 55-Jährigen hatte sich bereits eine KHK entwickelt. Hodenatrophie und Gynäkomastie zählen ebenfalls zu den typischen klinischen Folgen eines Missbrauchs von androgenen anabolen Steroiden.
Dank dreimaligem Aderlass und Heparintherapie konnte der Mann nach sechs Tagen mit einem Hämoglobin von 19,2 g/dl beschwerdefrei entlassen werden. In Hinblick auf seinen Missbrauch wurde ihm gut zugeredet. In vielen Fällen sei sogar eine psychotherapeutische Begleitung indiziert, so die Autoren.
Quelle: Kuhn MW et al. Swiss Med Forum 2019; 19: 655-658; DOI: doi.org/10.4414/smf.2019.08264
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