Therapie der Neuromyelitis optica vor der Umwälzung

Friederike Klein

In 80 % der Fälle von NMOSD sind Aquaporin-Antikörper am Werk. In 80 % der Fälle von NMOSD sind Aquaporin-Antikörper am Werk. © Science Photo Library/Kon, Kateryna

Patienten mit Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen können immer besser behandelt werden. Inzwischen gibt es drei neue Antikörper für diese Indikation. Die „alten“ Substanzen sind deswegen aber keineswegs obsolet.

Was therapeutische Erfahrungswerte angeht, haben die bei Patienten mit Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) eingesetzten „alten“ Wirkstoffe Rituximab, Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Tocilizumab sicherlich die Nase vorn. Von den neuen Antikörpern wird schließlich nur Eculizumab schon etwas länger verordnet – wenn auch in anderer Indikation. 2007 erhielt es die Zulassung für die Behandlung der paroxysmalen nächtlichen Hämoglobinurie (PNH), erst 2019 folgte das „Go“ für die Therapie der Aquaporin (AQP)-4-Antikörper(AK)-positiven NMOSD.

Rituximab führt die Therapiehitliste an

Nach den Daten der Neuromyelitis-optica-Studiengruppe (NEMOS) wird Eculizumab allerdings bisher nur selten eingesetzt, berichtete Dr. Vivien Häußler, Neurologin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Das heimliche Standardmedikament bei AQP-4-AK-positiver NMOSD sei seit Jahren Rituximab. Andere Immunsuppressiva würden deutlich seltener gegeben und MS-Therapeutika seit drei Jahren überhaupt nicht mehr verordnet. Zu Recht, wie die Kollegin betonte. MS-Therapeutika haben keinen positiven Effekt auf die NMOSD, Interferone und Natalizumab erhöhen sogar die Schubrate. Auch Patienten mit AQP-4-AK-negativer NMOSD erhalten häufig Rituximab, Azathioprin spielt bei ihnen ebenfalls eine wichtige Rolle.

Drei Antikörper machen den bewährten, aber für die NMOSD gar nicht zugelassenen Substanzen Konkurrenz – zumindest bei der AQP-4-AK-positiven NMOSD:

  • Eculizumab richtet sich gegen den Komplementfaktor C5 und ist in Europa und den USA zugelassen.
  • Inebilizumab zielt auf das B-Lymphozyten-Antigen CD19 und führt zur B-Zell-Depletion. Die Substanz ist in den USA zugelassen.
  • Satralizumab unterbricht den Interleukin-6-Signalweg (in den USA, Kanada und der Schweiz zugelassen).

Für alle drei genannten Antikörper wurden Wirksamkeit und Sicherheit jeweils in Phase-3-Studien nachgewiesen. Langzeitdaten fehlen jedoch insbesondere für Inebilizumab und Satralizumab, stellte Dr. Häussler klar. Die Kosten der Therapien seien enorm.

Die vorhandenen Optionen differenziert nutzen

Ob die Krankenkassen künftig nur die zugelassenen, teuren Medikamente bezahlen oder auch die altbewährten Off-Label-Therapien, ist noch nicht absehbar. Aus Zulassungstext und Langzeiterfahrungen könnte sich aber ein differenzierter Einsatz der vorhandenen Optionen ergeben. Ein entsprechendes Konzept stellte Professor Dr. Tanja Kümpfel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München vor.

Alte und neue Immuntherapien bei NMOSD – was für wen?
Alte Immuntherapien
Neue Immuntherapien
AQP-4-AK-Serostatus
auch bei AQP-4-AK-negativen Patientennur für AQP-4-AK-positive Patienten
Familienplanung

RTX, AZA in Schwangerschaft möglich

MMF: Kontraindikation Schwangerschaft

Eculizumab: in Schwangerschaft möglich

Inebilizumab, Satralizumab: kaum Daten vorhanden

Alter

Erfahrungen vorhanden

  • mit RTX/AZA bei Kindern und Patienten ≥ 70 Jahre
  • mit AZA und MMF (Kinder) und Patienten ≥ 70 Jahre
  • mit TOZ bei Kindern und Patienten ≥ 70 Jahre

Alter in Studien:

  • Satralizumab: 13–73 Jahre
  • Inebilizumab: 18–73 Jahre
  • Eculizumab: ≥ 18 Jahre (Erfahrungen bei Kindern mit PNH)
Komorbiditäten
Therapie muss individualisiert erfolgen. Relevante Faktoren: durch die Medikamente hervorgerufene Leberwerterhöhungen, Blutbildveränderungen, Infektionen, Steuerbarkeit der Therapie, kardiovaskuläre Erkrankungen
Anwendung
selbstständige Einnahme/Gabe (oral, subkutan) oder i.v. Gabe durch den Arzt: Was akzeptiert der Patient in wlecher Häufigkeit? Wie adhärent ist er? Auch bei Selbsttherapie muss Monitoring gewährleistet sein!
Zusätzliche Autoimmunerkrankungen
Kombinationstherapien möglich (z.B. bei systemischem Lupus erythematodes, der in jedem Fall eine fortgesetzte Immunsuppression erfordert)

Inebilizumab: nur als Monotherapie zugelassen

Eculizumab: auch für Myasthenia gravis und paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie zugelassen

RTX (Rituximab), AZA (Azathioprin), MMF (Mycophenolatmofetil), TOZ (Tocilizumab)
nach Prof. Kümpfel

Kongressbericht: 93. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (Online-Veranstaltung)

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In 80 % der Fälle von NMOSD sind Aquaporin-Antikörper am Werk. In 80 % der Fälle von NMOSD sind Aquaporin-Antikörper am Werk. © Science Photo Library/Kon, Kateryna